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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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Körpers und der Seele, was ist er aber anders, als die Folge der Mischung weiblicher und männlicher Anlagen? Indem wir ihn fühlen, was ist natürlicher, als uns zu tauschen, daß wir die Person von verschiedenem Geschlechte in uns aufgenommen haben? Die schwärmerische Aneignung des Geistes tritt nun hinzu: die Eitelkeit, der Trieb nach ausschließendem Besitze, erwachen. - Die Täuschung, wir sind eins, wird durch so manches sinnliche und moralische Symbol bey der Körperverbindung, bey dem Zusammentreffen in einem Gefühle, unterstützt; Hindernisse, welche der Geliebte selbst, oder welche die äußern Umstände in den Weg legen, erschüttern unser Herz so gewaltig. - In der That! Es nimmt mich minder Wunder, daß wir zuweilen die Illusion einer gänzlichen Umschaffung unserer Person in eine andere erhalten, als daß wir nicht an eine völlige Verwandlung glauben und gänzlich wahnsinnig werden.

Zum Glück für unsern Verstand, zum Unglück vielleicht für unser Herz, ist der geliebte Gegenstand eine Person, wie wir, aus Körper und Seele, und unter Verhältnissen bestehend, welche die Illusion der völligen Vereinigung beständig stören. Wir mögen noch so gern uns in diese Täuschung versetzen wollen; die Symbole mögen noch so sinnlich seyn; - kein Liebender, wenn er nicht völlig wahnsinnig geworden ist, wird jemahls glauben, daß sein Körper der Körper seiner Geliebten, seine Seele, seine Verhältnisse völlig die ihrigen sind. -

Die Vorstellung der Selbstverwandlung kann folglich nie zur figierten Idee bey uns werden; aber sie bleibt der geheime Zweck unsers Strebens! Ja, deiner kurzen Dauer und deiner Unvollständigkeit ungeachtet bleibst du

Körpers und der Seele, was ist er aber anders, als die Folge der Mischung weiblicher und männlicher Anlagen? Indem wir ihn fühlen, was ist natürlicher, als uns zu tauschen, daß wir die Person von verschiedenem Geschlechte in uns aufgenommen haben? Die schwärmerische Aneignung des Geistes tritt nun hinzu: die Eitelkeit, der Trieb nach ausschließendem Besitze, erwachen. – Die Täuschung, wir sind eins, wird durch so manches sinnliche und moralische Symbol bey der Körperverbindung, bey dem Zusammentreffen in einem Gefühle, unterstützt; Hindernisse, welche der Geliebte selbst, oder welche die äußern Umstände in den Weg legen, erschüttern unser Herz so gewaltig. – In der That! Es nimmt mich minder Wunder, daß wir zuweilen die Illusion einer gänzlichen Umschaffung unserer Person in eine andere erhalten, als daß wir nicht an eine völlige Verwandlung glauben und gänzlich wahnsinnig werden.

Zum Glück für unsern Verstand, zum Unglück vielleicht für unser Herz, ist der geliebte Gegenstand eine Person, wie wir, aus Körper und Seele, und unter Verhältnissen bestehend, welche die Illusion der völligen Vereinigung beständig stören. Wir mögen noch so gern uns in diese Täuschung versetzen wollen; die Symbole mögen noch so sinnlich seyn; – kein Liebender, wenn er nicht völlig wahnsinnig geworden ist, wird jemahls glauben, daß sein Körper der Körper seiner Geliebten, seine Seele, seine Verhältnisse völlig die ihrigen sind. –

Die Vorstellung der Selbstverwandlung kann folglich nie zur figierten Idee bey uns werden; aber sie bleibt der geheime Zweck unsers Strebens! Ja, deiner kurzen Dauer und deiner Unvollständigkeit ungeachtet bleibst du

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Körpers und der Seele, was ist er aber anders, als die Folge der Mischung weiblicher und männlicher Anlagen? Indem wir ihn fühlen, was ist natürlicher, als uns zu tauschen, daß wir die Person von verschiedenem Geschlechte in uns aufgenommen haben? Die schwärmerische Aneignung des Geistes tritt nun hinzu: die Eitelkeit, der Trieb nach ausschließendem Besitze, erwachen. &#x2013; Die Täuschung, wir sind eins, wird durch so manches sinnliche und moralische Symbol bey der Körperverbindung, bey dem Zusammentreffen in einem Gefühle, unterstützt; Hindernisse, welche der Geliebte selbst, oder welche die äußern Umstände in den Weg legen, erschüttern unser Herz so gewaltig. &#x2013; In der That! Es nimmt mich minder Wunder, daß wir zuweilen die Illusion einer gänzlichen Umschaffung unserer Person in eine andere erhalten, als daß wir nicht an eine völlige Verwandlung glauben und gänzlich wahnsinnig werden.</p>
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[268/0268] Körpers und der Seele, was ist er aber anders, als die Folge der Mischung weiblicher und männlicher Anlagen? Indem wir ihn fühlen, was ist natürlicher, als uns zu tauschen, daß wir die Person von verschiedenem Geschlechte in uns aufgenommen haben? Die schwärmerische Aneignung des Geistes tritt nun hinzu: die Eitelkeit, der Trieb nach ausschließendem Besitze, erwachen. – Die Täuschung, wir sind eins, wird durch so manches sinnliche und moralische Symbol bey der Körperverbindung, bey dem Zusammentreffen in einem Gefühle, unterstützt; Hindernisse, welche der Geliebte selbst, oder welche die äußern Umstände in den Weg legen, erschüttern unser Herz so gewaltig. – In der That! Es nimmt mich minder Wunder, daß wir zuweilen die Illusion einer gänzlichen Umschaffung unserer Person in eine andere erhalten, als daß wir nicht an eine völlige Verwandlung glauben und gänzlich wahnsinnig werden. Zum Glück für unsern Verstand, zum Unglück vielleicht für unser Herz, ist der geliebte Gegenstand eine Person, wie wir, aus Körper und Seele, und unter Verhältnissen bestehend, welche die Illusion der völligen Vereinigung beständig stören. Wir mögen noch so gern uns in diese Täuschung versetzen wollen; die Symbole mögen noch so sinnlich seyn; – kein Liebender, wenn er nicht völlig wahnsinnig geworden ist, wird jemahls glauben, daß sein Körper der Körper seiner Geliebten, seine Seele, seine Verhältnisse völlig die ihrigen sind. – Die Vorstellung der Selbstverwandlung kann folglich nie zur figierten Idee bey uns werden; aber sie bleibt der geheime Zweck unsers Strebens! Ja, deiner kurzen Dauer und deiner Unvollständigkeit ungeachtet bleibst du

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/268>, abgerufen am 22.11.2024.