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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Colonna.
könnt ihr achten, wenn ihr sie nicht anbetet. Diese
ist euch alles oder sie ist euch nichts.

Der höchsten Tugenden fähig, wie der höchsten
Irrungen, zu denen heißes Blut und überspannte
Phantasie so leicht verführen können, hat Magda-
lena im Rausch der Sinne eine Zeitlang die Forde-
rungen ihres leeren Herzens zu betäuben gesucht.
Aber umsonst! Ihr liebeschwärmerisches Auge er-
hebt sich jetzt zum Himmel, den ihre Einbildungskraft
an die Stelle des Irrdischen setzt, das die Wünsche
ihres pochenden Busens nicht hat befriedigen können!
Thränen rollen jetzt über ihre Wangen, Zeugen der
Reue, daß sie ehemals durch eitle Freude entstellt
sind! Jetzt fliegt unbekümmert um den Beifall der
Sterblichen das goldene Haar schmucklos um ihren
Busen. Sie schlägt die gefalteten Hände darwider
voll Zerknirschung, Innbrunst und Hingebung in die
Gnade des Himmels. Welch ein Weib für den
Mann, der ihre Einbildungskraft und ihre empfin-
dungsvolle Seele auszufüllen im Stande gewesen
wäre! Wie sehr müssen selbst die überwundenen
Schwachheiten die Sicherheit zu der Stärke zu der
Haltsamkeit erhöhen, mit der sie forthin an der Tu-
gend hängen wird! So viel über den Ausdruck.

Und nun die Schönheit der Form! Es ist nicht
das Ideal der Antike, mit dessen Anblick uns zugleich
alle Erinnerung und alle Hoffnung ähnlicher Erschei-
nungen in der Natur verläßt! Nein! Wir fühlen
wohl, daß die Züge, aus denen dieser Kopf zusam-
mengesetzt ist, uns nur einzeln in der Natur aufge-
stoßen sind, allein wir verzweifeln nicht daran, sie
einst in wirklicher Vereinigung anzutreffen.

Viel-
E 2

Pallaſt Colonna.
koͤnnt ihr achten, wenn ihr ſie nicht anbetet. Dieſe
iſt euch alles oder ſie iſt euch nichts.

Der hoͤchſten Tugenden faͤhig, wie der hoͤchſten
Irrungen, zu denen heißes Blut und uͤberſpannte
Phantaſie ſo leicht verfuͤhren koͤnnen, hat Magda-
lena im Rauſch der Sinne eine Zeitlang die Forde-
rungen ihres leeren Herzens zu betaͤuben geſucht.
Aber umſonſt! Ihr liebeſchwaͤrmeriſches Auge er-
hebt ſich jetzt zum Himmel, den ihre Einbildungskraft
an die Stelle des Irrdiſchen ſetzt, das die Wuͤnſche
ihres pochenden Buſens nicht hat befriedigen koͤnnen!
Thraͤnen rollen jetzt uͤber ihre Wangen, Zeugen der
Reue, daß ſie ehemals durch eitle Freude entſtellt
ſind! Jetzt fliegt unbekuͤmmert um den Beifall der
Sterblichen das goldene Haar ſchmucklos um ihren
Buſen. Sie ſchlaͤgt die gefalteten Haͤnde darwider
voll Zerknirſchung, Innbrunſt und Hingebung in die
Gnade des Himmels. Welch ein Weib fuͤr den
Mann, der ihre Einbildungskraft und ihre empfin-
dungsvolle Seele auszufuͤllen im Stande geweſen
waͤre! Wie ſehr muͤſſen ſelbſt die uͤberwundenen
Schwachheiten die Sicherheit zu der Staͤrke zu der
Haltſamkeit erhoͤhen, mit der ſie forthin an der Tu-
gend haͤngen wird! So viel uͤber den Ausdruck.

Und nun die Schoͤnheit der Form! Es iſt nicht
das Ideal der Antike, mit deſſen Anblick uns zugleich
alle Erinnerung und alle Hoffnung aͤhnlicher Erſchei-
nungen in der Natur verlaͤßt! Nein! Wir fuͤhlen
wohl, daß die Zuͤge, aus denen dieſer Kopf zuſam-
mengeſetzt iſt, uns nur einzeln in der Natur aufge-
ſtoßen ſind, allein wir verzweifeln nicht daran, ſie
einſt in wirklicher Vereinigung anzutreffen.

Viel-
E 2
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[67/0081] Pallaſt Colonna. koͤnnt ihr achten, wenn ihr ſie nicht anbetet. Dieſe iſt euch alles oder ſie iſt euch nichts. Der hoͤchſten Tugenden faͤhig, wie der hoͤchſten Irrungen, zu denen heißes Blut und uͤberſpannte Phantaſie ſo leicht verfuͤhren koͤnnen, hat Magda- lena im Rauſch der Sinne eine Zeitlang die Forde- rungen ihres leeren Herzens zu betaͤuben geſucht. Aber umſonſt! Ihr liebeſchwaͤrmeriſches Auge er- hebt ſich jetzt zum Himmel, den ihre Einbildungskraft an die Stelle des Irrdiſchen ſetzt, das die Wuͤnſche ihres pochenden Buſens nicht hat befriedigen koͤnnen! Thraͤnen rollen jetzt uͤber ihre Wangen, Zeugen der Reue, daß ſie ehemals durch eitle Freude entſtellt ſind! Jetzt fliegt unbekuͤmmert um den Beifall der Sterblichen das goldene Haar ſchmucklos um ihren Buſen. Sie ſchlaͤgt die gefalteten Haͤnde darwider voll Zerknirſchung, Innbrunſt und Hingebung in die Gnade des Himmels. Welch ein Weib fuͤr den Mann, der ihre Einbildungskraft und ihre empfin- dungsvolle Seele auszufuͤllen im Stande geweſen waͤre! Wie ſehr muͤſſen ſelbſt die uͤberwundenen Schwachheiten die Sicherheit zu der Staͤrke zu der Haltſamkeit erhoͤhen, mit der ſie forthin an der Tu- gend haͤngen wird! So viel uͤber den Ausdruck. Und nun die Schoͤnheit der Form! Es iſt nicht das Ideal der Antike, mit deſſen Anblick uns zugleich alle Erinnerung und alle Hoffnung aͤhnlicher Erſchei- nungen in der Natur verlaͤßt! Nein! Wir fuͤhlen wohl, daß die Zuͤge, aus denen dieſer Kopf zuſam- mengeſetzt iſt, uns nur einzeln in der Natur aufge- ſtoßen ſind, allein wir verzweifeln nicht daran, ſie einſt in wirklicher Vereinigung anzutreffen. Viel- E 2

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/81>, abgerufen am 23.11.2024.