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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Villa Borghese.

Dieser Mann hat einen völlig ausgewachsenen
Körper, der durch Ausarbeitung schlank und fest ge-
worden ist. Ins Ideal ist er nicht gehoben, aber

die
führen Gelegenheit finden werde: Des Bildhauersbei der Wahl
eines Süjets
vorzüglich
Rücksicht
nimmt.

erste Rücksicht kann nicht auf Bedeutung, auf Aus-
druck, in Beziehung auf ein gewisses bestimmtes
Süjet aus der Geschichte gehen. Sie geht viel-
mehr auf die Wahl solcher Gegenstände, die ihm
Gelegenheit geben, seine Ideen von Schönheit sinn-
lich darzustellen, oder seine Kunst in der Nachbil-
dung des menschlichen Körperbaues -- für ihn ein
hohes Verdienst! -- zu zeigen.
Wenn wir dies gehörig in Erwägung ziehen, so
fühlen wir, daß der Künstler eben so gern einen
Gladiator habe darstellen können, daß man sogar
in den Zeiten des Enthusiasmus für die Fechterspiele,
einen Gladiator, den das Volk oft vor seinen Augen
hatte siegen sehen, eben so gern habe sehen wollen,
als irgend einen Helden, der sich in der Schlacht
auf eben die Art wie ein Gladiator, zum Angriff
oder zur Vertheidigung stellen mußte.
Wenn man nun ferner die größere Bequemlich-
keit hinzu nimmt, die der Künstler fand, im Circo
eine Idee zu einer ausgezeichneten Stellung zu samm-
len, als in der Schlacht; so gleicht man die Wahr-
scheinlichkeit der Benennung eines Fechters, mit der
eines Kriegers, bis zur Möglichkeit auf beiden Sei-
ten aus.
Und wenn es nun gar ein Nero, eine Faustina
gewesen wären, die dieses Werkzeug ihrer Unterhal-
tung hätten nachbilden lassen wollen?
Ich hoffe, man versteht mich nicht unrecht, wenn
ich sage: es ist möglich, daß unsere Statue einen
Fechter
X 5
Villa Borgheſe.

Dieſer Mann hat einen voͤllig ausgewachſenen
Koͤrper, der durch Ausarbeitung ſchlank und feſt ge-
worden iſt. Ins Ideal iſt er nicht gehoben, aber

die
fuͤhren Gelegenheit finden werde: Des Bildhauersbei der Wahl
eines Suͤjets
vorzuͤglich
Ruͤckſicht
nimmt.

erſte Ruͤckſicht kann nicht auf Bedeutung, auf Aus-
druck, in Beziehung auf ein gewiſſes beſtimmtes
Suͤjet aus der Geſchichte gehen. Sie geht viel-
mehr auf die Wahl ſolcher Gegenſtaͤnde, die ihm
Gelegenheit geben, ſeine Ideen von Schoͤnheit ſinn-
lich darzuſtellen, oder ſeine Kunſt in der Nachbil-
dung des menſchlichen Koͤrperbaues — fuͤr ihn ein
hohes Verdienſt! — zu zeigen.
Wenn wir dies gehoͤrig in Erwaͤgung ziehen, ſo
fuͤhlen wir, daß der Kuͤnſtler eben ſo gern einen
Gladiator habe darſtellen koͤnnen, daß man ſogar
in den Zeiten des Enthuſiasmus fuͤr die Fechterſpiele,
einen Gladiator, den das Volk oft vor ſeinen Augen
hatte ſiegen ſehen, eben ſo gern habe ſehen wollen,
als irgend einen Helden, der ſich in der Schlacht
auf eben die Art wie ein Gladiator, zum Angriff
oder zur Vertheidigung ſtellen mußte.
Wenn man nun ferner die groͤßere Bequemlich-
keit hinzu nimmt, die der Kuͤnſtler fand, im Circo
eine Idee zu einer ausgezeichneten Stellung zu ſamm-
len, als in der Schlacht; ſo gleicht man die Wahr-
ſcheinlichkeit der Benennung eines Fechters, mit der
eines Kriegers, bis zur Moͤglichkeit auf beiden Sei-
ten aus.
Und wenn es nun gar ein Nero, eine Fauſtina
geweſen waͤren, die dieſes Werkzeug ihrer Unterhal-
tung haͤtten nachbilden laſſen wollen?
Ich hoffe, man verſteht mich nicht unrecht, wenn
ich ſage: es iſt moͤglich, daß unſere Statue einen
Fechter
X 5
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[329/0351] Villa Borgheſe. Dieſer Mann hat einen voͤllig ausgewachſenen Koͤrper, der durch Ausarbeitung ſchlank und feſt ge- worden iſt. Ins Ideal iſt er nicht gehoben, aber die 17) 17) fuͤhren Gelegenheit finden werde: Des Bildhauers erſte Ruͤckſicht kann nicht auf Bedeutung, auf Aus- druck, in Beziehung auf ein gewiſſes beſtimmtes Suͤjet aus der Geſchichte gehen. Sie geht viel- mehr auf die Wahl ſolcher Gegenſtaͤnde, die ihm Gelegenheit geben, ſeine Ideen von Schoͤnheit ſinn- lich darzuſtellen, oder ſeine Kunſt in der Nachbil- dung des menſchlichen Koͤrperbaues — fuͤr ihn ein hohes Verdienſt! — zu zeigen. Wenn wir dies gehoͤrig in Erwaͤgung ziehen, ſo fuͤhlen wir, daß der Kuͤnſtler eben ſo gern einen Gladiator habe darſtellen koͤnnen, daß man ſogar in den Zeiten des Enthuſiasmus fuͤr die Fechterſpiele, einen Gladiator, den das Volk oft vor ſeinen Augen hatte ſiegen ſehen, eben ſo gern habe ſehen wollen, als irgend einen Helden, der ſich in der Schlacht auf eben die Art wie ein Gladiator, zum Angriff oder zur Vertheidigung ſtellen mußte. Wenn man nun ferner die groͤßere Bequemlich- keit hinzu nimmt, die der Kuͤnſtler fand, im Circo eine Idee zu einer ausgezeichneten Stellung zu ſamm- len, als in der Schlacht; ſo gleicht man die Wahr- ſcheinlichkeit der Benennung eines Fechters, mit der eines Kriegers, bis zur Moͤglichkeit auf beiden Sei- ten aus. Und wenn es nun gar ein Nero, eine Fauſtina geweſen waͤren, die dieſes Werkzeug ihrer Unterhal- tung haͤtten nachbilden laſſen wollen? Ich hoffe, man verſteht mich nicht unrecht, wenn ich ſage: es iſt moͤglich, daß unſere Statue einen Fechter X 5

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/351>, abgerufen am 28.04.2024.