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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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über die einzelnen Kirchen.
ein Kalb aus, dem man die Gurgel abschneidet.
Die heil. Jungfrau ist ganz gleichgültig, und eben
so unbedeutend sind die übrigen Figuren. Die Zeich-
nung ist incorrekt, die Färbung falsch. Hingegen
diejenigen Theile der Mahlerei, in denen Andrea
Sacchi seine größte Stärke besaß, die Anordnung,
die Vertheilung heller und dunkler Partien in Rück-
sicht auf mahlerische Würkung, die Harmonie der
Farben und der Ton, sind auch hier vortrefflich.

Oben an den Pfeilern unter der KuppelDie vier Car-
dinaltugen-
den von Do-
menichino.

hat Domenichino + vier Cardinaltugenden,
die Klugheit, die Stärke, die Mässigkeit und
Gerechtigkeit,
auf nassen Kalk gemahlt.

Unter jeder dieser vier Tugenden sieht man
noch eine andere Figur,
die in geselliger Bezie-
hung mit der Eigenschaft stehen soll, deren Abstrak-
tum über ihr abgebildet worden, z. E. Milde bei
Gerechtigkeit.

Diese Mahlereien zeigen die schönsten Frauens-
köpfe in Rücksicht auf Uebereinstimmung der Züge und
den Ausdruck des sittsamen Reizes und ruhiger Lie-
benswürdigkeit, die mir in der neueren Kunst vorge-
kommen sind. Die Gerechtigkeit nebst der unter ihr
liegenden weiblichen Figur, welche Milch aus ihrer
Brust drückt, und die Milde vorstellen soll, haben
einen Eindruck auf mich gemacht, den ich von keiner
einzelnen Figur in Ruhe (oder nach meiner gewagten
Classification, von keiner sichtbaren Beschreibung der
Gestalt,) in einem Gemählde der Neueren erfahren
habe. Es liegt in diesen edlen Formen der unver-
kennbare Ausdruck einer schönen Seele, einer Liebens-
würdigkeit des Herzens, die keine Bewegung zu ma-

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uͤber die einzelnen Kirchen.
ein Kalb aus, dem man die Gurgel abſchneidet.
Die heil. Jungfrau iſt ganz gleichguͤltig, und eben
ſo unbedeutend ſind die uͤbrigen Figuren. Die Zeich-
nung iſt incorrekt, die Faͤrbung falſch. Hingegen
diejenigen Theile der Mahlerei, in denen Andrea
Sacchi ſeine groͤßte Staͤrke beſaß, die Anordnung,
die Vertheilung heller und dunkler Partien in Ruͤck-
ſicht auf mahleriſche Wuͤrkung, die Harmonie der
Farben und der Ton, ſind auch hier vortrefflich.

Oben an den Pfeilern unter der KuppelDie vier Car-
dinaltugen-
den von Do-
menichino.

hat Domenichino † vier Cardinaltugenden,
die Klugheit, die Staͤrke, die Maͤſſigkeit und
Gerechtigkeit,
auf naſſen Kalk gemahlt.

Unter jeder dieſer vier Tugenden ſieht man
noch eine andere Figur,
die in geſelliger Bezie-
hung mit der Eigenſchaft ſtehen ſoll, deren Abſtrak-
tum uͤber ihr abgebildet worden, z. E. Milde bei
Gerechtigkeit.

Dieſe Mahlereien zeigen die ſchoͤnſten Frauens-
koͤpfe in Ruͤckſicht auf Uebereinſtimmung der Zuͤge und
den Ausdruck des ſittſamen Reizes und ruhiger Lie-
benswuͤrdigkeit, die mir in der neueren Kunſt vorge-
kommen ſind. Die Gerechtigkeit nebſt der unter ihr
liegenden weiblichen Figur, welche Milch aus ihrer
Bruſt druͤckt, und die Milde vorſtellen ſoll, haben
einen Eindruck auf mich gemacht, den ich von keiner
einzelnen Figur in Ruhe (oder nach meiner gewagten
Claſſification, von keiner ſichtbaren Beſchreibung der
Geſtalt,) in einem Gemaͤhlde der Neueren erfahren
habe. Es liegt in dieſen edlen Formen der unver-
kennbare Ausdruck einer ſchoͤnen Seele, einer Liebens-
wuͤrdigkeit des Herzens, die keine Bewegung zu ma-

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[265/0289] uͤber die einzelnen Kirchen. ein Kalb aus, dem man die Gurgel abſchneidet. Die heil. Jungfrau iſt ganz gleichguͤltig, und eben ſo unbedeutend ſind die uͤbrigen Figuren. Die Zeich- nung iſt incorrekt, die Faͤrbung falſch. Hingegen diejenigen Theile der Mahlerei, in denen Andrea Sacchi ſeine groͤßte Staͤrke beſaß, die Anordnung, die Vertheilung heller und dunkler Partien in Ruͤck- ſicht auf mahleriſche Wuͤrkung, die Harmonie der Farben und der Ton, ſind auch hier vortrefflich. Oben an den Pfeilern unter der Kuppel hat Domenichino † vier Cardinaltugenden, die Klugheit, die Staͤrke, die Maͤſſigkeit und Gerechtigkeit, auf naſſen Kalk gemahlt. Die vier Car- dinaltugen- den von Do- menichino. Unter jeder dieſer vier Tugenden ſieht man noch eine andere Figur, die in geſelliger Bezie- hung mit der Eigenſchaft ſtehen ſoll, deren Abſtrak- tum uͤber ihr abgebildet worden, z. E. Milde bei Gerechtigkeit. Dieſe Mahlereien zeigen die ſchoͤnſten Frauens- koͤpfe in Ruͤckſicht auf Uebereinſtimmung der Zuͤge und den Ausdruck des ſittſamen Reizes und ruhiger Lie- benswuͤrdigkeit, die mir in der neueren Kunſt vorge- kommen ſind. Die Gerechtigkeit nebſt der unter ihr liegenden weiblichen Figur, welche Milch aus ihrer Bruſt druͤckt, und die Milde vorſtellen ſoll, haben einen Eindruck auf mich gemacht, den ich von keiner einzelnen Figur in Ruhe (oder nach meiner gewagten Claſſification, von keiner ſichtbaren Beſchreibung der Geſtalt,) in einem Gemaͤhlde der Neueren erfahren habe. Es liegt in dieſen edlen Formen der unver- kennbare Ausdruck einer ſchoͤnen Seele, einer Liebens- wuͤrdigkeit des Herzens, die keine Bewegung zu ma- chen R 5

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/289>, abgerufen am 25.11.2024.