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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Der kleine Pallast Farnese.
dene Ueberreichung einer Gabe, die misfällt, ist ein allge-
mein verständliches Süjet zur sichtbaren Darstellung.

+ 9) Amor bittet den Jupiter, den
Qualen seiner Geliebten ein Ende zu machen.

Jupiter liebkoset den artigen Knaben mit ein wenig
zu viel Innbrunst, um nicht schlüpfrige Nebenideen
zu veranlassen. Dieser Vorwurf trifft aber nur die
Art der Ausführung, nicht die Wahl des Süjets.
Ein Alter, der einen Knaben liebkoset, ist ein ge-
wöhnlicher Auftritt. Sind es nicht Jupiter und
Amor, so sind es Vater und Sohn.

10) Mercur führt Psyche zum Himmel.
Der Kopf der Psyche ist sehr schön, aber der Körper
etwas schwerfällig, und eben diesen Vorwurf kann
man auch dem Mercur machen, so schön er auch
übrigens ist.

Eine wohlgefällige Anordnung der Stellungen,
eine sehr richtige Zeichnung, sowohl des Nackenden
als der Gewänder, ein unvergleichlicher Ausdruck,
machen die allgemeinen Vorzüge dieser Gemählde
aus: Aber eben so allgemein verdienen sie auch den
Tadel zu stark angedeuteter Muskeln, vorzüglich in
den weiblichen Körpern, und einer Färbung, die zu
sehr ins Rothe und Schwarze fällt. Vielleicht kom-
men diese Fehler nicht auf die Rechnung Raphaels,
sondern seiner Schüler, und derjenigen, die diese
Gemählde ausgebessert haben.

Raphael, ein
dramati-
sches Genie.

Ich gehe nun zu den größeren Compositionen
über, in denen ich unsern Raphael in aller seiner
Größe finde. Raphael war zum dramatischen Mah-
ler gebohren, das zeigen alle seine Werke. Aus-
druck einer thätigen Seele, ist so sehr Hauptzug in

seinem

Der kleine Pallaſt Farneſe.
dene Ueberreichung einer Gabe, die misfaͤllt, iſt ein allge-
mein verſtaͤndliches Suͤjet zur ſichtbaren Darſtellung.

† 9) Amor bittet den Jupiter, den
Qualen ſeiner Geliebten ein Ende zu machen.

Jupiter liebkoſet den artigen Knaben mit ein wenig
zu viel Innbrunſt, um nicht ſchluͤpfrige Nebenideen
zu veranlaſſen. Dieſer Vorwurf trifft aber nur die
Art der Ausfuͤhrung, nicht die Wahl des Suͤjets.
Ein Alter, der einen Knaben liebkoſet, iſt ein ge-
woͤhnlicher Auftritt. Sind es nicht Jupiter und
Amor, ſo ſind es Vater und Sohn.

10) Mercur fuͤhrt Pſyche zum Himmel.
Der Kopf der Pſyche iſt ſehr ſchoͤn, aber der Koͤrper
etwas ſchwerfaͤllig, und eben dieſen Vorwurf kann
man auch dem Mercur machen, ſo ſchoͤn er auch
uͤbrigens iſt.

Eine wohlgefaͤllige Anordnung der Stellungen,
eine ſehr richtige Zeichnung, ſowohl des Nackenden
als der Gewaͤnder, ein unvergleichlicher Ausdruck,
machen die allgemeinen Vorzuͤge dieſer Gemaͤhlde
aus: Aber eben ſo allgemein verdienen ſie auch den
Tadel zu ſtark angedeuteter Muskeln, vorzuͤglich in
den weiblichen Koͤrpern, und einer Faͤrbung, die zu
ſehr ins Rothe und Schwarze faͤllt. Vielleicht kom-
men dieſe Fehler nicht auf die Rechnung Raphaels,
ſondern ſeiner Schuͤler, und derjenigen, die dieſe
Gemaͤhlde ausgebeſſert haben.

Raphael, ein
dramati-
ſches Genie.

Ich gehe nun zu den groͤßeren Compoſitionen
uͤber, in denen ich unſern Raphael in aller ſeiner
Groͤße finde. Raphael war zum dramatiſchen Mah-
ler gebohren, das zeigen alle ſeine Werke. Aus-
druck einer thaͤtigen Seele, iſt ſo ſehr Hauptzug in

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[120/0144] Der kleine Pallaſt Farneſe. dene Ueberreichung einer Gabe, die misfaͤllt, iſt ein allge- mein verſtaͤndliches Suͤjet zur ſichtbaren Darſtellung. † 9) Amor bittet den Jupiter, den Qualen ſeiner Geliebten ein Ende zu machen. Jupiter liebkoſet den artigen Knaben mit ein wenig zu viel Innbrunſt, um nicht ſchluͤpfrige Nebenideen zu veranlaſſen. Dieſer Vorwurf trifft aber nur die Art der Ausfuͤhrung, nicht die Wahl des Suͤjets. Ein Alter, der einen Knaben liebkoſet, iſt ein ge- woͤhnlicher Auftritt. Sind es nicht Jupiter und Amor, ſo ſind es Vater und Sohn. 10) Mercur fuͤhrt Pſyche zum Himmel. Der Kopf der Pſyche iſt ſehr ſchoͤn, aber der Koͤrper etwas ſchwerfaͤllig, und eben dieſen Vorwurf kann man auch dem Mercur machen, ſo ſchoͤn er auch uͤbrigens iſt. Eine wohlgefaͤllige Anordnung der Stellungen, eine ſehr richtige Zeichnung, ſowohl des Nackenden als der Gewaͤnder, ein unvergleichlicher Ausdruck, machen die allgemeinen Vorzuͤge dieſer Gemaͤhlde aus: Aber eben ſo allgemein verdienen ſie auch den Tadel zu ſtark angedeuteter Muskeln, vorzuͤglich in den weiblichen Koͤrpern, und einer Faͤrbung, die zu ſehr ins Rothe und Schwarze faͤllt. Vielleicht kom- men dieſe Fehler nicht auf die Rechnung Raphaels, ſondern ſeiner Schuͤler, und derjenigen, die dieſe Gemaͤhlde ausgebeſſert haben. Ich gehe nun zu den groͤßeren Compoſitionen uͤber, in denen ich unſern Raphael in aller ſeiner Groͤße finde. Raphael war zum dramatiſchen Mah- ler gebohren, das zeigen alle ſeine Werke. Aus- druck einer thaͤtigen Seele, iſt ſo ſehr Hauptzug in ſeinem

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/144>, abgerufen am 27.04.2024.