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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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Es ist also die überlegte Fertigkeit, allen vernünftigen Wesen nützlich zu seyn; es ist der tugendhafte Charakter, welcher allein einer Würde fähig, und durch diese auf Verehrung berechtigt ist. Die liebenswürdige Schwäche, zu der sich die Gottheiten Griechenlands und der sinnliche Mensch gehen lassen, flößt keine Hochachtung ein, so nutzbar an sich selbst, und so nützlich durch ihre Wirkungen sie auch immer seyn kann. Auch die wohlverstandene Klugheit, mit der ein jeder darum nutzbar und nützlich zu seyn strebt, damit sein Glück von andern befördert werde, ist kein Gegenstand meiner Verehrung. Ich schätze den Instinkt, der sie blindlings zur Ausfüllung ihrer Bestimmung führt; ich schätze die Vernunft, die sich zu ihrem eigenen Nutzen auf eine so glückliche Art für andere bestimmt: aber die Vernunft, welche sich zur Nutzbarkeit und wirklichen Nützlichkeit für alle vernünftige Wesen bestimmt und fertigt, kann ich nicht in ihnen hochachten. Eben diese Empfindung flößen mir diejenigen Menschen ein, welche bloß einer innern Harmonie ihres Charakters nachstreben, und, unbekümmert um ihre gegenwärtigen Verhältnisse, in dem Reiche der Sinnlichkeit, nach Art ägyptischer Mönche, ihr Leben in unthätiger Beschauung zubringen; denn diese Schwärmer streben nur einem Theile der Nutzbarkeit nach, nehmlich der innern Vollkommenheit, welche aus der Uebereinstimmung und Stetigkeit der Gesinnungen fließt, nicht aber der Nutzbarkeit im Ganzen, und ihrer wirklichen Anwendung, dem Nützlichseyn.

Auch derjenige, welcher nützlich seyn will, und nicht die rechten Mittel dazu wählt, ist meiner Hochachtung nicht würdig. Daher kann derjenige Eigensinn, oder derjenige Unverstand, der, unbekümmert um

Es ist also die überlegte Fertigkeit, allen vernünftigen Wesen nützlich zu seyn; es ist der tugendhafte Charakter, welcher allein einer Würde fähig, und durch diese auf Verehrung berechtigt ist. Die liebenswürdige Schwäche, zu der sich die Gottheiten Griechenlands und der sinnliche Mensch gehen lassen, flößt keine Hochachtung ein, so nutzbar an sich selbst, und so nützlich durch ihre Wirkungen sie auch immer seyn kann. Auch die wohlverstandene Klugheit, mit der ein jeder darum nutzbar und nützlich zu seyn strebt, damit sein Glück von andern befördert werde, ist kein Gegenstand meiner Verehrung. Ich schätze den Instinkt, der sie blindlings zur Ausfüllung ihrer Bestimmung führt; ich schätze die Vernunft, die sich zu ihrem eigenen Nutzen auf eine so glückliche Art für andere bestimmt: aber die Vernunft, welche sich zur Nutzbarkeit und wirklichen Nützlichkeit für alle vernünftige Wesen bestimmt und fertigt, kann ich nicht in ihnen hochachten. Eben diese Empfindung flößen mir diejenigen Menschen ein, welche bloß einer innern Harmonie ihres Charakters nachstreben, und, unbekümmert um ihre gegenwärtigen Verhältnisse, in dem Reiche der Sinnlichkeit, nach Art ägyptischer Mönche, ihr Leben in unthätiger Beschauung zubringen; denn diese Schwärmer streben nur einem Theile der Nutzbarkeit nach, nehmlich der innern Vollkommenheit, welche aus der Uebereinstimmung und Stetigkeit der Gesinnungen fließt, nicht aber der Nutzbarkeit im Ganzen, und ihrer wirklichen Anwendung, dem Nützlichseyn.

Auch derjenige, welcher nützlich seyn will, und nicht die rechten Mittel dazu wählt, ist meiner Hochachtung nicht würdig. Daher kann derjenige Eigensinn, oder derjenige Unverstand, der, unbekümmert um

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[298/0298] Es ist also die überlegte Fertigkeit, allen vernünftigen Wesen nützlich zu seyn; es ist der tugendhafte Charakter, welcher allein einer Würde fähig, und durch diese auf Verehrung berechtigt ist. Die liebenswürdige Schwäche, zu der sich die Gottheiten Griechenlands und der sinnliche Mensch gehen lassen, flößt keine Hochachtung ein, so nutzbar an sich selbst, und so nützlich durch ihre Wirkungen sie auch immer seyn kann. Auch die wohlverstandene Klugheit, mit der ein jeder darum nutzbar und nützlich zu seyn strebt, damit sein Glück von andern befördert werde, ist kein Gegenstand meiner Verehrung. Ich schätze den Instinkt, der sie blindlings zur Ausfüllung ihrer Bestimmung führt; ich schätze die Vernunft, die sich zu ihrem eigenen Nutzen auf eine so glückliche Art für andere bestimmt: aber die Vernunft, welche sich zur Nutzbarkeit und wirklichen Nützlichkeit für alle vernünftige Wesen bestimmt und fertigt, kann ich nicht in ihnen hochachten. Eben diese Empfindung flößen mir diejenigen Menschen ein, welche bloß einer innern Harmonie ihres Charakters nachstreben, und, unbekümmert um ihre gegenwärtigen Verhältnisse, in dem Reiche der Sinnlichkeit, nach Art ägyptischer Mönche, ihr Leben in unthätiger Beschauung zubringen; denn diese Schwärmer streben nur einem Theile der Nutzbarkeit nach, nehmlich der innern Vollkommenheit, welche aus der Uebereinstimmung und Stetigkeit der Gesinnungen fließt, nicht aber der Nutzbarkeit im Ganzen, und ihrer wirklichen Anwendung, dem Nützlichseyn. Auch derjenige, welcher nützlich seyn will, und nicht die rechten Mittel dazu wählt, ist meiner Hochachtung nicht würdig. Daher kann derjenige Eigensinn, oder derjenige Unverstand, der, unbekümmert um

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/298>, abgerufen am 14.05.2024.