Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

derjenigen, die von der Betrachtung ihres Nutzens abhängt; so erscheint freylich die erste als sympathetisch. Aber vergleichen wir sie mit der Wonne, die uns der Anblick glücklicher Menschen gewährt, denen wir uns völlig gleich stellen können, so nähert sie sich der Wonne der Beschauung oder der Selbstheit. Wir denken entweder gar nicht an unsern Zustand, rechnen ihr Gedeihen und ihre Munterkeit bloß zu den auffallenden Eigenthümlichkeiten ihres Wesens, das wir aus der Ferne betrachten; oder wir denken auch ganz besonders daran, wie ihr Gedeihen, ihre Munterkeit uns erheitert und erfreut; wir beziehen sie als ein Mittel auf die Verbesserung unsers Zustandes.

Aber können wir mit höheren Wesen wonnevoll sympathisieren, mit Gott, mit Engeln, denen wir ein Bewußtseyn ihrer Seligkeit beylegen? Genau genommen: Nein! Sie sind uns zu fern, als daß wir uns in ihren Zustand hineinversetzen, und durch Beförderung ihres Wohls das unsrige zu erhöhen suchen könnten. Wir können uns nicht so hoch zu ihnen hinauf heben, um sie anders als ferne Wesen zu betrachten, deren Seligkeit einen Theil ihrer auffallenden Eigenthümlichkeiten ausmacht, oder als bloße Mittel, unsern Zustand durch ihre Wohlgewogenheit zu verbessern. Die Schwärmer, die sich von einer nähern Verbindung mit höhern Wesen überzeugt halten, sympathisieren nicht mit ihnen, sondern mit einem Bilde, dem sie menschliche Eigenschaften und einen menschlichen Zustand beylegen; und diese Art der Sympathie trägt demohngeachtet alle Symptomen der Beschauungswonne und der Selbstheit an sich. Sie verlieren sich entweder in exstatischer Entzückung, wobey alles Bestreben nach fortschreitender Vereinigung und

derjenigen, die von der Betrachtung ihres Nutzens abhängt; so erscheint freylich die erste als sympathetisch. Aber vergleichen wir sie mit der Wonne, die uns der Anblick glücklicher Menschen gewährt, denen wir uns völlig gleich stellen können, so nähert sie sich der Wonne der Beschauung oder der Selbstheit. Wir denken entweder gar nicht an unsern Zustand, rechnen ihr Gedeihen und ihre Munterkeit bloß zu den auffallenden Eigenthümlichkeiten ihres Wesens, das wir aus der Ferne betrachten; oder wir denken auch ganz besonders daran, wie ihr Gedeihen, ihre Munterkeit uns erheitert und erfreut; wir beziehen sie als ein Mittel auf die Verbesserung unsers Zustandes.

