Beinkleider gehören nicht hieher. Auch hat das Gewand viel zu gekünstelte Falten. Man sieht ihm an, daß der Künstler es mit Vorbedacht so gelegt hat.
Ueber das Grabmal im Ganzen mag ich nicht urtheilen. Man weiß, daß die Idee des M. Angelo nicht ausgeführt ist. So wie es da steht, ist es von schlechtem Geschmacke.
Die übrigen Figuren sind nach den Zeichnungen des Michael Angelo von seinen Schülern ausgeführt. Sie sind ziemlich mittelmäßig. Die sogenannte theologia contemplativa hat den Ausdruck fin- sterer Grillenfängerei, und die theologia activa stumpfer frömmelnder Andacht.
Wir kennen Michael Angelo Buonarotti be- reits als Mahler: wir müssen suchen ihn auch als Bildhauer kennen zu lernen.
Als die Bildhauerkunst durch Donatello, derUeber den Stil des M. Angelo und seiner Nach- folger in der Bildhauerei. 1466. starb, aus ihrer ersten Kindheit gezogen, Wahrheit und Bestimmtheit wenigstens in den äus- seren Umrissen der Glieder eingeführt waren; so be- mächtigte sich M. Angelo dieser Kunst, und verbes- serte sie nach der Lehre des Knochen- und Muskeln- baues und nach den Verhältnissen der Antike. Un- streitig besteht sein Hauptverdienst in dem großen Stile der Zeichnung, in der tiefen Kenntniß der äusseren Anatomie, und in der vortrefflichen Behandlung des Marmors. Dieser sieht man eine solche Gewißheit des Meissels an, daß man glauben sollte, er habe den Marmor wie Holz gespalten. Aber unglücklicher Weise besaß er keinen wahren Begriff von dem Haupt- zwecke seiner Kunst, der Schönheit der Formen, und
dem
uͤber die einzelnen Kirchen.
Beinkleider gehoͤren nicht hieher. Auch hat das Gewand viel zu gekuͤnſtelte Falten. Man ſieht ihm an, daß der Kuͤnſtler es mit Vorbedacht ſo gelegt hat.
Ueber das Grabmal im Ganzen mag ich nicht urtheilen. Man weiß, daß die Idee des M. Angelo nicht ausgefuͤhrt iſt. So wie es da ſteht, iſt es von ſchlechtem Geſchmacke.
Die uͤbrigen Figuren ſind nach den Zeichnungen des Michael Angelo von ſeinen Schuͤlern ausgefuͤhrt. Sie ſind ziemlich mittelmaͤßig. Die ſogenannte theologia contemplativa hat den Ausdruck fin- ſterer Grillenfaͤngerei, und die theologia activa ſtumpfer froͤmmelnder Andacht.
Wir kennen Michael Angelo Buonarotti be- reits als Mahler: wir muͤſſen ſuchen ihn auch als Bildhauer kennen zu lernen.
Als die Bildhauerkunſt durch Donatello, derUeber den Stil des M. Angelo und ſeiner Nach- folger in der Bildhauerei. 1466. ſtarb, aus ihrer erſten Kindheit gezogen, Wahrheit und Beſtimmtheit wenigſtens in den aͤuſ- ſeren Umriſſen der Glieder eingefuͤhrt waren; ſo be- maͤchtigte ſich M. Angelo dieſer Kunſt, und verbeſ- ſerte ſie nach der Lehre des Knochen- und Muskeln- baues und nach den Verhaͤltniſſen der Antike. Un- ſtreitig beſteht ſein Hauptverdienſt in dem großen Stile der Zeichnung, in der tiefen Kenntniß der aͤuſſeren Anatomie, und in der vortrefflichen Behandlung des Marmors. Dieſer ſieht man eine ſolche Gewißheit des Meiſſels an, daß man glauben ſollte, er habe den Marmor wie Holz geſpalten. Aber ungluͤcklicher Weiſe beſaß er keinen wahren Begriff von dem Haupt- zwecke ſeiner Kunſt, der Schoͤnheit der Formen, und
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uͤber die einzelnen Kirchen.
Beinkleider gehoͤren nicht hieher. Auch hat das
Gewand viel zu gekuͤnſtelte Falten. Man ſieht ihm
an, daß der Kuͤnſtler es mit Vorbedacht ſo gelegt
hat.
Ueber das Grabmal im Ganzen mag ich nicht
urtheilen. Man weiß, daß die Idee des M. Angelo
nicht ausgefuͤhrt iſt. So wie es da ſteht, iſt es von
ſchlechtem Geſchmacke.
Die uͤbrigen Figuren ſind nach den Zeichnungen
des Michael Angelo von ſeinen Schuͤlern ausgefuͤhrt.
Sie ſind ziemlich mittelmaͤßig. Die ſogenannte
theologia contemplativa hat den Ausdruck fin-
ſterer Grillenfaͤngerei, und die theologia activa
ſtumpfer froͤmmelnder Andacht.
Wir kennen Michael Angelo Buonarotti be-
reits als Mahler: wir muͤſſen ſuchen ihn auch als
Bildhauer kennen zu lernen.
Als die Bildhauerkunſt durch Donatello, der
1466. ſtarb, aus ihrer erſten Kindheit gezogen,
Wahrheit und Beſtimmtheit wenigſtens in den aͤuſ-
ſeren Umriſſen der Glieder eingefuͤhrt waren; ſo be-
maͤchtigte ſich M. Angelo dieſer Kunſt, und verbeſ-
ſerte ſie nach der Lehre des Knochen- und Muskeln-
baues und nach den Verhaͤltniſſen der Antike. Un-
ſtreitig beſteht ſein Hauptverdienſt in dem großen Stile
der Zeichnung, in der tiefen Kenntniß der aͤuſſeren
Anatomie, und in der vortrefflichen Behandlung des
Marmors. Dieſer ſieht man eine ſolche Gewißheit
des Meiſſels an, daß man glauben ſollte, er habe den
Marmor wie Holz geſpalten. Aber ungluͤcklicher
Weiſe beſaß er keinen wahren Begriff von dem Haupt-
zwecke ſeiner Kunſt, der Schoͤnheit der Formen, und
dem
Ueber den
Stil des M.
Angelo und
ſeiner Nach-
folger in der
Bildhauerei.
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/357>, abgerufen am 16.07.2024.
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