Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.Pallast Boccapaduli. Ich will um von der Absicht eines Gemähldes ver-ständigt zu werden, nicht erst gelehrte Commentarien zu Rath ziehen. Immerhin mögen Könige nur bei feierlichen Gelegenheiten Kronen tragen: Es ist ein Attribut, das nur ihnen zukömmt, das mich ohne Zweideutigkeit allein auf ihre Bestimmung im bür- gerlichen Leben zurückführt. Ich wiederhole es noch einmal: Die bildenden Dü
Pallaſt Boccapaduli. Ich will um von der Abſicht eines Gemaͤhldes ver-ſtaͤndigt zu werden, nicht erſt gelehrte Commentarien zu Rath ziehen. Immerhin moͤgen Koͤnige nur bei feierlichen Gelegenheiten Kronen tragen: Es iſt ein Attribut, das nur ihnen zukoͤmmt, das mich ohne Zweideutigkeit allein auf ihre Beſtimmung im buͤr- gerlichen Leben zuruͤckfuͤhrt. Ich wiederhole es noch einmal: Die bildenden Duͤ
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Pallaſt Boccapaduli.
Ich will um von der Abſicht eines Gemaͤhldes ver-
ſtaͤndigt zu werden, nicht erſt gelehrte Commentarien
zu Rath ziehen. Immerhin moͤgen Koͤnige nur bei
feierlichen Gelegenheiten Kronen tragen: Es iſt ein
Attribut, das nur ihnen zukoͤmmt, das mich ohne
Zweideutigkeit allein auf ihre Beſtimmung im buͤr-
gerlichen Leben zuruͤckfuͤhrt.
Ich wiederhole es noch einmal: Die bildenden
Kuͤnſte haben nur in einem Falle die Verbindlichkeit
auf ſich, dem Wuͤrklichen getreu zu bleiben, naͤmlich
bei allem, was von dichteriſcher und mechaniſcher
Wahrſcheinlichkeit abhaͤngt; wo die Pruͤfung des
Dargeſtellten, nach der Erfahrung, die mein Auge
taͤglich macht, mich ſogleich von der Falſchheit uͤber-
zeugen kann. In allem uͤbrigen richtet ſich Wahr-
heit immer nur nach Convention, und dieſe nach den
Beduͤrfniſſen des Angenehmen. Selbſt bei uns iſt
das Uebliche weiter nichts als verabredeter Irrthum
mit einem Scheine von Wahrheit verbunden, auf
dem Theater wie in dem Gemaͤhlde. Wir ziehen
unſern Roͤmern keine Reifroͤcke mehr an, aber wir
unterſcheiden doch gewiß nicht die Moden nach den
verſchiedenen Zeitpunkten vom Romulus an bis auf
den Conſtantin. Was koͤnnten auch die Kuͤnſte da-
bei gewinnen; was der Eindruck, den ſie auf unſer
Herz, auf unſere Einbildungskraft machen ſollen?
Die Moden auf dem Bilde ſind dem Geſetze der
Schoͤnheit zuerſt unterworfen, ſie ſollten es billig
auch auf dem Theater ſeyn, wie ſelten ſind ſie es im
geſellſchaftlichen Leben!
Duͤ
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