Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Nichts ist nehmlich natürlicher, als daß wir den innern Gehalt der Dinge unserm Geiste assimilieren, da jener so wie dieser dem Wesen der Dinge am nächsten liegt, und einen unsinnlichen Gegenstand der Erkenntniß ausmacht. Dieß vorausgesetzt, kann das Geistige des Gegenstandes, unsern Geist zuweilen begeistern: theils durch die lebhafte Darstellung, die unsere höhere, mit dem Geiste in näherer Verbindung stehende Phantasie von dem Unsinnlichen auffaßt: theils durch die Verwandschaft, worin diese unsinnlichen, geistigen Eigenschaften mit den herrschenden Trieben unsers Geistes stehen.

Die herrschenden Triebe unsers Geistes, deren Inbegriff seine Sinnlichkeit, wenn ich so sagen darf, ausmacht, sind: die Neigung nach dem Gefühle seiner Stärke, seiner Stetigkeit, seiner Fortdauer, seiner Erhöhung und Herrschaft über andere Geister, und über sein eigenes niedriges Wesen: geistiger Stolz, Ruhmsucht, u. s. w.

Die innern, geistigen Eigenschaften der äußern Gegenstände, deren Bilder mit diesen Neigungen im Wohlverhältnisse stehen, sind Kraft, Dauer, Seltenheit, Fülle, Ansehn, u. s. w.

Wenn wir diese Eigenschaften ausdrücklich auf unser Selbst beziehen, oder sie sympathetisch mitempfinden, so gehört die Wonne, welche sie unserm Geiste gewähren, nicht dem Beschauungshange, mithin nicht dem Edeln. Wenn ich einen Menschen von außerordentlicher Geistesstärke und Festigkeit darum mit Wonne ausfinde, weil ich ein muthvolles Unternehmen sicherer mit ihm auszuführen hoffe; so gehört diese Wonne der baren Selbstheit. Wenn ich mich darüber freue, daß mein Nebenmensch in

Nichts ist nehmlich natürlicher, als daß wir den innern Gehalt der Dinge unserm Geiste assimilieren, da jener so wie dieser dem Wesen der Dinge am nächsten liegt, und einen unsinnlichen Gegenstand der Erkenntniß ausmacht. Dieß vorausgesetzt, kann das Geistige des Gegenstandes, unsern Geist zuweilen begeistern: theils durch die lebhafte Darstellung, die unsere höhere, mit dem Geiste in näherer Verbindung stehende Phantasie von dem Unsinnlichen auffaßt: theils durch die Verwandschaft, worin diese unsinnlichen, geistigen Eigenschaften mit den herrschenden Trieben unsers Geistes stehen.

Die herrschenden Triebe unsers Geistes, deren Inbegriff seine Sinnlichkeit, wenn ich so sagen darf, ausmacht, sind: die Neigung nach dem Gefühle seiner Stärke, seiner Stetigkeit, seiner Fortdauer, seiner Erhöhung und Herrschaft über andere Geister, und über sein eigenes niedriges Wesen: geistiger Stolz, Ruhmsucht, u. s. w.

Die innern, geistigen Eigenschaften der äußern Gegenstände, deren Bilder mit diesen Neigungen im Wohlverhältnisse stehen, sind Kraft, Dauer, Seltenheit, Fülle, Ansehn, u. s. w.

