Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.unterscheidet. Dreist darf ich ferner behaupten, daß jeder Mensch an sich selbst ein niederes, dem Instinkte der Thiere ähnelndes Wesen, von einem andern höhern, das ihm als vernünftigen Menschen zukommt, absondert, und es fühlt, daß er mit dem letzten eigentlich in den innern Gehalt der Dinge, in dasjenige, was hinter dem Scheine ist, eindringt, mit dem ersten aber nur die Form derselben wahrnimmt. Denn auch Thiere sind fähig, an bloße Sinnenerscheinungen Erinnerungen eines gehabten, Vorahndungen eines zukünftigen Zustandes zu knüpfen, darnach Unterschiede zu bilden, und darauf Schlüsse zu bauen. So verschieden nach dem verschiedenen Grade der Ausbildung unter den Menschen die Begriffe von demjenigen sind, was an den äußern Gegenständen zum Gehalt und zur Form gerechnet wird; so verschieden eben diese Begriffe über dasjenige seyn mögen, was wir an uns selbst zu unserm höheren und niederen Wesen rechnen; so unläugbar ahndet ein Jeder diese Dinge und ihren Unterschied, und fühlt die Verhältnisse, die zwischen dem innern Gehalte und unserm höhern Wesen, zwischen der bloßen Form und unserm niedern Wesen Statt finden. Es sey mir erlaubt, unser höheres Seelenwesen, die letzte Adhärenz unsers Ich's, wie schon oft von mir geschehen ist, unsern Geist zu nennen. Zwischen diesem unsern Geiste und dem innern Gehalte der Dinge findet nun oft nicht bloß ein Verhältniß, sondern ein solches Wohlverhältniß Statt, daß wir bey seiner bloßen Beschauung unsern Geist mit Wonne erfüllt sehen: und diese Wonne setzen wir dann auf Rechnung des Edeln. unterscheidet. Dreist darf ich ferner behaupten, daß jeder Mensch an sich selbst ein niederes, dem Instinkte der Thiere ähnelndes Wesen, von einem andern höhern, das ihm als vernünftigen Menschen zukommt, absondert, und es fühlt, daß er mit dem letzten eigentlich in den innern Gehalt der Dinge, in dasjenige, was hinter dem Scheine ist, eindringt, mit dem ersten aber nur die Form derselben wahrnimmt. Denn auch Thiere sind fähig, an bloße Sinnenerscheinungen Erinnerungen eines gehabten, Vorahndungen eines zukünftigen Zustandes zu knüpfen, darnach Unterschiede zu bilden, und darauf Schlüsse zu bauen. So verschieden nach dem verschiedenen Grade der Ausbildung unter den Menschen die Begriffe von demjenigen sind, was an den äußern Gegenständen zum Gehalt und zur Form gerechnet wird; so verschieden eben diese Begriffe über dasjenige seyn mögen, was wir an uns selbst zu unserm höheren und niederen Wesen rechnen; so unläugbar ahndet ein Jeder diese Dinge und ihren Unterschied, und fühlt die Verhältnisse, die zwischen dem innern Gehalte und unserm höhern Wesen, zwischen der bloßen Form und unserm niedern Wesen Statt finden. Es sey mir erlaubt, unser höheres Seelenwesen, die letzte Adhärenz unsers Ich’s, wie schon oft von mir geschehen ist, unsern Geist zu nennen. Zwischen diesem unsern Geiste und dem innern Gehalte der Dinge findet nun oft nicht bloß ein Verhältniß, sondern ein solches Wohlverhältniß Statt, daß wir bey seiner bloßen Beschauung unsern Geist mit Wonne erfüllt sehen: und diese Wonne setzen wir dann auf Rechnung des Edeln. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0017" n="17"/> unterscheidet. Dreist darf ich ferner behaupten, daß jeder Mensch an sich selbst ein niederes, dem Instinkte der Thiere ähnelndes Wesen, von einem andern höhern, das ihm als vernünftigen Menschen zukommt, absondert, und es fühlt, daß er mit dem letzten eigentlich in den innern Gehalt der Dinge, in dasjenige, was hinter dem Scheine ist, eindringt, mit dem ersten aber nur die Form derselben wahrnimmt. Denn auch Thiere sind fähig, an bloße Sinnenerscheinungen Erinnerungen eines gehabten, Vorahndungen eines zukünftigen Zustandes zu knüpfen, darnach Unterschiede zu bilden, und darauf Schlüsse zu bauen.</p> <p>So verschieden nach dem verschiedenen Grade der Ausbildung unter den Menschen die Begriffe von demjenigen sind, was an den äußern Gegenständen zum Gehalt und zur Form gerechnet wird; so verschieden eben diese Begriffe über dasjenige seyn mögen, was wir an uns selbst zu unserm höheren und niederen Wesen rechnen; so unläugbar ahndet ein Jeder diese Dinge und ihren Unterschied, und fühlt die Verhältnisse, die zwischen dem innern Gehalte und unserm höhern Wesen, zwischen der bloßen Form und unserm niedern Wesen Statt finden.</p> <p>Es sey mir erlaubt, unser höheres Seelenwesen, die letzte Adhärenz unsers Ich’s, wie schon oft von mir geschehen ist, unsern Geist zu nennen. Zwischen diesem unsern Geiste und dem innern Gehalte der Dinge findet nun oft nicht bloß ein Verhältniß, sondern ein solches Wohlverhältniß Statt, daß wir bey seiner bloßen Beschauung unsern Geist mit Wonne erfüllt sehen: und diese Wonne setzen wir dann auf Rechnung des Edeln.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0017]
unterscheidet. Dreist darf ich ferner behaupten, daß jeder Mensch an sich selbst ein niederes, dem Instinkte der Thiere ähnelndes Wesen, von einem andern höhern, das ihm als vernünftigen Menschen zukommt, absondert, und es fühlt, daß er mit dem letzten eigentlich in den innern Gehalt der Dinge, in dasjenige, was hinter dem Scheine ist, eindringt, mit dem ersten aber nur die Form derselben wahrnimmt. Denn auch Thiere sind fähig, an bloße Sinnenerscheinungen Erinnerungen eines gehabten, Vorahndungen eines zukünftigen Zustandes zu knüpfen, darnach Unterschiede zu bilden, und darauf Schlüsse zu bauen.
So verschieden nach dem verschiedenen Grade der Ausbildung unter den Menschen die Begriffe von demjenigen sind, was an den äußern Gegenständen zum Gehalt und zur Form gerechnet wird; so verschieden eben diese Begriffe über dasjenige seyn mögen, was wir an uns selbst zu unserm höheren und niederen Wesen rechnen; so unläugbar ahndet ein Jeder diese Dinge und ihren Unterschied, und fühlt die Verhältnisse, die zwischen dem innern Gehalte und unserm höhern Wesen, zwischen der bloßen Form und unserm niedern Wesen Statt finden.
Es sey mir erlaubt, unser höheres Seelenwesen, die letzte Adhärenz unsers Ich’s, wie schon oft von mir geschehen ist, unsern Geist zu nennen. Zwischen diesem unsern Geiste und dem innern Gehalte der Dinge findet nun oft nicht bloß ein Verhältniß, sondern ein solches Wohlverhältniß Statt, daß wir bey seiner bloßen Beschauung unsern Geist mit Wonne erfüllt sehen: und diese Wonne setzen wir dann auf Rechnung des Edeln.
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/17>, abgerufen am 16.02.2025. |