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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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sich zieht. Wer inzwischen durch bedrängte Lagen gezwungen wird, für die Bedürfnisse eines jeden Tages mit qualvoller Anstrengung zu sorgen; wer durch eine ehrwürdige Bestimmung angehalten wird, alle seine Kräfte den Bedürfnissen des Staats und dem Beruf eines gewissen Standes zu widmen, der wird weder Mittel noch Zeit finden, auf eine engere liebende Verbindung diejenige Sorgfalt zu wenden, wodurch diese allein zur Vollkommenheit gehoben werden kann.

Wenn nun die Lage einiger Menschen sie unstreitig abhält, der edeln und schönen Liebe ihre Kräfte zu weihen; wenn dieser Abgang einer der höchsten Freuden ihres Lebens, weit entfernt ihnen einen Vorwurf zuzuziehen, zuweilen gerade den Anspruch auf höhere Vollkommenheit ihrer selbständigen Person begründet; so ist es doch gewiß, daß oft bloßer Unverstand und Trägheit die Menschen abhält, den Vorzug, edel und schön zu lieben, zu ihren übrigen hinzuzufügen. Es lassen sich wenig Lagen so drückend denken, daß nicht bey weiser Eintheilung unserer Zeit und unsers Einkommens Mittel übrig bleiben sollten, die zusammengesetzte Person an uns zu veredeln und zu verschönern. Die Schuld liegt, wie gesagt, an unserer Lässigkeit, am Mangel des ästhetischen Sinnes, oft auch an der Unbestimmtheit unserer Ideale, welche uns hindern zu bessern und zu schmücken, wo wir das Bild unserer Phantasie nicht sogleich völlig ausgefüllet finden.

Du, der du klagst, daß dein Vollkommenheitssinn keine Nahrung in dieser Welt finde, wisse, daß dieser in unserer Welt sinnlicher Erscheinungen nie völlig ausgefüllt werden kann. Vollkommenheit ist kein Wesen aus dieser Welt! Was du hienieden so nennst, sind Gemählde,

sich zieht. Wer inzwischen durch bedrängte Lagen gezwungen wird, für die Bedürfnisse eines jeden Tages mit qualvoller Anstrengung zu sorgen; wer durch eine ehrwürdige Bestimmung angehalten wird, alle seine Kräfte den Bedürfnissen des Staats und dem Beruf eines gewissen Standes zu widmen, der wird weder Mittel noch Zeit finden, auf eine engere liebende Verbindung diejenige Sorgfalt zu wenden, wodurch diese allein zur Vollkommenheit gehoben werden kann.

Wenn nun die Lage einiger Menschen sie unstreitig abhält, der edeln und schönen Liebe ihre Kräfte zu weihen; wenn dieser Abgang einer der höchsten Freuden ihres Lebens, weit entfernt ihnen einen Vorwurf zuzuziehen, zuweilen gerade den Anspruch auf höhere Vollkommenheit ihrer selbständigen Person begründet; so ist es doch gewiß, daß oft bloßer Unverstand und Trägheit die Menschen abhält, den Vorzug, edel und schön zu lieben, zu ihren übrigen hinzuzufügen. Es lassen sich wenig Lagen so drückend denken, daß nicht bey weiser Eintheilung unserer Zeit und unsers Einkommens Mittel übrig bleiben sollten, die zusammengesetzte Person an uns zu veredeln und zu verschönern. Die Schuld liegt, wie gesagt, an unserer Lässigkeit, am Mangel des ästhetischen Sinnes, oft auch an der Unbestimmtheit unserer Ideale, welche uns hindern zu bessern und zu schmücken, wo wir das Bild unserer Phantasie nicht sogleich völlig ausgefüllet finden.

Du, der du klagst, daß dein Vollkommenheitssinn keine Nahrung in dieser Welt finde, wisse, daß dieser in unserer Welt sinnlicher Erscheinungen nie völlig ausgefüllt werden kann. Vollkommenheit ist kein Wesen aus dieser Welt! Was du hienieden so nennst, sind Gemählde,

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[196/0196] sich zieht. Wer inzwischen durch bedrängte Lagen gezwungen wird, für die Bedürfnisse eines jeden Tages mit qualvoller Anstrengung zu sorgen; wer durch eine ehrwürdige Bestimmung angehalten wird, alle seine Kräfte den Bedürfnissen des Staats und dem Beruf eines gewissen Standes zu widmen, der wird weder Mittel noch Zeit finden, auf eine engere liebende Verbindung diejenige Sorgfalt zu wenden, wodurch diese allein zur Vollkommenheit gehoben werden kann. Wenn nun die Lage einiger Menschen sie unstreitig abhält, der edeln und schönen Liebe ihre Kräfte zu weihen; wenn dieser Abgang einer der höchsten Freuden ihres Lebens, weit entfernt ihnen einen Vorwurf zuzuziehen, zuweilen gerade den Anspruch auf höhere Vollkommenheit ihrer selbständigen Person begründet; so ist es doch gewiß, daß oft bloßer Unverstand und Trägheit die Menschen abhält, den Vorzug, edel und schön zu lieben, zu ihren übrigen hinzuzufügen. Es lassen sich wenig Lagen so drückend denken, daß nicht bey weiser Eintheilung unserer Zeit und unsers Einkommens Mittel übrig bleiben sollten, die zusammengesetzte Person an uns zu veredeln und zu verschönern. Die Schuld liegt, wie gesagt, an unserer Lässigkeit, am Mangel des ästhetischen Sinnes, oft auch an der Unbestimmtheit unserer Ideale, welche uns hindern zu bessern und zu schmücken, wo wir das Bild unserer Phantasie nicht sogleich völlig ausgefüllet finden. Du, der du klagst, daß dein Vollkommenheitssinn keine Nahrung in dieser Welt finde, wisse, daß dieser in unserer Welt sinnlicher Erscheinungen nie völlig ausgefüllt werden kann. Vollkommenheit ist kein Wesen aus dieser Welt! Was du hienieden so nennst, sind Gemählde,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/196>, abgerufen am 23.11.2024.