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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Ueber die Kennz. des Kirchenstils
sten Triebes die schrecklichsten Folgen der Entstellung
des Körpers verbunden hätte, vermochten dazumal
die ursprüngliche Anlage zur Schönheit zu verderben;
hingegen diente die ganze, mit den Bedürfnissen des
Staats und der engern Geselligkeit so genau verbun-
dene Erziehung dazu, jene Anlage zur körperlichen
Schönheit bis zum höchsten Grade der Vollkommen-
heit auszubilden.

Die Art der Alten Krieg zu führen, Mann an
Mann, machte Uebungen von Kampf und Spielen
nothwendig, in denen der Körper Behendigkeit und
Festigkeit gewinnen sollte. Die Art der Alten, in
dem Umgange mit dem weicheren Geschlechte Unter-
haltung aufzusuchen, erhöhete den Werth solcher Ta-
lente, die von körperlichen Vorzügen den höchsten
Reiz entlehnen. Daher Gymnasien, Bäder, Spiele
des Wettrennens, des Discuswerfens, des Ringens,
pantomimische Tänze bei öffentlichen Festen: Ja! so-
gar Wettstreite der Schönheit unter Jünglingen und
Mädchen unter Autorität der Gesetze.

Wie viel anders dies alles bei uns! Weniger
ursprüngliche Anlage zur Schönheit, und beinahe
durchaus keine Veranlassung, für die Ausbildung die-
ses Vorzugs eine ausgezeichnete Sorge zu tragen.
Selbst das Weib, das bei uns einen besonderen Werth
auf ihre Gestalt legt, macht sich nach unsern Begrif-
fen von sittlicher Vollkommenheit lächerlich.

Warum soll der neue Künstler das vorzüglich
gern vorstellen wollen, was nicht vorzüglich gern ge-
sehen wird? Doch es sey! Angefeuert durch das Bei-
spiel der Griechen, hält er die nackte Gestalt noch jetzt
für den würdigsten Vorwurf des Meissels; wie

selten

Ueber die Kennz. des Kirchenſtils
ſten Triebes die ſchrecklichſten Folgen der Entſtellung
des Koͤrpers verbunden haͤtte, vermochten dazumal
die urſpruͤngliche Anlage zur Schoͤnheit zu verderben;
hingegen diente die ganze, mit den Beduͤrfniſſen des
Staats und der engern Geſelligkeit ſo genau verbun-
dene Erziehung dazu, jene Anlage zur koͤrperlichen
Schoͤnheit bis zum hoͤchſten Grade der Vollkommen-
heit auszubilden.

Die Art der Alten Krieg zu fuͤhren, Mann an
Mann, machte Uebungen von Kampf und Spielen
nothwendig, in denen der Koͤrper Behendigkeit und
Feſtigkeit gewinnen ſollte. Die Art der Alten, in
dem Umgange mit dem weicheren Geſchlechte Unter-
haltung aufzuſuchen, erhoͤhete den Werth ſolcher Ta-
lente, die von koͤrperlichen Vorzuͤgen den hoͤchſten
Reiz entlehnen. Daher Gymnaſien, Baͤder, Spiele
des Wettrennens, des Diſcuswerfens, des Ringens,
pantomimiſche Taͤnze bei oͤffentlichen Feſten: Ja! ſo-
gar Wettſtreite der Schoͤnheit unter Juͤnglingen und
Maͤdchen unter Autoritaͤt der Geſetze.

Wie viel anders dies alles bei uns! Weniger
urſpruͤngliche Anlage zur Schoͤnheit, und beinahe
durchaus keine Veranlaſſung, fuͤr die Ausbildung die-
ſes Vorzugs eine ausgezeichnete Sorge zu tragen.
Selbſt das Weib, das bei uns einen beſonderen Werth
auf ihre Geſtalt legt, macht ſich nach unſern Begrif-
fen von ſittlicher Vollkommenheit laͤcherlich.

Warum ſoll der neue Kuͤnſtler das vorzuͤglich
gern vorſtellen wollen, was nicht vorzuͤglich gern ge-
ſehen wird? Doch es ſey! Angefeuert durch das Bei-
ſpiel der Griechen, haͤlt er die nackte Geſtalt noch jetzt
fuͤr den wuͤrdigſten Vorwurf des Meiſſels; wie

ſelten
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[176/0200] Ueber die Kennz. des Kirchenſtils ſten Triebes die ſchrecklichſten Folgen der Entſtellung des Koͤrpers verbunden haͤtte, vermochten dazumal die urſpruͤngliche Anlage zur Schoͤnheit zu verderben; hingegen diente die ganze, mit den Beduͤrfniſſen des Staats und der engern Geſelligkeit ſo genau verbun- dene Erziehung dazu, jene Anlage zur koͤrperlichen Schoͤnheit bis zum hoͤchſten Grade der Vollkommen- heit auszubilden. Die Art der Alten Krieg zu fuͤhren, Mann an Mann, machte Uebungen von Kampf und Spielen nothwendig, in denen der Koͤrper Behendigkeit und Feſtigkeit gewinnen ſollte. Die Art der Alten, in dem Umgange mit dem weicheren Geſchlechte Unter- haltung aufzuſuchen, erhoͤhete den Werth ſolcher Ta- lente, die von koͤrperlichen Vorzuͤgen den hoͤchſten Reiz entlehnen. Daher Gymnaſien, Baͤder, Spiele des Wettrennens, des Diſcuswerfens, des Ringens, pantomimiſche Taͤnze bei oͤffentlichen Feſten: Ja! ſo- gar Wettſtreite der Schoͤnheit unter Juͤnglingen und Maͤdchen unter Autoritaͤt der Geſetze. Wie viel anders dies alles bei uns! Weniger urſpruͤngliche Anlage zur Schoͤnheit, und beinahe durchaus keine Veranlaſſung, fuͤr die Ausbildung die- ſes Vorzugs eine ausgezeichnete Sorge zu tragen. Selbſt das Weib, das bei uns einen beſonderen Werth auf ihre Geſtalt legt, macht ſich nach unſern Begrif- fen von ſittlicher Vollkommenheit laͤcherlich. Warum ſoll der neue Kuͤnſtler das vorzuͤglich gern vorſtellen wollen, was nicht vorzuͤglich gern ge- ſehen wird? Doch es ſey! Angefeuert durch das Bei- ſpiel der Griechen, haͤlt er die nackte Geſtalt noch jetzt fuͤr den wuͤrdigſten Vorwurf des Meiſſels; wie ſelten

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/200>, abgerufen am 22.11.2024.