Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.Pallast Colonna. sigkeit gleiten diese über die Oberfläche der Dinge weg,ohne ihr Wesen zu durchdringen, ihr Herz wird offen, zutraulich, verbindet sich genau mit dem Gegenwär- tigen, ihr Auge sieht die Umrisse, die Farbe, das Licht und den Schatten ohne genaue Bestimmung des Einzelnen in einander fließen, und drückt sich ihrer Seele mit dem Reize einer entkörperten Erschei- nung ein. Ist die Mahlerei ein Schein; liefert sie die Ge- Dieses Talent, die sichtbaren Gegenstände in Man
Pallaſt Colonna. ſigkeit gleiten dieſe uͤber die Oberflaͤche der Dinge weg,ohne ihr Weſen zu durchdringen, ihr Herz wird offen, zutraulich, verbindet ſich genau mit dem Gegenwaͤr- tigen, ihr Auge ſieht die Umriſſe, die Farbe, das Licht und den Schatten ohne genaue Beſtimmung des Einzelnen in einander fließen, und druͤckt ſich ihrer Seele mit dem Reize einer entkoͤrperten Erſchei- nung ein. Iſt die Mahlerei ein Schein; liefert ſie die Ge- Dieſes Talent, die ſichtbaren Gegenſtaͤnde in Man
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Pallaſt Colonna.
ſigkeit gleiten dieſe uͤber die Oberflaͤche der Dinge weg,
ohne ihr Weſen zu durchdringen, ihr Herz wird offen,
zutraulich, verbindet ſich genau mit dem Gegenwaͤr-
tigen, ihr Auge ſieht die Umriſſe, die Farbe, das
Licht und den Schatten ohne genaue Beſtimmung des
Einzelnen in einander fließen, und druͤckt ſich ihrer
Seele mit dem Reize einer entkoͤrperten Erſchei-
nung ein.
Iſt die Mahlerei ein Schein; liefert ſie die Ge-
ſtalten nur wie ſie in einer gewiſſen Entfernung geſehen
werden, in der wir uͤber Richtigkeit der Umriſſe,
uͤber Wahrheit einzelner Tinten nicht mehr im Stande
ſind, zu urtheilen; wo lauter Maſſen von Farben,
Maſſen von Licht und Schatten uns das Erkenntniß
der Wuͤrklichkeit der Gegenſtaͤnde außer uns geben:
ſo hat Correggio die Geheimniſſe dieſer Kunſt beſſer
als jeder andere verſtanden.
Dieſes Talent, die ſichtbaren Gegenſtaͤnde in
einer gewiſſen Entfernung mit einer ergreifenden
Wuͤrklichkeit darzuſtellen, die kein anderer Kuͤnſtler
in dem Grade erreicht hat, iſt es, welches nebſt dem
Ausdruck einer gefaͤlligen Grazie dem Correggio die
Bewunderung der Kenner zugezogen hat. Weniger
wahr als Tizian in Darſtellung des Koͤrperlichen;
weniger wahr als Raphael in Darſtellung der Seele;
ſchoͤner als jener, oft gefaͤlliger als beide, hat er den
Erſcheinungen, die er hinzauberte, einen Reiz zu ge-
ben gewußt, den wir fuͤr alle das Vergnuͤgen nicht
hingeben wuͤrden, das bei naͤherer Unterſuchung des
Wahren und Bedeutungsvollen auf die Seite ſeiner
Nebenbuhler tritt.
Man
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