lieferen? So können sie keine schöne Künste weiter bleiben, so werden sie zu Handwerken, höchstens zu Ueberlieferungen von Gestalten herabgewürdigt: So dienen sie nur dazu, eine elende Neugierde zu befrie- digen, und ihr höchstes Lob würde darin bestehen, einem Forster, einem Banks und Solander durch ihre Hülfsleistung die Aufbewahrung der Form aus- ländischer Gewächse, fremder Thiere erleichtert, ei- nem Haller dazu genutzt zu haben, anatomische Ent- deckungen anzuheften.
Freilich! so weit geht Niemand; aber auf eine weniger auffallende Art beruhen die Forderungen der- jenigen, welche die bildenden Künste zu Verstärkung der Lebhaftigkeit wissenschaftlicher Kenntnisse, oder sinnlicher aber nicht sichtbarer Eindrücke des Schönen brauchen wollen, auf keinen bessern Gründen.
Die unbestimmten Aeußerungen mancher Kunst- richter: daß man auch die subtilesten Gedanken, die abgezogensten Begriffe auf der Leinewand ausdrü- cken, und durch sichtbare Zeichen ins Gedächtniß zu- rückbringen könne: daß dies die Seele schildern, für den Verstand mahlen heiße; daß die feinen philoso- phischen Ideen des Künstlers nicht genung zu loben wären u. s. w. haben die abentheuerlichsten und den Künsten gerade zu widersprechenden Vorschläge zu Gemählden und Statuen hervorgebracht, die zum Theil auch würklich ausgeführt sind.
Ich darf es dreist sagen, daß Winkelmanns Versuch einer Allegorie für die Kunst, auf einer gänz- lichen Verkennung ihrer Gränzen beruhe, und daß die größte Anzahl der von ihm angegebenen neuen
Allego-
Pallaſt Giuſtiniani.
lieferen? So koͤnnen ſie keine ſchoͤne Kuͤnſte weiter bleiben, ſo werden ſie zu Handwerken, hoͤchſtens zu Ueberlieferungen von Geſtalten herabgewuͤrdigt: So dienen ſie nur dazu, eine elende Neugierde zu befrie- digen, und ihr hoͤchſtes Lob wuͤrde darin beſtehen, einem Forſter, einem Banks und Solander durch ihre Huͤlfsleiſtung die Aufbewahrung der Form aus- laͤndiſcher Gewaͤchſe, fremder Thiere erleichtert, ei- nem Haller dazu genutzt zu haben, anatomiſche Ent- deckungen anzuheften.
Freilich! ſo weit geht Niemand; aber auf eine weniger auffallende Art beruhen die Forderungen der- jenigen, welche die bildenden Kuͤnſte zu Verſtaͤrkung der Lebhaftigkeit wiſſenſchaftlicher Kenntniſſe, oder ſinnlicher aber nicht ſichtbarer Eindruͤcke des Schoͤnen brauchen wollen, auf keinen beſſern Gruͤnden.
Die unbeſtimmten Aeußerungen mancher Kunſt- richter: daß man auch die ſubtileſten Gedanken, die abgezogenſten Begriffe auf der Leinewand ausdruͤ- cken, und durch ſichtbare Zeichen ins Gedaͤchtniß zu- ruͤckbringen koͤnne: daß dies die Seele ſchildern, fuͤr den Verſtand mahlen heiße; daß die feinen philoſo- phiſchen Ideen des Kuͤnſtlers nicht genung zu loben waͤren u. ſ. w. haben die abentheuerlichſten und den Kuͤnſten gerade zu widerſprechenden Vorſchlaͤge zu Gemaͤhlden und Statuen hervorgebracht, die zum Theil auch wuͤrklich ausgefuͤhrt ſind.
Ich darf es dreiſt ſagen, daß Winkelmanns Verſuch einer Allegorie fuͤr die Kunſt, auf einer gaͤnz- lichen Verkennung ihrer Graͤnzen beruhe, und daß die groͤßte Anzahl der von ihm angegebenen neuen
Allego-
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Pallaſt Giuſtiniani.
lieferen? So koͤnnen ſie keine ſchoͤne Kuͤnſte weiter
bleiben, ſo werden ſie zu Handwerken, hoͤchſtens zu
Ueberlieferungen von Geſtalten herabgewuͤrdigt: So
dienen ſie nur dazu, eine elende Neugierde zu befrie-
digen, und ihr hoͤchſtes Lob wuͤrde darin beſtehen,
einem Forſter, einem Banks und Solander durch
ihre Huͤlfsleiſtung die Aufbewahrung der Form aus-
laͤndiſcher Gewaͤchſe, fremder Thiere erleichtert, ei-
nem Haller dazu genutzt zu haben, anatomiſche Ent-
deckungen anzuheften.
Freilich! ſo weit geht Niemand; aber auf eine
weniger auffallende Art beruhen die Forderungen der-
jenigen, welche die bildenden Kuͤnſte zu Verſtaͤrkung
der Lebhaftigkeit wiſſenſchaftlicher Kenntniſſe, oder
ſinnlicher aber nicht ſichtbarer Eindruͤcke des Schoͤnen
brauchen wollen, auf keinen beſſern Gruͤnden.
Die unbeſtimmten Aeußerungen mancher Kunſt-
richter: daß man auch die ſubtileſten Gedanken, die
abgezogenſten Begriffe auf der Leinewand ausdruͤ-
cken, und durch ſichtbare Zeichen ins Gedaͤchtniß zu-
ruͤckbringen koͤnne: daß dies die Seele ſchildern, fuͤr
den Verſtand mahlen heiße; daß die feinen philoſo-
phiſchen Ideen des Kuͤnſtlers nicht genung zu loben
waͤren u. ſ. w. haben die abentheuerlichſten und den
Kuͤnſten gerade zu widerſprechenden Vorſchlaͤge zu
Gemaͤhlden und Statuen hervorgebracht, die zum
Theil auch wuͤrklich ausgefuͤhrt ſind.
Ich darf es dreiſt ſagen, daß Winkelmanns
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/44>, abgerufen am 16.07.2024.
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