Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Versetzungsvermögens die Eigenthümlichkeiten ihres Wesens und ihrer Lage den unsrigen zu assimilieren. Es ist uns endlich die Fähigkeit eigen, mittelst des Gaumens und mittelst des innern Zueignungsvermögens die äußern Gegenstände völlig in uns über und in Besitz zu nehmen.

Ich habe diese drey Fähigkeiten, in so fern wir dadurch zur Zuneigung gereitzt werden, Beschauungshang, Sympathie und Selbstheit genannt.

Es ist aber offenbar, daß jede dieser drey Fähigkeiten mit Trieben verbunden ist, welche ganz besonders dazu dienen, die Wirksamkeit einer jeden reitzbaren Seite im Einzelnen zu hemmen, und der Einwirkung der Verhältnisse, die gerade auf diese Seite gerichtet ist, entgegen zu arbeiten.

Denn wenn der Beschauungshang unser Anschauungsvermögen dem Außerordentlichen, Vollkommnen, Schönen zuneigt; so zieht eine eigene Beschauungsscheue eben dieß Vermögen von dem Gemeinen, Mangelhaften und Häßlichen ab.

Wenn die Sympathie unsere Tastungsorgane und unser Versetzungsvermögen zur Berührung gewisser Gegenstände, und zur Assimilation mit ihnen auffordert; so zieht die Antipathie uns von der Berührung und von der Assimilation zurück.

Wenn endlich die Selbstheit unsern Gaumen und unser Zueignungsvermögen dem Nahrhaften und Nützlichen zuneigt, so treibt uns ein eigener mit der Selbstheit correspondierender Ekel, eine eigene mit ihr correspondierende Scheue, uns von dem Abschmeckenden und Schädlichen abzuwenden.

Liebe ist nun in bestimmterer Bedeutung allemahl eine Zuneigung der Sympathie; eine Folge

Versetzungsvermögens die Eigenthümlichkeiten ihres Wesens und ihrer Lage den unsrigen zu assimilieren. Es ist uns endlich die Fähigkeit eigen, mittelst des Gaumens und mittelst des innern Zueignungsvermögens die äußern Gegenstände völlig in uns über und in Besitz zu nehmen.

Ich habe diese drey Fähigkeiten, in so fern wir dadurch zur Zuneigung gereitzt werden, Beschauungshang, Sympathie und Selbstheit genannt.

Es ist aber offenbar, daß jede dieser drey Fähigkeiten mit Trieben verbunden ist, welche ganz besonders dazu dienen, die Wirksamkeit einer jeden reitzbaren Seite im Einzelnen zu hemmen, und der Einwirkung der Verhältnisse, die gerade auf diese Seite gerichtet ist, entgegen zu arbeiten.

Denn wenn der Beschauungshang unser Anschauungsvermögen dem Außerordentlichen, Vollkommnen, Schönen zuneigt; so zieht eine eigene Beschauungsscheue eben dieß Vermögen von dem Gemeinen, Mangelhaften und Häßlichen ab.

Wenn die Sympathie unsere Tastungsorgane und unser Versetzungsvermögen zur Berührung gewisser Gegenstände, und zur Assimilation mit ihnen auffordert; so zieht die Antipathie uns von der Berührung und von der Assimilation zurück.

Wenn endlich die Selbstheit unsern Gaumen und unser Zueignungsvermögen dem Nahrhaften und Nützlichen zuneigt, so treibt uns ein eigener mit der Selbstheit correspondierender Ekel, eine eigene mit ihr correspondierende Scheue, uns von dem Abschmeckenden und Schädlichen abzuwenden.

