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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Der kleine Pallast Farnese.
schlagzettel hat geben wollen, von selbst in unserer
Seele hätte aufsteigen müssen.


Beurthei-
lung des
Plafonds
zur Bestäti-
gung jener
festgesetzten
Grundsätze.

Aber wozu diese ganze Ausführung hier? Weil
Raphael diese Regeln bei der Wahl seiner Süjets zum
Theil beobachtet, zum Theil beleidiget hat, und wir
bei der Vergleichung finden, wie sehr wir dabei ge-
wonnen haben würden, wenn er sie durchaus beobach-
tet hätte.

Die beiden Mittelgemählde enthalten vollständige
sichtbare pantomimische Auftritte. Ein Gastmahl,
ein Gerichthalten oder lit de justice.

Die Ecken des Gemähldes an den Seiten ver-
hinderten die Vorstellung von Compositionen, die zur
Verständlichkeit einigen Umfang erfordern. Was
hätte der Künstler thun sollen? Entweder wie der
Wachsbossirer, der den König von Preußen herum-
führte, blos beschreibende Bilder der Hauptakteurs
liefern: der Venus, des Amors, der Psyche, ihrer
Schwestern etc. die uns durch Form und Individua-
lität des Charakters würden interessirt haben; Oder,
gleich dem Herumführer des weinenden Kopfs, diese
Bilder bestimmter Personen in einer für sich erklärba-
ren affektvollen Situation zeigen: die traurige Psyche,
den fliegenden Amor, die erzürnte Venus; oder am
besten, solche dramatische Handlungen wählen, die
durch die gemeinschaftliche Thätigkeit von zwei bis
drei Personen völlig verständlich werden: z. E. Amor
und Psyche, die sich umarmen, Psyche, die ihren
Liebhaber schlafend betrachtet, Amor, der den Armen
seiner Geliebten entfliehet u. s. w.

Eine

Der kleine Pallaſt Farneſe.
ſchlagzettel hat geben wollen, von ſelbſt in unſerer
Seele haͤtte aufſteigen muͤſſen.


Beurthei-
lung des
Plafonds
zur Beſtaͤti-
gung jener
feſtgeſetzten
Grundſaͤtze.

Aber wozu dieſe ganze Ausfuͤhrung hier? Weil
Raphael dieſe Regeln bei der Wahl ſeiner Suͤjets zum
Theil beobachtet, zum Theil beleidiget hat, und wir
bei der Vergleichung finden, wie ſehr wir dabei ge-
wonnen haben wuͤrden, wenn er ſie durchaus beobach-
tet haͤtte.

Die beiden Mittelgemaͤhlde enthalten vollſtaͤndige
ſichtbare pantomimiſche Auftritte. Ein Gaſtmahl,
ein Gerichthalten oder lit de juſtice.

Die Ecken des Gemaͤhldes an den Seiten ver-
hinderten die Vorſtellung von Compoſitionen, die zur
Verſtaͤndlichkeit einigen Umfang erfordern. Was
haͤtte der Kuͤnſtler thun ſollen? Entweder wie der
Wachsboſſirer, der den Koͤnig von Preußen herum-
fuͤhrte, blos beſchreibende Bilder der Hauptakteurs
liefern: der Venus, des Amors, der Pſyche, ihrer
Schweſtern ꝛc. die uns durch Form und Individua-
litaͤt des Charakters wuͤrden intereſſirt haben; Oder,
gleich dem Herumfuͤhrer des weinenden Kopfs, dieſe
Bilder beſtimmter Perſonen in einer fuͤr ſich erklaͤrba-
ren affektvollen Situation zeigen: die traurige Pſyche,
den fliegenden Amor, die erzuͤrnte Venus; oder am
beſten, ſolche dramatiſche Handlungen waͤhlen, die
durch die gemeinſchaftliche Thaͤtigkeit von zwei bis
drei Perſonen voͤllig verſtaͤndlich werden: z. E. Amor
und Pſyche, die ſich umarmen, Pſyche, die ihren
Liebhaber ſchlafend betrachtet, Amor, der den Armen
ſeiner Geliebten entfliehet u. ſ. w.

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[116/0140] Der kleine Pallaſt Farneſe. ſchlagzettel hat geben wollen, von ſelbſt in unſerer Seele haͤtte aufſteigen muͤſſen. Aber wozu dieſe ganze Ausfuͤhrung hier? Weil Raphael dieſe Regeln bei der Wahl ſeiner Suͤjets zum Theil beobachtet, zum Theil beleidiget hat, und wir bei der Vergleichung finden, wie ſehr wir dabei ge- wonnen haben wuͤrden, wenn er ſie durchaus beobach- tet haͤtte. Die beiden Mittelgemaͤhlde enthalten vollſtaͤndige ſichtbare pantomimiſche Auftritte. Ein Gaſtmahl, ein Gerichthalten oder lit de juſtice. Die Ecken des Gemaͤhldes an den Seiten ver- hinderten die Vorſtellung von Compoſitionen, die zur Verſtaͤndlichkeit einigen Umfang erfordern. Was haͤtte der Kuͤnſtler thun ſollen? Entweder wie der Wachsboſſirer, der den Koͤnig von Preußen herum- fuͤhrte, blos beſchreibende Bilder der Hauptakteurs liefern: der Venus, des Amors, der Pſyche, ihrer Schweſtern ꝛc. die uns durch Form und Individua- litaͤt des Charakters wuͤrden intereſſirt haben; Oder, gleich dem Herumfuͤhrer des weinenden Kopfs, dieſe Bilder beſtimmter Perſonen in einer fuͤr ſich erklaͤrba- ren affektvollen Situation zeigen: die traurige Pſyche, den fliegenden Amor, die erzuͤrnte Venus; oder am beſten, ſolche dramatiſche Handlungen waͤhlen, die durch die gemeinſchaftliche Thaͤtigkeit von zwei bis drei Perſonen voͤllig verſtaͤndlich werden: z. E. Amor und Pſyche, die ſich umarmen, Pſyche, die ihren Liebhaber ſchlafend betrachtet, Amor, der den Armen ſeiner Geliebten entfliehet u. ſ. w. Eine

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/140>, abgerufen am 28.04.2024.