die aus und eingehen, sich Gefäße zureichen u. s. w. zerstöhren den Eindruck des Ganzen auf eine unschick- liche Weise.
Das Interesse schränkt sich also lediglich auf vier weibliche Figuren ein, von denen zwei jugendliche, in denen ich die Töchter des Sterbenden erkenne, mit nassen gen Himmel gerichteten Augen und gefalteten Händen, Besserung für den Vater zu erflehen schei- nen; zwei mehr bejahrte Frauenzimmer aber, wahr- scheinlich Gattin und Mutter, verhüllen mit dem Gesichte zugleich den Ausdruck des Schmerzes.
Nun ist zwar jener aus einem Gemählde des Timanthes entlehnte Gedanke: dem Zuschauer lieber gar keine Darstellung von dem höchsten Gipfel des Schmerzes als eine mangelhafte geben zu wollen; einmal angewandt, ein sehr glücklicher Behelf; aber öfterer wiederholt, 8) Zeichen einer Armuth die uns unmuthig über den Künstler macht.
So viel über die Erfindung dieses Gemähldes. Des Künstlers Augenmerk scheint nicht auf Darstel- lung eines interessanten Auftritts aus den letzten Stun- den eines Christen gegangen zu seyn, der mit der letzten Oehlung den feierlichen Segen zu einer Wall- fahrt in ein besseres Leben erwartet, während daß die- jenigen, die ihm in diesem Leben die Nächsten waren,
das
8) Nicht blos in unserm Gemählde hat Poussin diesen Gedanken angebracht, man findet ihn auch auf dem Bilde des Todes des Germanicus im Pallast Barberini.
Q 3
Pallaſt Boccapaduli.
die aus und eingehen, ſich Gefaͤße zureichen u. ſ. w. zerſtoͤhren den Eindruck des Ganzen auf eine unſchick- liche Weiſe.
Das Intereſſe ſchraͤnkt ſich alſo lediglich auf vier weibliche Figuren ein, von denen zwei jugendliche, in denen ich die Toͤchter des Sterbenden erkenne, mit naſſen gen Himmel gerichteten Augen und gefalteten Haͤnden, Beſſerung fuͤr den Vater zu erflehen ſchei- nen; zwei mehr bejahrte Frauenzimmer aber, wahr- ſcheinlich Gattin und Mutter, verhuͤllen mit dem Geſichte zugleich den Ausdruck des Schmerzes.
Nun iſt zwar jener aus einem Gemaͤhlde des Timanthes entlehnte Gedanke: dem Zuſchauer lieber gar keine Darſtellung von dem hoͤchſten Gipfel des Schmerzes als eine mangelhafte geben zu wollen; einmal angewandt, ein ſehr gluͤcklicher Behelf; aber oͤfterer wiederholt, 8) Zeichen einer Armuth die uns unmuthig uͤber den Kuͤnſtler macht.
So viel uͤber die Erfindung dieſes Gemaͤhldes. Des Kuͤnſtlers Augenmerk ſcheint nicht auf Darſtel- lung eines intereſſanten Auftritts aus den letzten Stun- den eines Chriſten gegangen zu ſeyn, der mit der letzten Oehlung den feierlichen Segen zu einer Wall- fahrt in ein beſſeres Leben erwartet, waͤhrend daß die- jenigen, die ihm in dieſem Leben die Naͤchſten waren,
das
8) Nicht blos in unſerm Gemaͤhlde hat Pouſſin dieſen Gedanken angebracht, man findet ihn auch auf dem Bilde des Todes des Germanicus im Pallaſt Barberini.
Q 3
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Pallaſt Boccapaduli.
die aus und eingehen, ſich Gefaͤße zureichen u. ſ. w.
zerſtoͤhren den Eindruck des Ganzen auf eine unſchick-
liche Weiſe.
Das Intereſſe ſchraͤnkt ſich alſo lediglich auf vier
weibliche Figuren ein, von denen zwei jugendliche,
in denen ich die Toͤchter des Sterbenden erkenne, mit
naſſen gen Himmel gerichteten Augen und gefalteten
Haͤnden, Beſſerung fuͤr den Vater zu erflehen ſchei-
nen; zwei mehr bejahrte Frauenzimmer aber, wahr-
ſcheinlich Gattin und Mutter, verhuͤllen mit dem
Geſichte zugleich den Ausdruck des Schmerzes.
Nun iſt zwar jener aus einem Gemaͤhlde des
Timanthes entlehnte Gedanke: dem Zuſchauer lieber
gar keine Darſtellung von dem hoͤchſten Gipfel des
Schmerzes als eine mangelhafte geben zu wollen;
einmal angewandt, ein ſehr gluͤcklicher Behelf; aber
oͤfterer wiederholt, 8) Zeichen einer Armuth die uns
unmuthig uͤber den Kuͤnſtler macht.
So viel uͤber die Erfindung dieſes Gemaͤhldes.
Des Kuͤnſtlers Augenmerk ſcheint nicht auf Darſtel-
lung eines intereſſanten Auftritts aus den letzten Stun-
den eines Chriſten gegangen zu ſeyn, der mit der
letzten Oehlung den feierlichen Segen zu einer Wall-
fahrt in ein beſſeres Leben erwartet, waͤhrend daß die-
jenigen, die ihm in dieſem Leben die Naͤchſten waren,
das
8) Nicht blos in unſerm Gemaͤhlde hat Pouſſin dieſen
Gedanken angebracht, man findet ihn auch auf
dem Bilde des Todes des Germanicus im Pallaſt
Barberini.
Q 3
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/259>, abgerufen am 16.02.2025.
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