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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Pallast Farnese.
der durch Nachdenken und lange Uebung groß gewor-
den ist. Der Professor, und zwar der Professor in
den Theilen der Kunst, die mehr zur mahlerischen
Erfindung und zur Ausführung, als zur dichterischen
Erfindung gehören. Die Natur hatte ihm viel me-
chanisches Talent bei vielem Scharfsinn gegeben.
Hätte er Gefühl des Schönen und diejenige Einbil-
dungskraft besessen, die mit dem Herzen in genaue-
rem Verbande steht, er wäre der Größte der Künst-
ler geworden.

So leicht es ist, die drei Carracci von andern
Meistern zu unterscheiden, so schwer wird die Unter-
scheidung des Stils dieser drei Künstler unter einander
für ein ungeübtes Auge.

Stil des Lu-
dovico Car-
raccio,

Ludovico wird inzwischen an seiner dunkeln hefen-
artigen Farbe, an dem Mangel an Ausdruck und an
der schwerfälligen oft unrichtigen Zeichnung wieder er-
kannt. Er drappierte seine Figuren besser als sein
Vetter, und stellte sie wenigstens eben so gut, in
Rücksicht auf die mahlerische Würkung. Er mahlte
gern kleine Figuren auf Schiefer.

und des Ago-
stino Carrac-
cio.

Agostino war mehr Poet, und Kupferstecher,
als Mahler. Aber er hatte erhabenere Ideen als
sein Bruder und Oncle, und brachte mehr Ausdruck
in seine Gesichtsbildungen. In der Ausführung ist
er unter beiden.

Grund war-
um der Au-
tor auch in
der Folge
den Stil der
vorzüglich-

Ich hoffe leicht Entschuldigung dafür zu erhalten,
daß ich den Stil der vorzüglichsten Künstler bei Gele-
genheit ihrer hauptsächlichsten Werke kurz auseinander
setze. Mit dem Nahmen des Meisters weiß man
alsdann, auf welche Vorzüge man in seinen Wer-
ken zu achten, welche Fehler man zu übersehen hat.

Doch

Pallaſt Farneſe.
der durch Nachdenken und lange Uebung groß gewor-
den iſt. Der Profeſſor, und zwar der Profeſſor in
den Theilen der Kunſt, die mehr zur mahleriſchen
Erfindung und zur Ausfuͤhrung, als zur dichteriſchen
Erfindung gehoͤren. Die Natur hatte ihm viel me-
chaniſches Talent bei vielem Scharfſinn gegeben.
Haͤtte er Gefuͤhl des Schoͤnen und diejenige Einbil-
dungskraft beſeſſen, die mit dem Herzen in genaue-
rem Verbande ſteht, er waͤre der Groͤßte der Kuͤnſt-
ler geworden.

So leicht es iſt, die drei Carracci von andern
Meiſtern zu unterſcheiden, ſo ſchwer wird die Unter-
ſcheidung des Stils dieſer drei Kuͤnſtler unter einander
fuͤr ein ungeuͤbtes Auge.

Stil des Lu-
dovico Car-
raccio,

Ludovico wird inzwiſchen an ſeiner dunkeln hefen-
artigen Farbe, an dem Mangel an Ausdruck und an
der ſchwerfaͤlligen oft unrichtigen Zeichnung wieder er-
kannt. Er drappierte ſeine Figuren beſſer als ſein
Vetter, und ſtellte ſie wenigſtens eben ſo gut, in
Ruͤckſicht auf die mahleriſche Wuͤrkung. Er mahlte
gern kleine Figuren auf Schiefer.

und des Ago-
ſtino Carrac-
cio.

Agoſtino war mehr Poet, und Kupferſtecher,
als Mahler. Aber er hatte erhabenere Ideen als
ſein Bruder und Oncle, und brachte mehr Ausdruck
in ſeine Geſichtsbildungen. In der Ausfuͤhrung iſt
er unter beiden.

Grund war-
um der Au-
tor auch in
der Folge
den Stil der
vorzuͤglich-

Ich hoffe leicht Entſchuldigung dafuͤr zu erhalten,
daß ich den Stil der vorzuͤglichſten Kuͤnſtler bei Gele-
genheit ihrer hauptſaͤchlichſten Werke kurz auseinander
ſetze. Mit dem Nahmen des Meiſters weiß man
alsdann, auf welche Vorzuͤge man in ſeinen Wer-
ken zu achten, welche Fehler man zu uͤberſehen hat.

Doch
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[16/0038] Pallaſt Farneſe. der durch Nachdenken und lange Uebung groß gewor- den iſt. Der Profeſſor, und zwar der Profeſſor in den Theilen der Kunſt, die mehr zur mahleriſchen Erfindung und zur Ausfuͤhrung, als zur dichteriſchen Erfindung gehoͤren. Die Natur hatte ihm viel me- chaniſches Talent bei vielem Scharfſinn gegeben. Haͤtte er Gefuͤhl des Schoͤnen und diejenige Einbil- dungskraft beſeſſen, die mit dem Herzen in genaue- rem Verbande ſteht, er waͤre der Groͤßte der Kuͤnſt- ler geworden. So leicht es iſt, die drei Carracci von andern Meiſtern zu unterſcheiden, ſo ſchwer wird die Unter- ſcheidung des Stils dieſer drei Kuͤnſtler unter einander fuͤr ein ungeuͤbtes Auge. Ludovico wird inzwiſchen an ſeiner dunkeln hefen- artigen Farbe, an dem Mangel an Ausdruck und an der ſchwerfaͤlligen oft unrichtigen Zeichnung wieder er- kannt. Er drappierte ſeine Figuren beſſer als ſein Vetter, und ſtellte ſie wenigſtens eben ſo gut, in Ruͤckſicht auf die mahleriſche Wuͤrkung. Er mahlte gern kleine Figuren auf Schiefer. Agoſtino war mehr Poet, und Kupferſtecher, als Mahler. Aber er hatte erhabenere Ideen als ſein Bruder und Oncle, und brachte mehr Ausdruck in ſeine Geſichtsbildungen. In der Ausfuͤhrung iſt er unter beiden. Ich hoffe leicht Entſchuldigung dafuͤr zu erhalten, daß ich den Stil der vorzuͤglichſten Kuͤnſtler bei Gele- genheit ihrer hauptſaͤchlichſten Werke kurz auseinander ſetze. Mit dem Nahmen des Meiſters weiß man alsdann, auf welche Vorzuͤge man in ſeinen Wer- ken zu achten, welche Fehler man zu uͤberſehen hat. Doch

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/38>, abgerufen am 26.04.2024.