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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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Wie edel zeigt sie sich noch in jenem Bekenntnisse das Julie that, als sie ihr Herz mit ihrer Unschuld in St. Preux Hände gab, und von seiner Großmuth, von seiner Tugend, von seinem Ehrgefühle Schutz gegen ihre eigene Schwäche erwartete! Ich weiß es, schrieb sie ihm, ich brauchte mich nur mit einiger Klugheit verächtlich zu machen, um dich zu beherrschen. Freund! ich überlasse sie dir, diese eitle Oberherrschaft: laß mir dagegen das Gefühl meiner Unschuld! Ich will lieber deine Sklavin mit reinem Herzen seyn, als deine Abhängigkeit mit dem Verlust meiner Ehre erkaufen!

Der Reitz, den das Geständniß der Gegenliebe durch die Form der Einkleidung erhalten kann, ist von der Wahrheit und dem Adel ihres innern Gehalts verschieden. Sie ist schön, diese Einkleidung, wenn sie dem niedern Beschauungshange schmeichelt; sie ist ästhetisch schön, wenn dieß unter Leitung der Gesetze des Verstandes und der Vernunft geschieht.

Die Naivität, mit der ein unbefangenes Mädchen dem schönen Jünglinge, der ihm gefällt, bey der ersten Zusammenkunft sein Herz anträgt, kann, unterstützt von Anmuth der Gestalt, des Tons und der Geberden, auf unsere Phantasie und unser Auge wohlgefällig wirken. So schauen wir das Geständniß einer Gurli in der Indianerin in London mit Vergnügen an. So kann eine Zelie, in der Entfernung von allen Mannspersonen, außer ihrem Wohlthäter, erzogen, in dem Gesellschaftstheater der Marquise de Genlis, schön erscheinen, wenn sie mit der Stärke der Leidenschaft diesem Wohlthäter bloße Freundschaft zu bezeugen glaubt. So können die Babets, Annetten und Agnesen auf unsern niedern Beschauungshang angenehm wirken, wenn wir uns gleich bey einiger Prüfung

Wie edel zeigt sie sich noch in jenem Bekenntnisse das Julie that, als sie ihr Herz mit ihrer Unschuld in St. Preux Hände gab, und von seiner Großmuth, von seiner Tugend, von seinem Ehrgefühle Schutz gegen ihre eigene Schwäche erwartete! Ich weiß es, schrieb sie ihm, ich brauchte mich nur mit einiger Klugheit verächtlich zu machen, um dich zu beherrschen. Freund! ich überlasse sie dir, diese eitle Oberherrschaft: laß mir dagegen das Gefühl meiner Unschuld! Ich will lieber deine Sklavin mit reinem Herzen seyn, als deine Abhängigkeit mit dem Verlust meiner Ehre erkaufen!

Der Reitz, den das Geständniß der Gegenliebe durch die Form der Einkleidung erhalten kann, ist von der Wahrheit und dem Adel ihres innern Gehalts verschieden. Sie ist schön, diese Einkleidung, wenn sie dem niedern Beschauungshange schmeichelt; sie ist ästhetisch schön, wenn dieß unter Leitung der Gesetze des Verstandes und der Vernunft geschieht.

Die Naivität, mit der ein unbefangenes Mädchen dem schönen Jünglinge, der ihm gefällt, bey der ersten Zusammenkunft sein Herz anträgt, kann, unterstützt von Anmuth der Gestalt, des Tons und der Geberden, auf unsere Phantasie und unser Auge wohlgefällig wirken. So schauen wir das Geständniß einer Gurli in der Indianerin in London mit Vergnügen an. So kann eine Zelie, in der Entfernung von allen Mannspersonen, außer ihrem Wohlthäter, erzogen, in dem Gesellschaftstheater der Marquise de Genlis, schön erscheinen, wenn sie mit der Stärke der Leidenschaft diesem Wohlthäter bloße Freundschaft zu bezeugen glaubt. So können die Babets, Annetten und Agnesen auf unsern niedern Beschauungshang angenehm wirken, wenn wir uns gleich bey einiger Prüfung

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          <p>Der Reitz, den das Geständniß der Gegenliebe durch die Form der Einkleidung erhalten kann, ist von der Wahrheit und dem Adel ihres innern Gehalts verschieden. Sie ist schön, diese Einkleidung, wenn sie dem niedern Beschauungshange schmeichelt; sie ist ästhetisch schön, wenn dieß unter Leitung der Gesetze des Verstandes und der Vernunft geschieht.</p>
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[267/0267] Wie edel zeigt sie sich noch in jenem Bekenntnisse das Julie that, als sie ihr Herz mit ihrer Unschuld in St. Preux Hände gab, und von seiner Großmuth, von seiner Tugend, von seinem Ehrgefühle Schutz gegen ihre eigene Schwäche erwartete! Ich weiß es, schrieb sie ihm, ich brauchte mich nur mit einiger Klugheit verächtlich zu machen, um dich zu beherrschen. Freund! ich überlasse sie dir, diese eitle Oberherrschaft: laß mir dagegen das Gefühl meiner Unschuld! Ich will lieber deine Sklavin mit reinem Herzen seyn, als deine Abhängigkeit mit dem Verlust meiner Ehre erkaufen! Der Reitz, den das Geständniß der Gegenliebe durch die Form der Einkleidung erhalten kann, ist von der Wahrheit und dem Adel ihres innern Gehalts verschieden. Sie ist schön, diese Einkleidung, wenn sie dem niedern Beschauungshange schmeichelt; sie ist ästhetisch schön, wenn dieß unter Leitung der Gesetze des Verstandes und der Vernunft geschieht. Die Naivität, mit der ein unbefangenes Mädchen dem schönen Jünglinge, der ihm gefällt, bey der ersten Zusammenkunft sein Herz anträgt, kann, unterstützt von Anmuth der Gestalt, des Tons und der Geberden, auf unsere Phantasie und unser Auge wohlgefällig wirken. So schauen wir das Geständniß einer Gurli in der Indianerin in London mit Vergnügen an. So kann eine Zelie, in der Entfernung von allen Mannspersonen, außer ihrem Wohlthäter, erzogen, in dem Gesellschaftstheater der Marquise de Genlis, schön erscheinen, wenn sie mit der Stärke der Leidenschaft diesem Wohlthäter bloße Freundschaft zu bezeugen glaubt. So können die Babets, Annetten und Agnesen auf unsern niedern Beschauungshang angenehm wirken, wenn wir uns gleich bey einiger Prüfung

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/267>, abgerufen am 22.11.2024.