Liebe ist nun in bestimmterer Bedeutung allemahl eine Zuneigung der Sympathie; eine Folge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="281"/>
Versetzungsvermögens die Eigenthümlichkeiten ihres Wesens und ihrer Lage den unsrigen zu assimilieren. Es ist uns endlich die Fähigkeit eigen, mittelst des Gaumens und mittelst des innern Zueignungsvermögens die äußern Gegenstände völlig in uns über und in Besitz zu nehmen.</p>
          <p>Ich habe diese drey Fähigkeiten, in so fern wir dadurch zur Zuneigung gereitzt werden, Beschauungshang, Sympathie und Selbstheit genannt.</p>
          <p>Es ist aber offenbar, daß jede dieser drey Fähigkeiten mit Trieben verbunden ist, welche ganz besonders dazu dienen, die Wirksamkeit einer jeden reitzbaren Seite im Einzelnen zu hemmen, und der Einwirkung der Verhältnisse, die gerade auf diese Seite gerichtet ist, entgegen zu arbeiten.</p>
          <p>Denn wenn der Beschauungshang unser Anschauungsvermögen dem Außerordentlichen, Vollkommnen, Schönen zuneigt; so zieht eine eigene Beschauungsscheue eben dieß Vermögen von dem Gemeinen, Mangelhaften und Häßlichen ab.</p>
          <p>Wenn die <hi rendition="#g">Sympathie</hi> unsere Tastungsorgane und unser Versetzungsvermögen zur Berührung gewisser Gegenstände, und zur Assimilation mit ihnen auffordert; so zieht die <hi rendition="#g">Antipathie</hi> uns von der Berührung und von der Assimilation zurück.</p>
          <p>Wenn endlich die <hi rendition="#g">Selbstheit</hi> unsern Gaumen und unser Zueignungsvermögen dem Nahrhaften und Nützlichen zuneigt, so treibt uns ein eigener mit der Selbstheit correspondierender <hi rendition="#g">Ekel</hi>, eine eigene mit ihr correspondierende <hi rendition="#g">Scheue</hi>, uns von dem Abschmeckenden und Schädlichen abzuwenden.</p>
          <p>Liebe ist nun in bestimmterer Bedeutung allemahl eine <hi rendition="#g">Zuneigung der Sympathie</hi>; eine Folge
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0281] Versetzungsvermögens die Eigenthümlichkeiten ihres Wesens und ihrer Lage den unsrigen zu assimilieren. Es ist uns endlich die Fähigkeit eigen, mittelst des Gaumens und mittelst des innern Zueignungsvermögens die äußern Gegenstände völlig in uns über und in Besitz zu nehmen. Ich habe diese drey Fähigkeiten, in so fern wir dadurch zur Zuneigung gereitzt werden, Beschauungshang, Sympathie und Selbstheit genannt. Es ist aber offenbar, daß jede dieser drey Fähigkeiten mit Trieben verbunden ist, welche ganz besonders dazu dienen, die Wirksamkeit einer jeden reitzbaren Seite im Einzelnen zu hemmen, und der Einwirkung der Verhältnisse, die gerade auf diese Seite gerichtet ist, entgegen zu arbeiten. Denn wenn der Beschauungshang unser Anschauungsvermögen dem Außerordentlichen, Vollkommnen, Schönen zuneigt; so zieht eine eigene Beschauungsscheue eben dieß Vermögen von dem Gemeinen, Mangelhaften und Häßlichen ab. Wenn die Sympathie unsere Tastungsorgane und unser Versetzungsvermögen zur Berührung gewisser Gegenstände, und zur Assimilation mit ihnen auffordert; so zieht die Antipathie uns von der Berührung und von der Assimilation zurück. Wenn endlich die Selbstheit unsern Gaumen und unser Zueignungsvermögen dem Nahrhaften und Nützlichen zuneigt, so treibt uns ein eigener mit der Selbstheit correspondierender Ekel, eine eigene mit ihr correspondierende Scheue, uns von dem Abschmeckenden und Schädlichen abzuwenden. Liebe ist nun in bestimmterer Bedeutung allemahl eine Zuneigung der Sympathie; eine Folge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/281
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/281>, abgerufen am 22.11.2024.