Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.einer Pflanze, die Munterkeit des geringsten Insekts einflößt; so wird der erste sich entweder in unthätige Beschauungswonne oder in Wonne der Selbstheit auflösen. Wir werden das Wohlbestehen des unbelebten Wesens entweder gar nicht auf unsern Zustand zurückführen, es als eine auffallende Eigenthümlichkeit, als etwas Außerordentliches in seinem Wesen aus der Ferne anschauen, oder zu sehr daran denken, was wir dabey gewinnen, es noch ferner als ein Mittel der Belustigung oder des Nutzens uns zueignen zu können. Es ist wahr, ich habe Hausfrauen, ich habe Gallerieinspektoren gekannt, die mit dem wahren Gefühle, als ob ihr Hausgeräthe, ihre Gemählde Empfindung hätten, diesen durch Reinigung, durch sorgfältige Aufstellung Gutes zu thun, ihr Wohl zu befördern strebten, und wahrhaft mit ihnen sympathisierten. Allein dieß beruhte auf Täuschung der Phantasie, welche diesen Gegenständen ein Gefühl ihres Zustandes beylegte. Nach dieser Bestimmung ist Liebe eigentlich nur Wonne der Sympathie mit Wesen, denen wir Empfindung beylegen. Aber dieß ist noch nicht genug: wir müssen ihnen auch ein Bewußtseyn ihres Zustandes zutrauen. Das Gewächs, das Thier, der Säugling haben dieses nicht; wenn wir uns daher in ihren Zustand hineinversetzen, so können wir ihn doch nicht wirklich theilen; wir fühlen die Entfernung zu sehr, wir müssen uns zu stark herablassen, um Wonne an der Fortdauer eines gemeinschaftlichen Daseyns und Wohls zu empfinden. Vergleicht man die Empfindung, die uns das Gedeihen und die Munterkeit einer Pflanze, eines Thiers, eines Säuglings, einflößt, mit derjenigen, die ihre schöne Gestalt erweckt, oder mit einer Pflanze, die Munterkeit des geringsten Insekts einflößt; so wird der erste sich entweder in unthätige Beschauungswonne oder in Wonne der Selbstheit auflösen. Wir werden das Wohlbestehen des unbelebten Wesens entweder gar nicht auf unsern Zustand zurückführen, es als eine auffallende Eigenthümlichkeit, als etwas Außerordentliches in seinem Wesen aus der Ferne anschauen, oder zu sehr daran denken, was wir dabey gewinnen, es noch ferner als ein Mittel der Belustigung oder des Nutzens uns zueignen zu können. Es ist wahr, ich habe Hausfrauen, ich habe Gallerieinspektoren gekannt, die mit dem wahren Gefühle, als ob ihr Hausgeräthe, ihre Gemählde Empfindung hätten, diesen durch Reinigung, durch sorgfältige Aufstellung Gutes zu thun, ihr Wohl zu befördern strebten, und wahrhaft mit ihnen sympathisierten. Allein dieß beruhte auf Täuschung der Phantasie, welche diesen Gegenständen ein Gefühl ihres Zustandes beylegte. Nach dieser Bestimmung ist Liebe eigentlich nur Wonne der Sympathie mit Wesen, denen wir Empfindung beylegen. Aber dieß ist noch nicht genug: wir müssen ihnen auch ein Bewußtseyn ihres Zustandes zutrauen. Das Gewächs, das Thier, der Säugling haben dieses nicht; wenn wir uns daher in ihren Zustand hineinversetzen, so können wir ihn doch nicht wirklich theilen; wir fühlen die Entfernung zu sehr, wir müssen uns zu stark herablassen, um Wonne an der Fortdauer eines gemeinschaftlichen Daseyns und Wohls zu empfinden. Vergleicht man die Empfindung, die uns das Gedeihen und die Munterkeit einer Pflanze, eines Thiers, eines Säuglings, einflößt, mit derjenigen, die ihre schöne Gestalt erweckt, oder mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0051" n="51"/> einer Pflanze, die Munterkeit des geringsten Insekts einflößt; so wird der erste sich entweder in unthätige Beschauungswonne oder in Wonne der Selbstheit auflösen. Wir werden das Wohlbestehen des unbelebten Wesens entweder gar nicht auf unsern Zustand zurückführen, es als eine auffallende Eigenthümlichkeit, als etwas Außerordentliches in seinem Wesen aus der Ferne anschauen, oder zu sehr daran denken, was wir dabey gewinnen, es noch ferner als ein Mittel der Belustigung oder des Nutzens uns zueignen zu können.</p> <p>Es ist wahr, ich habe Hausfrauen, ich habe Gallerieinspektoren gekannt, die mit dem wahren Gefühle, als ob ihr Hausgeräthe, ihre Gemählde Empfindung hätten, diesen durch Reinigung, durch sorgfältige Aufstellung Gutes zu thun, ihr Wohl zu befördern strebten, und wahrhaft mit ihnen sympathisierten. Allein dieß beruhte auf Täuschung der Phantasie, welche diesen Gegenständen ein Gefühl ihres Zustandes beylegte.</p> <p>Nach dieser Bestimmung ist Liebe eigentlich nur <hi rendition="#g">Wonne der Sympathie mit Wesen, denen wir Empfindung beylegen</hi>. 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einer Pflanze, die Munterkeit des geringsten Insekts einflößt; so wird der erste sich entweder in unthätige Beschauungswonne oder in Wonne der Selbstheit auflösen. Wir werden das Wohlbestehen des unbelebten Wesens entweder gar nicht auf unsern Zustand zurückführen, es als eine auffallende Eigenthümlichkeit, als etwas Außerordentliches in seinem Wesen aus der Ferne anschauen, oder zu sehr daran denken, was wir dabey gewinnen, es noch ferner als ein Mittel der Belustigung oder des Nutzens uns zueignen zu können.
Es ist wahr, ich habe Hausfrauen, ich habe Gallerieinspektoren gekannt, die mit dem wahren Gefühle, als ob ihr Hausgeräthe, ihre Gemählde Empfindung hätten, diesen durch Reinigung, durch sorgfältige Aufstellung Gutes zu thun, ihr Wohl zu befördern strebten, und wahrhaft mit ihnen sympathisierten. Allein dieß beruhte auf Täuschung der Phantasie, welche diesen Gegenständen ein Gefühl ihres Zustandes beylegte.
Nach dieser Bestimmung ist Liebe eigentlich nur Wonne der Sympathie mit Wesen, denen wir Empfindung beylegen. Aber dieß ist noch nicht genug: wir müssen ihnen auch ein Bewußtseyn ihres Zustandes zutrauen. Das Gewächs, das Thier, der Säugling haben dieses nicht; wenn wir uns daher in ihren Zustand hineinversetzen, so können wir ihn doch nicht wirklich theilen; wir fühlen die Entfernung zu sehr, wir müssen uns zu stark herablassen, um Wonne an der Fortdauer eines gemeinschaftlichen Daseyns und Wohls zu empfinden. Vergleicht man die Empfindung, die uns das Gedeihen und die Munterkeit einer Pflanze, eines Thiers, eines Säuglings, einflößt, mit derjenigen, die ihre schöne Gestalt erweckt, oder mit
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