Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

hoch in die Jünglingsjahre hinauf, und mir sind mehrere sogenannte Freundschaften und Geschlechtszärtlichkeiten unter jungen Leuten bekannt, die auf dem einzigen Bande beruhen, daß der Springinsfeld am liebsten mit dem sogenannten Freunde reitet, und mit der sogenannten Geliebten tanzt; mit jenem, weil er ungefähr einen gleichen Geschmack und gleiche körperliche Gewandheit mit ihm theilt; mit dieser, weil ihre Zierlichkeit mit seinem raschen Wesen im Wohlverhältnisse steht, und beyde ein schönes Paar mit einander auszumachen glauben.

Wenden wir die Augen jetzt zu gebildeteren Völkern, Ständen und Stufen des Alters! Der Begriff ihrer Natur, ihrer engsten Sinnlichkeit nimmt unendliche Modificationen nach Verschiedenheit der Jahre, der bürgerlichen Bestimmungen, der Charaktere und Lagen an. Aber allemahl ist es die Summe der angeeignetesten Kräfte und Neigungen, welche der Staatsmann, der Krieger, der Gelehrte, die aufgeklärte Hausmutter, die gebildete Weltfrau, u. s. w. im zärtlicheren Verhältnisse mit Personen von dem einen oder dem andern Geschlechte vereinigen.

Und in welchen Fällen sucht nun unter allen diesen Verhältnissen der Mann den Mann, das Weib das Weib auf: in welchen andern suchen sich Personen von verschiedenem Geschlechte auf, wenn sie sich zärtlich lieben? Welche Natur vereinigen jene mit einander, welche diese?

Laßt uns vorerst alle Begierden nach Vereinigung der Körper bey Seite setzen: laßt uns an jene Verhältnisse zwischen Brüdern und Schwestern, an jene Freundschaften zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte denken, die sich unter den gebildeteren Ständen häufiger

hoch in die Jünglingsjahre hinauf, und mir sind mehrere sogenannte Freundschaften und Geschlechtszärtlichkeiten unter jungen Leuten bekannt, die auf dem einzigen Bande beruhen, daß der Springinsfeld am liebsten mit dem sogenannten Freunde reitet, und mit der sogenannten Geliebten tanzt; mit jenem, weil er ungefähr einen gleichen Geschmack und gleiche körperliche Gewandheit mit ihm theilt; mit dieser, weil ihre Zierlichkeit mit seinem raschen Wesen im Wohlverhältnisse steht, und beyde ein schönes Paar mit einander auszumachen glauben.

Wenden wir die Augen jetzt zu gebildeteren Völkern, Ständen und Stufen des Alters! Der Begriff ihrer Natur, ihrer engsten Sinnlichkeit nimmt unendliche Modificationen nach Verschiedenheit der Jahre, der bürgerlichen Bestimmungen, der Charaktere und Lagen an. Aber allemahl ist es die Summe der angeeignetesten Kräfte und Neigungen, welche der Staatsmann, der Krieger, der Gelehrte, die aufgeklärte Hausmutter, die gebildete Weltfrau, u. s. w. im zärtlicheren Verhältnisse mit Personen von dem einen oder dem andern Geschlechte vereinigen.

Und in welchen Fällen sucht nun unter allen diesen Verhältnissen der Mann den Mann, das Weib das Weib auf: in welchen andern suchen sich Personen von verschiedenem Geschlechte auf, wenn sie sich zärtlich lieben? Welche Natur vereinigen jene mit einander, welche diese?

Laßt uns vorerst alle Begierden nach Vereinigung der Körper bey Seite setzen: laßt uns an jene Verhältnisse zwischen Brüdern und Schwestern, an jene Freundschaften zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte denken, die sich unter den gebildeteren Ständen häufiger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="223"/>
hoch in die Jünglingsjahre hinauf, und mir sind mehrere sogenannte Freundschaften und Geschlechtszärtlichkeiten unter jungen Leuten bekannt, die auf dem einzigen Bande beruhen, daß der Springinsfeld am liebsten mit dem sogenannten Freunde reitet, und mit der sogenannten Geliebten tanzt; mit jenem, weil er ungefähr einen gleichen Geschmack und gleiche körperliche Gewandheit mit ihm theilt; mit dieser, weil ihre Zierlichkeit mit seinem raschen Wesen im Wohlverhältnisse steht, und beyde ein schönes Paar mit einander auszumachen glauben.</p>
          <p>Wenden wir die Augen jetzt zu <hi rendition="#g">gebildeteren Völkern, Ständen und Stufen des Alters</hi>! Der Begriff ihrer Natur, ihrer engsten Sinnlichkeit nimmt unendliche Modificationen nach Verschiedenheit der Jahre, der bürgerlichen Bestimmungen, der Charaktere und Lagen an. Aber allemahl ist es die Summe der angeeignetesten Kräfte und Neigungen, welche der Staatsmann, der Krieger, der Gelehrte, die aufgeklärte Hausmutter, die gebildete Weltfrau, u. s. w. im zärtlicheren Verhältnisse mit Personen von dem einen oder dem andern Geschlechte vereinigen.</p>
          <p>Und in welchen Fällen sucht nun unter allen diesen Verhältnissen der Mann den Mann, das Weib das Weib auf: in welchen andern suchen sich Personen von verschiedenem Geschlechte auf, wenn sie sich zärtlich lieben? Welche Natur vereinigen jene mit einander, welche diese?</p>
          <p>Laßt uns vorerst alle Begierden nach Vereinigung der Körper bey Seite setzen: laßt uns an jene Verhältnisse zwischen Brüdern und Schwestern, an jene Freundschaften zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte denken, die sich unter den gebildeteren Ständen häufiger
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0223] hoch in die Jünglingsjahre hinauf, und mir sind mehrere sogenannte Freundschaften und Geschlechtszärtlichkeiten unter jungen Leuten bekannt, die auf dem einzigen Bande beruhen, daß der Springinsfeld am liebsten mit dem sogenannten Freunde reitet, und mit der sogenannten Geliebten tanzt; mit jenem, weil er ungefähr einen gleichen Geschmack und gleiche körperliche Gewandheit mit ihm theilt; mit dieser, weil ihre Zierlichkeit mit seinem raschen Wesen im Wohlverhältnisse steht, und beyde ein schönes Paar mit einander auszumachen glauben. Wenden wir die Augen jetzt zu gebildeteren Völkern, Ständen und Stufen des Alters! Der Begriff ihrer Natur, ihrer engsten Sinnlichkeit nimmt unendliche Modificationen nach Verschiedenheit der Jahre, der bürgerlichen Bestimmungen, der Charaktere und Lagen an. Aber allemahl ist es die Summe der angeeignetesten Kräfte und Neigungen, welche der Staatsmann, der Krieger, der Gelehrte, die aufgeklärte Hausmutter, die gebildete Weltfrau, u. s. w. im zärtlicheren Verhältnisse mit Personen von dem einen oder dem andern Geschlechte vereinigen. Und in welchen Fällen sucht nun unter allen diesen Verhältnissen der Mann den Mann, das Weib das Weib auf: in welchen andern suchen sich Personen von verschiedenem Geschlechte auf, wenn sie sich zärtlich lieben? Welche Natur vereinigen jene mit einander, welche diese? Laßt uns vorerst alle Begierden nach Vereinigung der Körper bey Seite setzen: laßt uns an jene Verhältnisse zwischen Brüdern und Schwestern, an jene Freundschaften zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte denken, die sich unter den gebildeteren Ständen häufiger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/223
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/223>, abgerufen am 07.05.2024.