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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Pallast Farnese.

Alle drei Carracci waren Stifter einer Schule zuStil der
Carracci
vorzüglich
des Anniba-
le.

Bologna, in der sie den guten Geschmack, der zu
ihrer Zeit schon verlohren gegangen war, wieder her-
stellten: in der sie den Grundsatz lehrten, durch den
sie, und viele ihrer Schüler nach ihnen groß geworden
sind: ahmet die Natur nach, verbessert sie durch das
Studium der Antike, und der besten unter den neuern
Meistern. Von diesen waren Pellegrini il Tibaldo,
Paolo Veronese, und vorzüglich Correggio ihre Lieb-
lingsmuster.

Die Carracci waren unter den Mahlern, was
die Eclectiker unter den Philosophen. Sie suchten
die Vorzüge der verschiedenen Schulen, alle diejeni-
gen Vollkommenheiten in sich zu vereinigen, die man
vielleicht nur in dem Ideale des Mahlers vereinigt
denken kann.

Ich kenne dies und jenes Bild des Annibale, das
in keinem Theile der Kunst etwas zu wünschen übrig
läßt. Allein in demjenigen, den man in der Kunst-
sprache unter dem Nahmen, dichterische Erfindung
kennt, ist er sich selbst zu ungleich, als daß man ihm
einen gegründeten Anspruch darauf einräumen könnte.

Die Erfindsamkeit des Mahlers geht nicht aufNöthige Er-
klärung des
Worts: Er-
findung, in
der Mahle-
rei, um dar-
nach das
Verdienst
des Annibale
in Ansehung
dieses Theils

Neuheit des Vorwurfs; er bleibt gern in dem Be-
zirke weniger ihm und dem Publico geläufig geworde-
ner Ideen. Wenn man von Erfindung in der Mah-
lerei spricht, so denket man nie an Hervorbringung
eines neuen dem Zuschauer unbekannten Vorwurfs,
sondern an Erfindung einzelner Theile, wodurch ein
bekannter Gegenstand auf eine neue Art zusammen ge-
setzt wird. Inzwischen braucht der Gegenstand nicht
schon die bildenden Künste beschäfftiget zu haben um

bekannt
Pallaſt Farneſe.

Alle drei Carracci waren Stifter einer Schule zuStil der
Carracci
vorzuͤglich
des Anniba-
le.

Bologna, in der ſie den guten Geſchmack, der zu
ihrer Zeit ſchon verlohren gegangen war, wieder her-
ſtellten: in der ſie den Grundſatz lehrten, durch den
ſie, und viele ihrer Schuͤler nach ihnen groß geworden
ſind: ahmet die Natur nach, verbeſſert ſie durch das
Studium der Antike, und der beſten unter den neuern
Meiſtern. Von dieſen waren Pellegrini il Tibaldo,
Paolo Veroneſe, und vorzuͤglich Correggio ihre Lieb-
lingsmuſter.

Die Carracci waren unter den Mahlern, was
die Eclectiker unter den Philoſophen. Sie ſuchten
die Vorzuͤge der verſchiedenen Schulen, alle diejeni-
gen Vollkommenheiten in ſich zu vereinigen, die man
vielleicht nur in dem Ideale des Mahlers vereinigt
denken kann.

Ich kenne dies und jenes Bild des Annibale, das
in keinem Theile der Kunſt etwas zu wuͤnſchen uͤbrig
laͤßt. Allein in demjenigen, den man in der Kunſt-
ſprache unter dem Nahmen, dichteriſche Erfindung
kennt, iſt er ſich ſelbſt zu ungleich, als daß man ihm
einen gegruͤndeten Anſpruch darauf einraͤumen koͤnnte.

Die Erfindſamkeit des Mahlers geht nicht aufNoͤthige Er-
klaͤrung des
Worts: Er-
findung, in
der Mahle-
rei, um dar-
nach das
Verdienſt
des Annibale
in Anſehung
dieſes Theils

Neuheit des Vorwurfs; er bleibt gern in dem Be-
zirke weniger ihm und dem Publico gelaͤufig geworde-
ner Ideen. Wenn man von Erfindung in der Mah-
lerei ſpricht, ſo denket man nie an Hervorbringung
eines neuen dem Zuſchauer unbekannten Vorwurfs,
ſondern an Erfindung einzelner Theile, wodurch ein
bekannter Gegenſtand auf eine neue Art zuſammen ge-
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ſchon die bildenden Kuͤnſte beſchaͤfftiget zu haben um

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[13/0035] Pallaſt Farneſe. Alle drei Carracci waren Stifter einer Schule zu Bologna, in der ſie den guten Geſchmack, der zu ihrer Zeit ſchon verlohren gegangen war, wieder her- ſtellten: in der ſie den Grundſatz lehrten, durch den ſie, und viele ihrer Schuͤler nach ihnen groß geworden ſind: ahmet die Natur nach, verbeſſert ſie durch das Studium der Antike, und der beſten unter den neuern Meiſtern. Von dieſen waren Pellegrini il Tibaldo, Paolo Veroneſe, und vorzuͤglich Correggio ihre Lieb- lingsmuſter. Stil der Carracci vorzuͤglich des Anniba- le. Die Carracci waren unter den Mahlern, was die Eclectiker unter den Philoſophen. Sie ſuchten die Vorzuͤge der verſchiedenen Schulen, alle diejeni- gen Vollkommenheiten in ſich zu vereinigen, die man vielleicht nur in dem Ideale des Mahlers vereinigt denken kann. Ich kenne dies und jenes Bild des Annibale, das in keinem Theile der Kunſt etwas zu wuͤnſchen uͤbrig laͤßt. Allein in demjenigen, den man in der Kunſt- ſprache unter dem Nahmen, dichteriſche Erfindung kennt, iſt er ſich ſelbſt zu ungleich, als daß man ihm einen gegruͤndeten Anſpruch darauf einraͤumen koͤnnte. Die Erfindſamkeit des Mahlers geht nicht auf Neuheit des Vorwurfs; er bleibt gern in dem Be- zirke weniger ihm und dem Publico gelaͤufig geworde- ner Ideen. Wenn man von Erfindung in der Mah- lerei ſpricht, ſo denket man nie an Hervorbringung eines neuen dem Zuſchauer unbekannten Vorwurfs, ſondern an Erfindung einzelner Theile, wodurch ein bekannter Gegenſtand auf eine neue Art zuſammen ge- ſetzt wird. Inzwiſchen braucht der Gegenſtand nicht ſchon die bildenden Kuͤnſte beſchaͤfftiget zu haben um bekannt Noͤthige Er- klaͤrung des Worts: Er- findung, in der Mahle- rei, um dar- nach das Verdienſt des Annibale in Anſehung dieſes Theils

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/35>, abgerufen am 25.04.2024.