Aber können wir mit höheren Wesen wonnevoll sympathisieren, mit Gott, mit Engeln, denen wir ein Bewußtseyn ihrer Seligkeit beylegen? Genau genommen: Nein! Sie sind uns zu fern, als daß wir uns in ihren Zustand hineinversetzen, und durch Beförderung ihres Wohls das unsrige zu erhöhen suchen könnten. Wir können uns nicht so hoch zu ihnen hinauf heben, um sie anders als ferne Wesen zu betrachten, deren Seligkeit einen Theil ihrer auffallenden Eigenthümlichkeiten ausmacht, oder als bloße Mittel, unsern Zustand durch ihre Wohlgewogenheit zu verbessern. Die Schwärmer, die sich von einer nähern Verbindung mit höhern Wesen überzeugt halten, sympathisieren nicht mit ihnen, sondern mit einem Bilde, dem sie menschliche Eigenschaften und einen menschlichen Zustand beylegen; und diese Art der Sympathie trägt demohngeachtet alle Symptomen der Beschauungswonne und der Selbstheit an sich. Sie verlieren sich entweder in exstatischer Entzückung, wobey alles Bestreben nach fortschreitender Vereinigung und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052" n="52"/>
derjenigen, die von der Betrachtung ihres Nutzens abhängt; so erscheint freylich die erste als sympathetisch. Aber vergleichen wir sie mit der Wonne, die uns der Anblick glücklicher Menschen gewährt, denen wir uns völlig gleich stellen können, so nähert sie sich der Wonne der Beschauung oder der Selbstheit. Wir denken entweder gar nicht an unsern Zustand, rechnen ihr Gedeihen und ihre Munterkeit bloß zu den auffallenden Eigenthümlichkeiten ihres Wesens, das wir aus der Ferne betrachten; oder wir denken auch ganz besonders daran, wie ihr Gedeihen, ihre Munterkeit uns erheitert und erfreut; wir beziehen sie als ein Mittel auf die Verbesserung unsers Zustandes.</p>
          <p>Aber können wir mit höheren Wesen wonnevoll sympathisieren, mit Gott, mit Engeln, denen wir ein Bewußtseyn ihrer Seligkeit beylegen? Genau genommen: Nein! Sie sind uns zu fern, als daß wir uns in ihren Zustand hineinversetzen, und durch Beförderung ihres Wohls das unsrige zu erhöhen suchen könnten. Wir können uns nicht so hoch zu ihnen hinauf heben, um sie anders als ferne Wesen zu betrachten, deren Seligkeit einen Theil ihrer auffallenden Eigenthümlichkeiten ausmacht, oder als bloße Mittel, unsern Zustand durch ihre Wohlgewogenheit zu verbessern. Die Schwärmer, die sich von einer nähern Verbindung mit höhern Wesen überzeugt halten, sympathisieren nicht mit ihnen, sondern mit einem Bilde, dem sie menschliche Eigenschaften und einen menschlichen Zustand beylegen; und diese Art der Sympathie trägt demohngeachtet alle Symptomen der Beschauungswonne und der Selbstheit an sich. Sie verlieren sich entweder in exstatischer Entzückung, wobey alles Bestreben nach fortschreitender Vereinigung und
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0052] derjenigen, die von der Betrachtung ihres Nutzens abhängt; so erscheint freylich die erste als sympathetisch. Aber vergleichen wir sie mit der Wonne, die uns der Anblick glücklicher Menschen gewährt, denen wir uns völlig gleich stellen können, so nähert sie sich der Wonne der Beschauung oder der Selbstheit. Wir denken entweder gar nicht an unsern Zustand, rechnen ihr Gedeihen und ihre Munterkeit bloß zu den auffallenden Eigenthümlichkeiten ihres Wesens, das wir aus der Ferne betrachten; oder wir denken auch ganz besonders daran, wie ihr Gedeihen, ihre Munterkeit uns erheitert und erfreut; wir beziehen sie als ein Mittel auf die Verbesserung unsers Zustandes. Aber können wir mit höheren Wesen wonnevoll sympathisieren, mit Gott, mit Engeln, denen wir ein Bewußtseyn ihrer Seligkeit beylegen? Genau genommen: Nein! Sie sind uns zu fern, als daß wir uns in ihren Zustand hineinversetzen, und durch Beförderung ihres Wohls das unsrige zu erhöhen suchen könnten. Wir können uns nicht so hoch zu ihnen hinauf heben, um sie anders als ferne Wesen zu betrachten, deren Seligkeit einen Theil ihrer auffallenden Eigenthümlichkeiten ausmacht, oder als bloße Mittel, unsern Zustand durch ihre Wohlgewogenheit zu verbessern. Die Schwärmer, die sich von einer nähern Verbindung mit höhern Wesen überzeugt halten, sympathisieren nicht mit ihnen, sondern mit einem Bilde, dem sie menschliche Eigenschaften und einen menschlichen Zustand beylegen; und diese Art der Sympathie trägt demohngeachtet alle Symptomen der Beschauungswonne und der Selbstheit an sich. Sie verlieren sich entweder in exstatischer Entzückung, wobey alles Bestreben nach fortschreitender Vereinigung und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/52
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/52>, abgerufen am 05.05.2024.