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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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die Folgen, seine allgemeinen Maximen, wenn sie auch ursprünglich auf das Wohl aller vernünftigen Wesen berechnet sind, unbedingt folgt, und dadurch Unheil anrichtet, mir diese Gesinnung nicht einflößen. Der Unmensch, oder der Thor, der, um die Wahrheit zu sprechen, dem zornigen Verfolger den Aufenthalt des fliehenden Mitbruders verräth, ist ein Gegenstand meiner Verachtung oder meines Unmuths.

Aber ich verehre, ich achte denjenigen hoch, der seine Bestimmung, allen vernünftigen Wesen, so weit er sie ahndet, mithin dem höchsten Wesen, sich selbst und seinen Mitmenschen nützlich zu seyn, anerkennt, seinen Charakter im Ganzen die gehörige Richtung dazu zu geben sucht, sich mithin nutzbar macht, und zu gleicher Zeit, bey der Anwendung seiner Fähigkeiten zum Nutzen für das Reich vernünftiger Wesen, die gehörige Aufmerksamkeit auf alle äußere Verhältnisse anwendet, um wirklich nützlich zu seyn. Ein jeder Mensch, er mag von der Natur Anlagen zu dieser Nutzbarkeit und Nützlichkeit haben oder nicht; seine Verhältnisse mögen sie befördern oder nicht; bedarf einer Kenntniß seiner Bestimmung, einer Ausbildung seiner Fähigkeiten, einer anhaltenden Bestrebung zur Wegräumung äußerer Hindernisse. Ein tugendhafter Charakter wird eben so wenig vollständig geboren als ein großer Künstler. Beyde bedürfen einer Kenntniß von dem Zwecke ihrer Kunst, einer überlegten Fertigkeit, einer anhaltenden Sorgsamkeit. Diese ursprüngliche Kenntniß unserer Bestimmung, zur Beförderung des Wohls aller vernünftigen Wesen beyzutragen, diese überlegte Fertigkeit, dieß stete Bestreben, ihnen wirklich nützlich zu seyn, verbunden mit dem wirklichen Gelingen, welches für

die Folgen, seine allgemeinen Maximen, wenn sie auch ursprünglich auf das Wohl aller vernünftigen Wesen berechnet sind, unbedingt folgt, und dadurch Unheil anrichtet, mir diese Gesinnung nicht einflößen. Der Unmensch, oder der Thor, der, um die Wahrheit zu sprechen, dem zornigen Verfolger den Aufenthalt des fliehenden Mitbruders verräth, ist ein Gegenstand meiner Verachtung oder meines Unmuths.

Aber ich verehre, ich achte denjenigen hoch, der seine Bestimmung, allen vernünftigen Wesen, so weit er sie ahndet, mithin dem höchsten Wesen, sich selbst und seinen Mitmenschen nützlich zu seyn, anerkennt, seinen Charakter im Ganzen die gehörige Richtung dazu zu geben sucht, sich mithin nutzbar macht, und zu gleicher Zeit, bey der Anwendung seiner Fähigkeiten zum Nutzen für das Reich vernünftiger Wesen, die gehörige Aufmerksamkeit auf alle äußere Verhältnisse anwendet, um wirklich nützlich zu seyn. Ein jeder Mensch, er mag von der Natur Anlagen zu dieser Nutzbarkeit und Nützlichkeit haben oder nicht; seine Verhältnisse mögen sie befördern oder nicht; bedarf einer Kenntniß seiner Bestimmung, einer Ausbildung seiner Fähigkeiten, einer anhaltenden Bestrebung zur Wegräumung äußerer Hindernisse. Ein tugendhafter Charakter wird eben so wenig vollständig geboren als ein großer Künstler. Beyde bedürfen einer Kenntniß von dem Zwecke ihrer Kunst, einer überlegten Fertigkeit, einer anhaltenden Sorgsamkeit. Diese ursprüngliche Kenntniß unserer Bestimmung, zur Beförderung des Wohls aller vernünftigen Wesen beyzutragen, diese überlegte Fertigkeit, dieß stete Bestreben, ihnen wirklich nützlich zu seyn, verbunden mit dem wirklichen Gelingen, welches für

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/299>, abgerufen am 14.05.2024.