Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.in dem ersten Erwachen der Liebe bey dem Manne, seine Verwickelung in dessen Bemühungen Gegenliebe zu erwecken, und seine Auflösung in dem Genuß der Vereinigung findet. Wo dieser letzte Theil wegfallen sollte, da könnte das Drama für kein vollendetes Ganze gelten. Der isolierte Mensch könnte freylich selbst in seiner unglücklichen Liebe vollkommen und schön bleiben. Aber dem gepaarten Menschen ginge doch immer vieles ab, was wir für ihn wünschen, und unglückliche Liebe ist in Vergleichung mit der glücklichen, von Gegenliebe gekrönten, gewiß die unvollkommnere. Aus eben diesem Grunde wird die Vollkommenheit der Liebe durch diejenigen Hindernisse gestört, welche äußere Umstände der Vereinigung der Liebenden entgegen setzen. Diese können in der physischen Entfernung und in der Trennung liegen, welche die Abhängigkeit von Eltern, Gatten, vom Gesetz, und vom eigenen Bewußtseyn der Pflicht veranlaßt. Personen, die auf solche Art an ihrer Vereinigung gehindert werden, können zwar mit ihren Herzen zusammenhängen, aber da Liebe auch Körper und Verhältnisse zu vereinigen strebt, so geht der Liebe allemahl vieles von ihrem Vollkommenheitszustande ab, wenn sie in der ausgebreitetsten Wirksamkeit ihrer Bestrebung gehindert wird. Ferner wird nothwendig ein gewisser Grad von Wohlstand und Muße erfordert, um der edeln und schönen Liebe huldigen zu können. Es ist zwar ein großer Irrthum, wenn wir in irgend einer Lage allein für Liebe leben zu dürfen glauben; ein Irrthum, der mit den Pflichten gegen uns selbst, gegen die größere und örtliche Gesellschaft im offenbaren Widerspruche steht; ein Irrthum, der unfehlbar das baldige Ende der Liebe nach in dem ersten Erwachen der Liebe bey dem Manne, seine Verwickelung in dessen Bemühungen Gegenliebe zu erwecken, und seine Auflösung in dem Genuß der Vereinigung findet. Wo dieser letzte Theil wegfallen sollte, da könnte das Drama für kein vollendetes Ganze gelten. Der isolierte Mensch könnte freylich selbst in seiner unglücklichen Liebe vollkommen und schön bleiben. Aber dem gepaarten Menschen ginge doch immer vieles ab, was wir für ihn wünschen, und unglückliche Liebe ist in Vergleichung mit der glücklichen, von Gegenliebe gekrönten, gewiß die unvollkommnere. Aus eben diesem Grunde wird die Vollkommenheit der Liebe durch diejenigen Hindernisse gestört, welche äußere Umstände der Vereinigung der Liebenden entgegen setzen. Diese können in der physischen Entfernung und in der Trennung liegen, welche die Abhängigkeit von Eltern, Gatten, vom Gesetz, und vom eigenen Bewußtseyn der Pflicht veranlaßt. Personen, die auf solche Art an ihrer Vereinigung gehindert werden, können zwar mit ihren Herzen zusammenhängen, aber da Liebe auch Körper und Verhältnisse zu vereinigen strebt, so geht der Liebe allemahl vieles von ihrem Vollkommenheitszustande ab, wenn sie in der ausgebreitetsten Wirksamkeit ihrer Bestrebung gehindert wird. Ferner wird nothwendig ein gewisser Grad von Wohlstand und Muße erfordert, um der edeln und schönen Liebe huldigen zu können. Es ist zwar ein großer Irrthum, wenn wir in irgend einer Lage allein für Liebe leben zu dürfen glauben; ein Irrthum, der mit den Pflichten gegen uns selbst, gegen die größere und örtliche Gesellschaft im offenbaren Widerspruche steht; ein Irrthum, der unfehlbar das baldige Ende der Liebe nach <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0195" n="195"/> in dem ersten Erwachen der Liebe bey dem Manne, seine Verwickelung in dessen Bemühungen Gegenliebe zu erwecken, und seine Auflösung in dem Genuß der Vereinigung findet. Wo dieser letzte Theil wegfallen sollte, da könnte das Drama für kein vollendetes Ganze gelten. Der isolierte Mensch könnte freylich selbst in seiner unglücklichen Liebe vollkommen und schön bleiben. 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in dem ersten Erwachen der Liebe bey dem Manne, seine Verwickelung in dessen Bemühungen Gegenliebe zu erwecken, und seine Auflösung in dem Genuß der Vereinigung findet. Wo dieser letzte Theil wegfallen sollte, da könnte das Drama für kein vollendetes Ganze gelten. Der isolierte Mensch könnte freylich selbst in seiner unglücklichen Liebe vollkommen und schön bleiben. Aber dem gepaarten Menschen ginge doch immer vieles ab, was wir für ihn wünschen, und unglückliche Liebe ist in Vergleichung mit der glücklichen, von Gegenliebe gekrönten, gewiß die unvollkommnere.
Aus eben diesem Grunde wird die Vollkommenheit der Liebe durch diejenigen Hindernisse gestört, welche äußere Umstände der Vereinigung der Liebenden entgegen setzen. Diese können in der physischen Entfernung und in der Trennung liegen, welche die Abhängigkeit von Eltern, Gatten, vom Gesetz, und vom eigenen Bewußtseyn der Pflicht veranlaßt. Personen, die auf solche Art an ihrer Vereinigung gehindert werden, können zwar mit ihren Herzen zusammenhängen, aber da Liebe auch Körper und Verhältnisse zu vereinigen strebt, so geht der Liebe allemahl vieles von ihrem Vollkommenheitszustande ab, wenn sie in der ausgebreitetsten Wirksamkeit ihrer Bestrebung gehindert wird.
Ferner wird nothwendig ein gewisser Grad von Wohlstand und Muße erfordert, um der edeln und schönen Liebe huldigen zu können. Es ist zwar ein großer Irrthum, wenn wir in irgend einer Lage allein für Liebe leben zu dürfen glauben; ein Irrthum, der mit den Pflichten gegen uns selbst, gegen die größere und örtliche Gesellschaft im offenbaren Widerspruche steht; ein Irrthum, der unfehlbar das baldige Ende der Liebe nach
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