Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

- das Vernunftmäßige dem Moralischen; - das Zweckmäßige dem Zweck; endlich das Veränderliche dem Bestehenden; - wie Form dem Gehalte entgegengesetzt seyn.

Bey jedem Gegenstande werden diese Begriffe anders modificiert. Oft ist etwas Form an einem Gegenstande, was an dem andern zum Gehalte gehört. Die Stufe der Leiter zum Reiche des Uebersinnlichen, worauf ein jeder Gegenstand steht, giebt darunter die nähere Bestimmung an die Hand. Es giebt Gegenstände, die in Vergleichung mit allen übrigen als Formen erscheinen, und dennoch gewisse Merkmahle zeigen, die als Gehalt von dem Aeußern, der Form, abgesondert werden. So ist die Münze, in so fern sie repräsentatives Zeichen des Vermögens ist, offenbar nur zu den Formen gehörig; und dennoch unterscheidet man an ihr die Form, das Gepräge, von ihrem laufenden Werthe. So sind Statuen, Gemählde nur Formen; aber Farben, Beleuchtung, Umrisse, Aufrisse und Ründung, unterscheiden sich, als Form, deutlich von der Bedeutung und dem Ausdruck, die hier für den Gehalt genommen werden. Das Gedicht ist gleichfalls nur Schein, nur Form; Aeußerung einer Empfindung des Herzens, Darstellung der Bilder der Phantasie; aber die Einkleidung wird deutlich von der Wahrheit der Empfindung, von der Vergegenwärtigung, von dem Süjet selbst, als von etwas Innerem, unterschieden.

Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen der Begriff von unserm niedern Wesen mit Leichtigkeit fassen. Bey der Anwendung auf einzelne Fälle, und im Gegensatze gegen das höhere, den Geist, stellt er sich gleichsam von selbst dar. Es ist der Inbegriff von Kräften

– das Vernunftmäßige dem Moralischen; – das Zweckmäßige dem Zweck; endlich das Veränderliche dem Bestehenden; – wie Form dem Gehalte entgegengesetzt seyn.

Bey jedem Gegenstande werden diese Begriffe anders modificiert. Oft ist etwas Form an einem Gegenstande, was an dem andern zum Gehalte gehört. Die Stufe der Leiter zum Reiche des Uebersinnlichen, worauf ein jeder Gegenstand steht, giebt darunter die nähere Bestimmung an die Hand. Es giebt Gegenstände, die in Vergleichung mit allen übrigen als Formen erscheinen, und dennoch gewisse Merkmahle zeigen, die als Gehalt von dem Aeußern, der Form, abgesondert werden. So ist die Münze, in so fern sie repräsentatives Zeichen des Vermögens ist, offenbar nur zu den Formen gehörig; und dennoch unterscheidet man an ihr die Form, das Gepräge, von ihrem laufenden Werthe. So sind Statuen, Gemählde nur Formen; aber Farben, Beleuchtung, Umrisse, Aufrisse und Ründung, unterscheiden sich, als Form, deutlich von der Bedeutung und dem Ausdruck, die hier für den Gehalt genommen werden. Das Gedicht ist gleichfalls nur Schein, nur Form; Aeußerung einer Empfindung des Herzens, Darstellung der Bilder der Phantasie; aber die Einkleidung wird deutlich von der Wahrheit der Empfindung, von der Vergegenwärtigung, von dem Süjet selbst, als von etwas Innerem, unterschieden.

Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen der Begriff von unserm niedern Wesen mit Leichtigkeit fassen. Bey der Anwendung auf einzelne Fälle, und im Gegensatze gegen das höhere, den Geist, stellt er sich gleichsam von selbst dar. Es ist der Inbegriff von Kräften

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="29"/>
&#x2013; das Vernunftmäßige dem Moralischen; &#x2013; das Zweckmäßige dem Zweck; endlich das Veränderliche dem Bestehenden; &#x2013; wie Form dem Gehalte entgegengesetzt seyn.</p>
          <p>Bey jedem Gegenstande werden diese Begriffe anders modificiert. Oft ist etwas Form an einem Gegenstande, was an dem andern zum Gehalte gehört. Die Stufe der Leiter zum Reiche des Uebersinnlichen, worauf ein jeder Gegenstand steht, giebt darunter die nähere Bestimmung an die Hand. Es giebt Gegenstände, die in Vergleichung mit allen übrigen als Formen erscheinen, und dennoch gewisse Merkmahle zeigen, die als Gehalt von dem Aeußern, der Form, abgesondert werden. So ist die Münze, in so fern sie repräsentatives Zeichen des Vermögens ist, offenbar nur zu den Formen gehörig; und dennoch unterscheidet man an ihr die Form, das Gepräge, von ihrem laufenden Werthe. So sind Statuen, Gemählde nur Formen; aber Farben, Beleuchtung, Umrisse, Aufrisse und Ründung, unterscheiden sich, als Form, deutlich von der Bedeutung und dem Ausdruck, die hier für den Gehalt genommen werden. Das Gedicht ist gleichfalls nur Schein, nur Form; Aeußerung einer Empfindung des Herzens, Darstellung der Bilder der Phantasie; aber die Einkleidung wird deutlich von der Wahrheit der Empfindung, von der Vergegenwärtigung, von dem Süjet selbst, als von etwas Innerem, unterschieden.</p>
          <p>Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen der Begriff von unserm niedern Wesen mit Leichtigkeit fassen. Bey der Anwendung auf einzelne Fälle, und im Gegensatze gegen das höhere, den Geist, stellt er sich gleichsam von selbst dar. <hi rendition="#g">Es ist der Inbegriff von Kräften
</hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0029] – das Vernunftmäßige dem Moralischen; – das Zweckmäßige dem Zweck; endlich das Veränderliche dem Bestehenden; – wie Form dem Gehalte entgegengesetzt seyn. Bey jedem Gegenstande werden diese Begriffe anders modificiert. Oft ist etwas Form an einem Gegenstande, was an dem andern zum Gehalte gehört. Die Stufe der Leiter zum Reiche des Uebersinnlichen, worauf ein jeder Gegenstand steht, giebt darunter die nähere Bestimmung an die Hand. Es giebt Gegenstände, die in Vergleichung mit allen übrigen als Formen erscheinen, und dennoch gewisse Merkmahle zeigen, die als Gehalt von dem Aeußern, der Form, abgesondert werden. So ist die Münze, in so fern sie repräsentatives Zeichen des Vermögens ist, offenbar nur zu den Formen gehörig; und dennoch unterscheidet man an ihr die Form, das Gepräge, von ihrem laufenden Werthe. So sind Statuen, Gemählde nur Formen; aber Farben, Beleuchtung, Umrisse, Aufrisse und Ründung, unterscheiden sich, als Form, deutlich von der Bedeutung und dem Ausdruck, die hier für den Gehalt genommen werden. Das Gedicht ist gleichfalls nur Schein, nur Form; Aeußerung einer Empfindung des Herzens, Darstellung der Bilder der Phantasie; aber die Einkleidung wird deutlich von der Wahrheit der Empfindung, von der Vergegenwärtigung, von dem Süjet selbst, als von etwas Innerem, unterschieden. Eben so wenig läßt sich im Allgemeinen der Begriff von unserm niedern Wesen mit Leichtigkeit fassen. Bey der Anwendung auf einzelne Fälle, und im Gegensatze gegen das höhere, den Geist, stellt er sich gleichsam von selbst dar. Es ist der Inbegriff von Kräften

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/29
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/29>, abgerufen am 24.11.2024.