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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast
denen Gesichtspunkten, und eben so wenig immer
aus dem vortheilhaftesten zeichnen und studiren
könnte. Die Abgüsse lassen sich bequemer rücken,
in der vortheilhaftesten Stellung zeigen, und in dem
zuträglichsten Lichte zur Nachbildung hinstellen.

Zweitens dient die Versammlung mehrerer Mei-
sterstücke zur näheren Vergleichung mit einander, und
drittens, werden hier einige Abgüsse von Werken
aufbewahrt, die nicht in Rom befindlich, oder gar
verloren gegangen sind.

Von dieser letzten Art ist der Cincinnatus, der
nunmehro zu Versailles gezeigt wird: 2) Der Ger-

mani-
2) Nachricht
über den Cin-
cinnatus zu
Versailles.
Diese Statue stand ehemals in der Villa Montal-
to, nachher Negroni. Es ist eine völlig unbe-
kleidete männliche Figur in der Natur eines Helden.
Sie bindet über dem rechten Fuß den Schuh zu,
der linke Fuß ist blos, und neben diesem stehet der
andere Schuh. Hinten auf dem Sockel liegt eine
Pflugschaar. Wahrscheinlich ein moderner Zusatz,
den die früheren Abbildungen dieser Statue nicht
anführen. Winkelmann G. d. K. W. E. S. 783 f.
hält sie für einen Jason. Als dieser nach der Stadt
Jollos gehen wollte, mußte er über den Fluß
Anaurus. Eine alte Frau befand sich in eben der
Noth. Er brachte sie über, verlor aber dabei sei-
nen Schuh. Schnell verwandelte sich die Alte in
die Juno und ersetzte ihm den Verlust. Ob diese
Erklärung die wahre sey, lasse ich dahin gestellet
seyn. So viel aber scheint ausgemacht zu seyn,
die unbekleidete Figur läßt sich nicht gut auf den
römischen Consul deuten. Wie wir denn über-
haupt wenig Vorstellungen der alten Kunst aus der
frühern

Pallaſt
denen Geſichtspunkten, und eben ſo wenig immer
aus dem vortheilhafteſten zeichnen und ſtudiren
koͤnnte. Die Abguͤſſe laſſen ſich bequemer ruͤcken,
in der vortheilhafteſten Stellung zeigen, und in dem
zutraͤglichſten Lichte zur Nachbildung hinſtellen.

Zweitens dient die Verſammlung mehrerer Mei-
ſterſtuͤcke zur naͤheren Vergleichung mit einander, und
drittens, werden hier einige Abguͤſſe von Werken
aufbewahrt, die nicht in Rom befindlich, oder gar
verloren gegangen ſind.

Von dieſer letzten Art iſt der Cincinnatus, der
nunmehro zu Verſailles gezeigt wird: 2) Der Ger-

mani-
2) Nachricht
uͤber den Cin-
cinnatus zu
Verſailles.
Dieſe Statue ſtand ehemals in der Villa Montal-
to, nachher Negroni. Es iſt eine voͤllig unbe-
kleidete maͤnnliche Figur in der Natur eines Helden.
Sie bindet uͤber dem rechten Fuß den Schuh zu,
der linke Fuß iſt blos, und neben dieſem ſtehet der
andere Schuh. Hinten auf dem Sockel liegt eine
Pflugſchaar. Wahrſcheinlich ein moderner Zuſatz,
den die fruͤheren Abbildungen dieſer Statue nicht
anfuͤhren. Winkelmann G. d. K. W. E. S. 783 f.
haͤlt ſie fuͤr einen Jaſon. Als dieſer nach der Stadt
Jollos gehen wollte, mußte er uͤber den Fluß
Anaurus. Eine alte Frau befand ſich in eben der
Noth. Er brachte ſie uͤber, verlor aber dabei ſei-
nen Schuh. Schnell verwandelte ſich die Alte in
die Juno und erſetzte ihm den Verluſt. Ob dieſe
Erklaͤrung die wahre ſey, laſſe ich dahin geſtellet
ſeyn. So viel aber ſcheint ausgemacht zu ſeyn,
die unbekleidete Figur laͤßt ſich nicht gut auf den
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haupt wenig Vorſtellungen der alten Kunſt aus der
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[156/0180] Pallaſt denen Geſichtspunkten, und eben ſo wenig immer aus dem vortheilhafteſten zeichnen und ſtudiren koͤnnte. Die Abguͤſſe laſſen ſich bequemer ruͤcken, in der vortheilhafteſten Stellung zeigen, und in dem zutraͤglichſten Lichte zur Nachbildung hinſtellen. Zweitens dient die Verſammlung mehrerer Mei- ſterſtuͤcke zur naͤheren Vergleichung mit einander, und drittens, werden hier einige Abguͤſſe von Werken aufbewahrt, die nicht in Rom befindlich, oder gar verloren gegangen ſind. Von dieſer letzten Art iſt der Cincinnatus, der nunmehro zu Verſailles gezeigt wird: 2) Der Ger- mani- 2) Dieſe Statue ſtand ehemals in der Villa Montal- to, nachher Negroni. Es iſt eine voͤllig unbe- kleidete maͤnnliche Figur in der Natur eines Helden. Sie bindet uͤber dem rechten Fuß den Schuh zu, der linke Fuß iſt blos, und neben dieſem ſtehet der andere Schuh. Hinten auf dem Sockel liegt eine Pflugſchaar. Wahrſcheinlich ein moderner Zuſatz, den die fruͤheren Abbildungen dieſer Statue nicht anfuͤhren. Winkelmann G. d. K. W. E. S. 783 f. haͤlt ſie fuͤr einen Jaſon. Als dieſer nach der Stadt Jollos gehen wollte, mußte er uͤber den Fluß Anaurus. Eine alte Frau befand ſich in eben der Noth. Er brachte ſie uͤber, verlor aber dabei ſei- nen Schuh. Schnell verwandelte ſich die Alte in die Juno und erſetzte ihm den Verluſt. Ob dieſe Erklaͤrung die wahre ſey, laſſe ich dahin geſtellet ſeyn. So viel aber ſcheint ausgemacht zu ſeyn, die unbekleidete Figur laͤßt ſich nicht gut auf den roͤmiſchen Conſul deuten. Wie wir denn uͤber- haupt wenig Vorſtellungen der alten Kunſt aus der fruͤhern

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/180>, abgerufen am 06.05.2024.