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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.
Bürgertugend, von ihren Begriffen über Ehrgeiz
als Triebfeder, über öffentliche Bewunderung als
Belohnung derselben entfernt! Und doch! daß diese
Künstler jemals die sittliche Rücksicht, der Rücksicht
auf schöne Darstellung zum Vergnügen vorgezogen
hätten, mithin daß diese nicht Hauptabsicht, jene
aber nur accidenteller Vortheil gewesen sey, darü-
ber erwarte ich den Beweis.

Ich für mich kenne keine Vorstellung aus der
alten Kunst, welche als Verewigung einer edeln That,
oder als Versinnlichung von Tugend und Laster, zu
edeln Thaten oder zu sittlicher Vollkommenheit über-
haupt hätte auffordern sollen.


Ich habe oft Liebhaber aus Gallerien, angefülltIn wiefern
das intellek-
tuelle Ver-
gnügen
Zweck der
bildenden
Künste sey.

mit den größten Meisterstücken, mit dem unmuths-
vollen Ausruf weggehen sehen: Was lernt man hier!

In der That die Worte jenes Mathematikers:
Was beweist das? mit denen er die Phädra des
Racine zurückgab, sind um keinen Gran lächerlicher.

Männer die nur der Affekte des Wissens und
Erkennens fähig sind, sollten auf andern Wegen als
der Beschauung der Kunstwerke, eine Unterhaltung
aufsuchen, welche diese nicht im Stande sind, ihnen
zu gewähren.

Was will man denn damit sagen, wenn man
etwas von den schönen Künsten lernen will? Sollte
Jemand so sehr die Gränzen der bildenden Künste
verkennen können, um zu verlangen, daß ihre Werke
ihm Vorstellungen von ganz neuen Gegenständen

lieferen?
B 2

Pallaſt Giuſtiniani.
Buͤrgertugend, von ihren Begriffen uͤber Ehrgeiz
als Triebfeder, uͤber oͤffentliche Bewunderung als
Belohnung derſelben entfernt! Und doch! daß dieſe
Kuͤnſtler jemals die ſittliche Ruͤckſicht, der Ruͤckſicht
auf ſchoͤne Darſtellung zum Vergnuͤgen vorgezogen
haͤtten, mithin daß dieſe nicht Hauptabſicht, jene
aber nur accidenteller Vortheil geweſen ſey, daruͤ-
ber erwarte ich den Beweis.

Ich fuͤr mich kenne keine Vorſtellung aus der
alten Kunſt, welche als Verewigung einer edeln That,
oder als Verſinnlichung von Tugend und Laſter, zu
edeln Thaten oder zu ſittlicher Vollkommenheit uͤber-
haupt haͤtte auffordern ſollen.


Ich habe oft Liebhaber aus Gallerien, angefuͤlltIn wiefern
das intellek-
tuelle Ver-
gnuͤgen
Zweck der
bildenden
Kuͤnſte ſey.

mit den groͤßten Meiſterſtuͤcken, mit dem unmuths-
vollen Ausruf weggehen ſehen: Was lernt man hier!

In der That die Worte jenes Mathematikers:
Was beweiſt das? mit denen er die Phaͤdra des
Racine zuruͤckgab, ſind um keinen Gran laͤcherlicher.

Maͤnner die nur der Affekte des Wiſſens und
Erkennens faͤhig ſind, ſollten auf andern Wegen als
der Beſchauung der Kunſtwerke, eine Unterhaltung
aufſuchen, welche dieſe nicht im Stande ſind, ihnen
zu gewaͤhren.

Was will man denn damit ſagen, wenn man
etwas von den ſchoͤnen Kuͤnſten lernen will? Sollte
Jemand ſo ſehr die Graͤnzen der bildenden Kuͤnſte
verkennen koͤnnen, um zu verlangen, daß ihre Werke
ihm Vorſtellungen von ganz neuen Gegenſtaͤnden

lieferen?
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[19/0043] Pallaſt Giuſtiniani. Buͤrgertugend, von ihren Begriffen uͤber Ehrgeiz als Triebfeder, uͤber oͤffentliche Bewunderung als Belohnung derſelben entfernt! Und doch! daß dieſe Kuͤnſtler jemals die ſittliche Ruͤckſicht, der Ruͤckſicht auf ſchoͤne Darſtellung zum Vergnuͤgen vorgezogen haͤtten, mithin daß dieſe nicht Hauptabſicht, jene aber nur accidenteller Vortheil geweſen ſey, daruͤ- ber erwarte ich den Beweis. Ich fuͤr mich kenne keine Vorſtellung aus der alten Kunſt, welche als Verewigung einer edeln That, oder als Verſinnlichung von Tugend und Laſter, zu edeln Thaten oder zu ſittlicher Vollkommenheit uͤber- haupt haͤtte auffordern ſollen. Ich habe oft Liebhaber aus Gallerien, angefuͤllt mit den groͤßten Meiſterſtuͤcken, mit dem unmuths- vollen Ausruf weggehen ſehen: Was lernt man hier! In wiefern das intellek- tuelle Ver- gnuͤgen Zweck der bildenden Kuͤnſte ſey. In der That die Worte jenes Mathematikers: Was beweiſt das? mit denen er die Phaͤdra des Racine zuruͤckgab, ſind um keinen Gran laͤcherlicher. Maͤnner die nur der Affekte des Wiſſens und Erkennens faͤhig ſind, ſollten auf andern Wegen als der Beſchauung der Kunſtwerke, eine Unterhaltung aufſuchen, welche dieſe nicht im Stande ſind, ihnen zu gewaͤhren. Was will man denn damit ſagen, wenn man etwas von den ſchoͤnen Kuͤnſten lernen will? Sollte Jemand ſo ſehr die Graͤnzen der bildenden Kuͤnſte verkennen koͤnnen, um zu verlangen, daß ihre Werke ihm Vorſtellungen von ganz neuen Gegenſtaͤnden lieferen? B 2

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/43>, abgerufen am 24.11.2024.