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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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der Französischen Academie.
Bestandtheils der Wahrheit, durch Contouren, ge-
ben, die er an dem nämlichen Objekte, welches er
mit seinem Vorgänger in der Natur gesehen haben
könnte, gar nicht, oder nur schwach bemerket haben
würde. In weniger auffallender Maaße ist zwischen
der Zeichnungsmanier eines Raphaels und der eines
Guido, als Charakter von Wahrheit, ebenderselbe
Unterschied. Ueber dies Erzwingen fremder Vor-
stellungs und Verfahrungsarten geht das Ergreifende
der Originalität, und der Wahrheit des Details ver-
loren: Der Künstler wird nur manierirt.

Ferner: es ist wahr, man macht den jungen
Künstler auf die Verhältnisse des menschlichen Kör-
pers aufmerksam, man prägt sie ihm ein. Aber
wie? Mit Wörtern, mit todlen Zeichen von Zahlen:
er sieht nicht das Eckigte, das Winkligte, welches
den ausgeschweiften Formen des Reizes zur Grund-
lage dient. Man läßt ihn nicht eine Zeitlang in dem
Geschmack des ersten Griechischen Zeitalters, symme-
trisch, trocken, steif fortarbeiten. Nur gar zu gern
setzt sich der junge Künstler über das Nachmessen die-
ser unter Reiz versteckten Verhältnisse weg, verläßt
sich immer zu sehr auf die Richtigkeit seines Augen-
maaßes, und immer noch mehr auf die des Verferti-
gers seines Vorbildes. Wenn er dies, so wie es sieht,
vollständig liefere, so glaubt er, folgten die Verhält-
nisse von selbst.

Endlich bringt man ihn zum Copiren nach der
Natur, aber was er nun sieht, ist nicht die Natur
mehr, es ist nur die Modifikation derselben nach dem
Schleier, der ihm über die Augen geworfen ist.

Ich
Dritter Theil. K

der Franzoͤſiſchen Academie.
Beſtandtheils der Wahrheit, durch Contouren, ge-
ben, die er an dem naͤmlichen Objekte, welches er
mit ſeinem Vorgaͤnger in der Natur geſehen haben
koͤnnte, gar nicht, oder nur ſchwach bemerket haben
wuͤrde. In weniger auffallender Maaße iſt zwiſchen
der Zeichnungsmanier eines Raphaels und der eines
Guido, als Charakter von Wahrheit, ebenderſelbe
Unterſchied. Ueber dies Erzwingen fremder Vor-
ſtellungs und Verfahrungsarten geht das Ergreifende
der Originalitaͤt, und der Wahrheit des Details ver-
loren: Der Kuͤnſtler wird nur manierirt.

Ferner: es iſt wahr, man macht den jungen
Kuͤnſtler auf die Verhaͤltniſſe des menſchlichen Koͤr-
pers aufmerkſam, man praͤgt ſie ihm ein. Aber
wie? Mit Woͤrtern, mit todlen Zeichen von Zahlen:
er ſieht nicht das Eckigte, das Winkligte, welches
den ausgeſchweiften Formen des Reizes zur Grund-
lage dient. Man laͤßt ihn nicht eine Zeitlang in dem
Geſchmack des erſten Griechiſchen Zeitalters, ſymme-
triſch, trocken, ſteif fortarbeiten. Nur gar zu gern
ſetzt ſich der junge Kuͤnſtler uͤber das Nachmeſſen die-
ſer unter Reiz verſteckten Verhaͤltniſſe weg, verlaͤßt
ſich immer zu ſehr auf die Richtigkeit ſeines Augen-
maaßes, und immer noch mehr auf die des Verferti-
gers ſeines Vorbildes. Wenn er dies, ſo wie es ſieht,
vollſtaͤndig liefere, ſo glaubt er, folgten die Verhaͤlt-
niſſe von ſelbſt.

Endlich bringt man ihn zum Copiren nach der
Natur, aber was er nun ſieht, iſt nicht die Natur
mehr, es iſt nur die Modifikation derſelben nach dem
Schleier, der ihm uͤber die Augen geworfen iſt.

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Dritter Theil. K
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[145/0169] der Franzoͤſiſchen Academie. Beſtandtheils der Wahrheit, durch Contouren, ge- ben, die er an dem naͤmlichen Objekte, welches er mit ſeinem Vorgaͤnger in der Natur geſehen haben koͤnnte, gar nicht, oder nur ſchwach bemerket haben wuͤrde. In weniger auffallender Maaße iſt zwiſchen der Zeichnungsmanier eines Raphaels und der eines Guido, als Charakter von Wahrheit, ebenderſelbe Unterſchied. Ueber dies Erzwingen fremder Vor- ſtellungs und Verfahrungsarten geht das Ergreifende der Originalitaͤt, und der Wahrheit des Details ver- loren: Der Kuͤnſtler wird nur manierirt. Ferner: es iſt wahr, man macht den jungen Kuͤnſtler auf die Verhaͤltniſſe des menſchlichen Koͤr- pers aufmerkſam, man praͤgt ſie ihm ein. Aber wie? Mit Woͤrtern, mit todlen Zeichen von Zahlen: er ſieht nicht das Eckigte, das Winkligte, welches den ausgeſchweiften Formen des Reizes zur Grund- lage dient. Man laͤßt ihn nicht eine Zeitlang in dem Geſchmack des erſten Griechiſchen Zeitalters, ſymme- triſch, trocken, ſteif fortarbeiten. Nur gar zu gern ſetzt ſich der junge Kuͤnſtler uͤber das Nachmeſſen die- ſer unter Reiz verſteckten Verhaͤltniſſe weg, verlaͤßt ſich immer zu ſehr auf die Richtigkeit ſeines Augen- maaßes, und immer noch mehr auf die des Verferti- gers ſeines Vorbildes. Wenn er dies, ſo wie es ſieht, vollſtaͤndig liefere, ſo glaubt er, folgten die Verhaͤlt- niſſe von ſelbſt. Endlich bringt man ihn zum Copiren nach der Natur, aber was er nun ſieht, iſt nicht die Natur mehr, es iſt nur die Modifikation derſelben nach dem Schleier, der ihm uͤber die Augen geworfen iſt. Ich Dritter Theil. K

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/169>, abgerufen am 24.11.2024.