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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Anmerkungen
Grabmale Julius des II. befindlich, und mit allen
ihren Fehlern eines der besten Werke, das die neuere
Kunst hervorgebracht hat. Eine große Kenntniß der
Anatomie, Präcision der Zeichnung, und schöne Be-
handlung des Marmors sind die Hauptverdienste
dieser Figur. Aber eben weil sie diese Verdienste
hat, die den jungen Künstler und den Liebhaber leicht
zu sehr anziehen könnten, muß ich die Fehler der-
selben um so genauer anzeigen. Wie leicht könnten
sie verführt werden, nach diesem Vorbilde ihren Ge-
schmack überhaupt bilden zu wollen!

So ruhig die Stellung ist, so hat sie doch etwas
Gezwungenes, welches um so mehr beleidigt, weil
sich kein Grund dazu angeben läßt. Moses hält das
Gewand mit einer Anstrengung als wenn er Zentner-
lasten zu halten hätte, und die Lage des Arms ist zu
gedreht. Er scheint beschäfftigt und ist doch müßig.
Dies gegen den Gedanken im Ganzen. Der Kopf
hat nichts Edles, nichts das auf den Gedanken eines
Gesetzgebers und Führers seines Volks zurückführen
könnte. Die vielen kleinen Partien, die durch die
gar zu starke Andeutung der Muskeln entstehen, con-
trastiren mit den großen Massen des Bartes, zum
Nachtheil des Charakters von Größe der in dem
Kopfe liegen müßte. Dieser Bart ist viel zu lang,
und gleicht in der Ausführung mehr einem wollar-
tigen Stoffe als würklichen Haaren. 94) Die Be-
kleidung ist gleichfalls nicht passend. Die thrazischen

Bein-
94) Vielleicht ist es diesem Barte zuzuschreiben, daß
einige Liebhaber eine so auffallende Aehnlichkeit
mit einem Bocke in diesem Kopfe gefunden haben.

Anmerkungen
Grabmale Julius des II. befindlich, und mit allen
ihren Fehlern eines der beſten Werke, das die neuere
Kunſt hervorgebracht hat. Eine große Kenntniß der
Anatomie, Praͤciſion der Zeichnung, und ſchoͤne Be-
handlung des Marmors ſind die Hauptverdienſte
dieſer Figur. Aber eben weil ſie dieſe Verdienſte
hat, die den jungen Kuͤnſtler und den Liebhaber leicht
zu ſehr anziehen koͤnnten, muß ich die Fehler der-
ſelben um ſo genauer anzeigen. Wie leicht koͤnnten
ſie verfuͤhrt werden, nach dieſem Vorbilde ihren Ge-
ſchmack uͤberhaupt bilden zu wollen!

So ruhig die Stellung iſt, ſo hat ſie doch etwas
Gezwungenes, welches um ſo mehr beleidigt, weil
ſich kein Grund dazu angeben laͤßt. Moſes haͤlt das
Gewand mit einer Anſtrengung als wenn er Zentner-
laſten zu halten haͤtte, und die Lage des Arms iſt zu
gedreht. Er ſcheint beſchaͤfftigt und iſt doch muͤßig.
Dies gegen den Gedanken im Ganzen. Der Kopf
hat nichts Edles, nichts das auf den Gedanken eines
Geſetzgebers und Fuͤhrers ſeines Volks zuruͤckfuͤhren
koͤnnte. Die vielen kleinen Partien, die durch die
gar zu ſtarke Andeutung der Muskeln entſtehen, con-
traſtiren mit den großen Maſſen des Bartes, zum
Nachtheil des Charakters von Groͤße der in dem
Kopfe liegen muͤßte. Dieſer Bart iſt viel zu lang,
und gleicht in der Ausfuͤhrung mehr einem wollar-
tigen Stoffe als wuͤrklichen Haaren. 94) Die Be-
kleidung iſt gleichfalls nicht paſſend. Die thraziſchen

Bein-
94) Vielleicht iſt es dieſem Barte zuzuſchreiben, daß
einige Liebhaber eine ſo auffallende Aehnlichkeit
mit einem Bocke in dieſem Kopfe gefunden haben.
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[332/0356] Anmerkungen Grabmale Julius des II. befindlich, und mit allen ihren Fehlern eines der beſten Werke, das die neuere Kunſt hervorgebracht hat. Eine große Kenntniß der Anatomie, Praͤciſion der Zeichnung, und ſchoͤne Be- handlung des Marmors ſind die Hauptverdienſte dieſer Figur. Aber eben weil ſie dieſe Verdienſte hat, die den jungen Kuͤnſtler und den Liebhaber leicht zu ſehr anziehen koͤnnten, muß ich die Fehler der- ſelben um ſo genauer anzeigen. Wie leicht koͤnnten ſie verfuͤhrt werden, nach dieſem Vorbilde ihren Ge- ſchmack uͤberhaupt bilden zu wollen! So ruhig die Stellung iſt, ſo hat ſie doch etwas Gezwungenes, welches um ſo mehr beleidigt, weil ſich kein Grund dazu angeben laͤßt. Moſes haͤlt das Gewand mit einer Anſtrengung als wenn er Zentner- laſten zu halten haͤtte, und die Lage des Arms iſt zu gedreht. Er ſcheint beſchaͤfftigt und iſt doch muͤßig. Dies gegen den Gedanken im Ganzen. Der Kopf hat nichts Edles, nichts das auf den Gedanken eines Geſetzgebers und Fuͤhrers ſeines Volks zuruͤckfuͤhren koͤnnte. Die vielen kleinen Partien, die durch die gar zu ſtarke Andeutung der Muskeln entſtehen, con- traſtiren mit den großen Maſſen des Bartes, zum Nachtheil des Charakters von Groͤße der in dem Kopfe liegen muͤßte. Dieſer Bart iſt viel zu lang, und gleicht in der Ausfuͤhrung mehr einem wollar- tigen Stoffe als wuͤrklichen Haaren. 94) Die Be- kleidung iſt gleichfalls nicht paſſend. Die thraziſchen Bein- 94) Vielleicht iſt es dieſem Barte zuzuſchreiben, daß einige Liebhaber eine ſo auffallende Aehnlichkeit mit einem Bocke in dieſem Kopfe gefunden haben.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/356>, abgerufen am 23.11.2024.