Wenn wir diese Eigenschaften ausdrücklich auf unser Selbst beziehen, oder sie sympathetisch mitempfinden, so gehört die Wonne, welche sie unserm Geiste gewähren, nicht dem Beschauungshange, mithin nicht dem Edeln. Wenn ich einen Menschen von außerordentlicher Geistesstärke und Festigkeit darum mit Wonne ausfinde, weil ich ein muthvolles Unternehmen sicherer mit ihm auszuführen hoffe; so gehört diese Wonne der baren Selbstheit. Wenn ich mich darüber freue, daß mein Nebenmensch in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0018" n="18"/>
          <p>Nichts ist nehmlich natürlicher, als daß wir den innern Gehalt der Dinge unserm Geiste assimilieren, da jener so wie dieser dem Wesen der Dinge am nächsten liegt, und einen unsinnlichen Gegenstand der Erkenntniß ausmacht. Dieß vorausgesetzt, kann das Geistige des Gegenstandes, unsern Geist zuweilen <hi rendition="#g">begeistern</hi>: <hi rendition="#g">theils durch die lebhafte Darstellung</hi>, <hi rendition="#g">die unsere höhere</hi>, <hi rendition="#g">mit dem Geiste in näherer Verbindung stehende Phantasie von dem Unsinnlichen auffaßt</hi>: <hi rendition="#g">theils durch die Verwandschaft</hi>, <hi rendition="#g">worin diese unsinnlichen</hi>, <hi rendition="#g">geistigen Eigenschaften mit den herrschenden Trieben unsers Geistes stehen</hi>.</p>
          <p>Die herrschenden Triebe unsers Geistes, deren Inbegriff seine Sinnlichkeit, wenn ich so sagen darf, ausmacht, sind: die Neigung nach dem Gefühle seiner Stärke, seiner Stetigkeit, seiner Fortdauer, seiner Erhöhung und Herrschaft über andere Geister, und über sein eigenes niedriges Wesen: geistiger Stolz, Ruhmsucht, u. s. w.</p>
          <p>Die innern, geistigen Eigenschaften der äußern Gegenstände, deren Bilder mit diesen Neigungen im Wohlverhältnisse stehen, sind Kraft, Dauer, Seltenheit, Fülle, Ansehn, u. s. w.</p>
          <p>Wenn wir diese Eigenschaften ausdrücklich auf unser Selbst beziehen, oder sie sympathetisch mitempfinden, so gehört die Wonne, welche sie unserm Geiste gewähren, nicht dem Beschauungshange, mithin nicht dem Edeln. Wenn ich einen Menschen von außerordentlicher Geistesstärke und Festigkeit darum mit Wonne ausfinde, weil ich ein muthvolles Unternehmen sicherer mit ihm auszuführen hoffe; so gehört diese Wonne der baren Selbstheit. Wenn ich mich darüber freue, daß mein Nebenmensch in
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0018] Nichts ist nehmlich natürlicher, als daß wir den innern Gehalt der Dinge unserm Geiste assimilieren, da jener so wie dieser dem Wesen der Dinge am nächsten liegt, und einen unsinnlichen Gegenstand der Erkenntniß ausmacht. Dieß vorausgesetzt, kann das Geistige des Gegenstandes, unsern Geist zuweilen begeistern: theils durch die lebhafte Darstellung, die unsere höhere, mit dem Geiste in näherer Verbindung stehende Phantasie von dem Unsinnlichen auffaßt: theils durch die Verwandschaft, worin diese unsinnlichen, geistigen Eigenschaften mit den herrschenden Trieben unsers Geistes stehen. Die herrschenden Triebe unsers Geistes, deren Inbegriff seine Sinnlichkeit, wenn ich so sagen darf, ausmacht, sind: die Neigung nach dem Gefühle seiner Stärke, seiner Stetigkeit, seiner Fortdauer, seiner Erhöhung und Herrschaft über andere Geister, und über sein eigenes niedriges Wesen: geistiger Stolz, Ruhmsucht, u. s. w. Die innern, geistigen Eigenschaften der äußern Gegenstände, deren Bilder mit diesen Neigungen im Wohlverhältnisse stehen, sind Kraft, Dauer, Seltenheit, Fülle, Ansehn, u. s. w. Wenn wir diese Eigenschaften ausdrücklich auf unser Selbst beziehen, oder sie sympathetisch mitempfinden, so gehört die Wonne, welche sie unserm Geiste gewähren, nicht dem Beschauungshange, mithin nicht dem Edeln. Wenn ich einen Menschen von außerordentlicher Geistesstärke und Festigkeit darum mit Wonne ausfinde, weil ich ein muthvolles Unternehmen sicherer mit ihm auszuführen hoffe; so gehört diese Wonne der baren Selbstheit. Wenn ich mich darüber freue, daß mein Nebenmensch in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/18
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/18>, abgerufen am 19.04.2024.