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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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über die einzelnen Kirchen.
den Grundsätzen der treuen Nachahmung der
Natur.

Selten, sehr selten ist es möglich, die Wahrheit
der Farbe im Einzelnen mit der Harmonie im Gan-
zen zu verbinden. Vielleicht ist dies selbst einem
Correggio nicht immer geglückt. Wenn man aber
von der Wahrheit des Colorits eines Andrea Sacchi
redet, so kann man nur soviel damit sagen wollen,
daß er einen Schein von Treue in der wesentlichen
Farbe des Objekts mit einer ziemlich treuen Nachbil-
dung des färbenden Anstrichs des Lichtstrals zu ver-
binden gewußt habe.

Denn auch der färbende Lichtstrahl kann höchst
untreu dargestellt werden. Ich kenne diese und jene
neuere Fechtelmahlerei mit einem Tone, wie wir ihn
gar nicht in der Natur finden. Blau, Ponßoroth,
Hochgelb, Grün, u. s. w. Dergleichen decidirte
Mischungen, die den Hauptton des Gemähldes be-
stimmen sollen, sind an und für sich unnatürlich, und
den wesentlichen Farben überher gefährlich. Der
Ton muß nie decidirt seyn, er muß sich schwer ent-
räthseln lassen. Wenn man von einem Gemählde
sagt, es fällt ins Rothe, so heißt dies nichts weiter,
als: die Farbe des Ganzen kömmt der rothen näher
als der gelben, der weißen, und andern: sie ist mehr
roth als gelb u. s. w.

Der beste, angenehmste Ton, den der Mahler
seinen gefärbten Gegenständen geben zu können scheint,
ist der, den der Abglanz des warmen Sonnenstrals
über sie verbreitet. Aber in seiner ursprünglichen
Stärke würde ihn die Kunst des Mahlers nicht errei-
chen. Er nimmt ihn also lieber gebrochen an, wie

er

uͤber die einzelnen Kirchen.
den Grundſaͤtzen der treuen Nachahmung der
Natur.

Selten, ſehr ſelten iſt es moͤglich, die Wahrheit
der Farbe im Einzelnen mit der Harmonie im Gan-
zen zu verbinden. Vielleicht iſt dies ſelbſt einem
Correggio nicht immer gegluͤckt. Wenn man aber
von der Wahrheit des Colorits eines Andrea Sacchi
redet, ſo kann man nur ſoviel damit ſagen wollen,
daß er einen Schein von Treue in der weſentlichen
Farbe des Objekts mit einer ziemlich treuen Nachbil-
dung des faͤrbenden Anſtrichs des Lichtſtrals zu ver-
binden gewußt habe.

Denn auch der faͤrbende Lichtſtrahl kann hoͤchſt
untreu dargeſtellt werden. Ich kenne dieſe und jene
neuere Fechtelmahlerei mit einem Tone, wie wir ihn
gar nicht in der Natur finden. Blau, Ponßoroth,
Hochgelb, Gruͤn, u. ſ. w. Dergleichen decidirte
Miſchungen, die den Hauptton des Gemaͤhldes be-
ſtimmen ſollen, ſind an und fuͤr ſich unnatuͤrlich, und
den weſentlichen Farben uͤberher gefaͤhrlich. Der
Ton muß nie decidirt ſeyn, er muß ſich ſchwer ent-
raͤthſeln laſſen. Wenn man von einem Gemaͤhlde
ſagt, es faͤllt ins Rothe, ſo heißt dies nichts weiter,
als: die Farbe des Ganzen koͤmmt der rothen naͤher
als der gelben, der weißen, und andern: ſie iſt mehr
roth als gelb u. ſ. w.

Der beſte, angenehmſte Ton, den der Mahler
ſeinen gefaͤrbten Gegenſtaͤnden geben zu koͤnnen ſcheint,
iſt der, den der Abglanz des warmen Sonnenſtrals
uͤber ſie verbreitet. Aber in ſeiner urſpruͤnglichen
Staͤrke wuͤrde ihn die Kunſt des Mahlers nicht errei-
chen. Er nimmt ihn alſo lieber gebrochen an, wie

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[347/0371] uͤber die einzelnen Kirchen. den Grundſaͤtzen der treuen Nachahmung der Natur. Selten, ſehr ſelten iſt es moͤglich, die Wahrheit der Farbe im Einzelnen mit der Harmonie im Gan- zen zu verbinden. Vielleicht iſt dies ſelbſt einem Correggio nicht immer gegluͤckt. Wenn man aber von der Wahrheit des Colorits eines Andrea Sacchi redet, ſo kann man nur ſoviel damit ſagen wollen, daß er einen Schein von Treue in der weſentlichen Farbe des Objekts mit einer ziemlich treuen Nachbil- dung des faͤrbenden Anſtrichs des Lichtſtrals zu ver- binden gewußt habe. Denn auch der faͤrbende Lichtſtrahl kann hoͤchſt untreu dargeſtellt werden. Ich kenne dieſe und jene neuere Fechtelmahlerei mit einem Tone, wie wir ihn gar nicht in der Natur finden. Blau, Ponßoroth, Hochgelb, Gruͤn, u. ſ. w. Dergleichen decidirte Miſchungen, die den Hauptton des Gemaͤhldes be- ſtimmen ſollen, ſind an und fuͤr ſich unnatuͤrlich, und den weſentlichen Farben uͤberher gefaͤhrlich. Der Ton muß nie decidirt ſeyn, er muß ſich ſchwer ent- raͤthſeln laſſen. Wenn man von einem Gemaͤhlde ſagt, es faͤllt ins Rothe, ſo heißt dies nichts weiter, als: die Farbe des Ganzen koͤmmt der rothen naͤher als der gelben, der weißen, und andern: ſie iſt mehr roth als gelb u. ſ. w. Der beſte, angenehmſte Ton, den der Mahler ſeinen gefaͤrbten Gegenſtaͤnden geben zu koͤnnen ſcheint, iſt der, den der Abglanz des warmen Sonnenſtrals uͤber ſie verbreitet. Aber in ſeiner urſpruͤnglichen Staͤrke wuͤrde ihn die Kunſt des Mahlers nicht errei- chen. Er nimmt ihn alſo lieber gebrochen an, wie er

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/371>, abgerufen am 27.11.2024.