Diane und Endymion, von Annibale Car- raccio. Der Gedanke übertrifft bei weitem die Aus- führung.
Hercules und Jole. Eins der schönsten Ge- mählde dieser Gallerie. Der Mahler hat hier sogar seine gewöhnlichen Fehler vermieden. Der Körper der Jole ist reitzend, und die Färbung ist gut. Die Zufälle des Lichts und Schattens hat der Künstler sehr gut zu benutzen gewußt. Hercules hat den Charakter der Antike.
Aurora entführt den Cephalus. Argens- ville legt dieses Stück dem Agostino bei. Aurora ist wieder zu männlich; Gesicht und Stellung haben einen unedlen Ausdruck. Ihr Gewand aber ist vor- trefflich. Cephalus und Tithon, der auf dem Vor- grunde schläft, sind vortrefflich gezeichnet.
Venus und Anchises. Anchises zieht der Ve- nus den Schuh aus, und darunter stehen die Worte: Genus unde latinum. Sulzer 6 a) rechnet die Anbringung dieser Schrift unter die schicklichen Mittel den Mangel guter symbolischer Zeichen zu ersetzen. Ich will es dem Gefühl eines jeden überlassen, ob man mehr dabei gewinnt, den bestimmten Liebhaber der Venus durch diese Worte zu erfahren, als man dabei verliert, durch eine Verdollmetschung die der Kunst fremd ist, an die Armuth ihrer Sprache für gewisse Dinge erinnert zu werden. Der Anchises ist sehr schön, der Venus fehlt es aber wieder an weibli- chem Reitze.
Verschie-
6 a) Allgemeine Theorie der schönen Künste, Artikel: Allegorie.
Pallaſt Farneſe.
Diane und Endymion, von Annibale Car- raccio. Der Gedanke uͤbertrifft bei weitem die Aus- fuͤhrung.
Hercules und Jole. Eins der ſchoͤnſten Ge- maͤhlde dieſer Gallerie. Der Mahler hat hier ſogar ſeine gewoͤhnlichen Fehler vermieden. Der Koͤrper der Jole iſt reitzend, und die Faͤrbung iſt gut. Die Zufaͤlle des Lichts und Schattens hat der Kuͤnſtler ſehr gut zu benutzen gewußt. Hercules hat den Charakter der Antike.
Aurora entfuͤhrt den Cephalus. Argens- ville legt dieſes Stuͤck dem Agoſtino bei. Aurora iſt wieder zu maͤnnlich; Geſicht und Stellung haben einen unedlen Ausdruck. Ihr Gewand aber iſt vor- trefflich. Cephalus und Tithon, der auf dem Vor- grunde ſchlaͤft, ſind vortrefflich gezeichnet.
Venus und Anchiſes. Anchiſes zieht der Ve- nus den Schuh aus, und darunter ſtehen die Worte: Genus unde latinum. Sulzer 6 a) rechnet die Anbringung dieſer Schrift unter die ſchicklichen Mittel den Mangel guter ſymboliſcher Zeichen zu erſetzen. Ich will es dem Gefuͤhl eines jeden uͤberlaſſen, ob man mehr dabei gewinnt, den beſtimmten Liebhaber der Venus durch dieſe Worte zu erfahren, als man dabei verliert, durch eine Verdollmetſchung die der Kunſt fremd iſt, an die Armuth ihrer Sprache fuͤr gewiſſe Dinge erinnert zu werden. Der Anchiſes iſt ſehr ſchoͤn, der Venus fehlt es aber wieder an weibli- chem Reitze.
Verſchie-
6 a) Allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte, Artikel: Allegorie.
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Pallaſt Farneſe.
Diane und Endymion, von Annibale Car-
raccio. Der Gedanke uͤbertrifft bei weitem die Aus-
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Hercules und Jole. Eins der ſchoͤnſten Ge-
maͤhlde dieſer Gallerie. Der Mahler hat hier ſogar
ſeine gewoͤhnlichen Fehler vermieden. Der Koͤrper
der Jole iſt reitzend, und die Faͤrbung iſt gut. Die
Zufaͤlle des Lichts und Schattens hat der Kuͤnſtler ſehr
gut zu benutzen gewußt. Hercules hat den Charakter
der Antike.
Aurora entfuͤhrt den Cephalus. Argens-
ville legt dieſes Stuͤck dem Agoſtino bei. Aurora
iſt wieder zu maͤnnlich; Geſicht und Stellung haben
einen unedlen Ausdruck. Ihr Gewand aber iſt vor-
trefflich. Cephalus und Tithon, der auf dem Vor-
grunde ſchlaͤft, ſind vortrefflich gezeichnet.
Venus und Anchiſes. Anchiſes zieht der Ve-
nus den Schuh aus, und darunter ſtehen die Worte:
Genus unde latinum. Sulzer 6 a) rechnet die
Anbringung dieſer Schrift unter die ſchicklichen Mittel
den Mangel guter ſymboliſcher Zeichen zu erſetzen.
Ich will es dem Gefuͤhl eines jeden uͤberlaſſen, ob
man mehr dabei gewinnt, den beſtimmten Liebhaber
der Venus durch dieſe Worte zu erfahren, als man
dabei verliert, durch eine Verdollmetſchung die der
Kunſt fremd iſt, an die Armuth ihrer Sprache fuͤr
gewiſſe Dinge erinnert zu werden. Der Anchiſes iſt
ſehr ſchoͤn, der Venus fehlt es aber wieder an weibli-
chem Reitze.
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6 a) Allgemeine Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte, Artikel:
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/42>, abgerufen am 16.07.2024.
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