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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
Aber einem so fruchtbaren und scharfsichtigen Kopfe
wie Raphael, kam es zu, eben durch die Darstellung
des Streits über das Sacrament sich auf die Behand-
lung eines ähnlichen Gegenstandes vorzubereiten, und
indem seine Hand an Festigkeit, sein Geist an Deut-
lichkeit und Klarheit der Ideen gewann, zu gleicher
Zeit eine Menge neuer Erfahrungen zu sammeln,
durch deren Anwendung die Schule von Athen, in
Rücksicht auf Mannichfaltigkeit und Wahrheit, ein
Meisterstück des Ausdrucks wurde.

Der Cardinal Bembo hat wahrscheinlich Ra-
phaeln den Gedanken dieses Gemähldes an die Hand
gegeben. Dies benimmt dem Künstler nichts von
seinem Verdienste. Er hat dies mit einem Sha-
kespear und mit vielen andern großen Genies gemein,
daß sie zuweilen den Stoff zu ihren Werken entlehn-
ten. Er ward darum nicht weniger ihr Eigenthum
durch die Art wie sie ihn bearbeiteten.

Der Grund dieses Gemähldes, der Ort, an dem
die Handlung vorgeht, ist ein Gebäude von simpler
aber edler Architektur; die Statuen des Apollo und
der Minerva bezeichnen ihn als den Ort, wo Weis-
heit und Wissenschaft gelehrt wird.

Die Nahmen der Personen, die ihn anfüllen,
beruhen zwar nur auf ungewissen Traditionen. In-
zwischen will ich mich hier derselben bedienen, weil
sie genauer bezeichnen.

Oben an gegen die Oeffnung des Haupteingan-
ges zu, so daß ihre Figuren durch den blauen Hori-
zont gehoben werden, stehen Plato und Aristoteles

als
L 2

Der Vaticaniſche Pallaſt.
Aber einem ſo fruchtbaren und ſcharfſichtigen Kopfe
wie Raphael, kam es zu, eben durch die Darſtellung
des Streits uͤber das Sacrament ſich auf die Behand-
lung eines aͤhnlichen Gegenſtandes vorzubereiten, und
indem ſeine Hand an Feſtigkeit, ſein Geiſt an Deut-
lichkeit und Klarheit der Ideen gewann, zu gleicher
Zeit eine Menge neuer Erfahrungen zu ſammeln,
durch deren Anwendung die Schule von Athen, in
Ruͤckſicht auf Mannichfaltigkeit und Wahrheit, ein
Meiſterſtuͤck des Ausdrucks wurde.

Der Cardinal Bembo hat wahrſcheinlich Ra-
phaeln den Gedanken dieſes Gemaͤhldes an die Hand
gegeben. Dies benimmt dem Kuͤnſtler nichts von
ſeinem Verdienſte. Er hat dies mit einem Sha-
keſpear und mit vielen andern großen Genies gemein,
daß ſie zuweilen den Stoff zu ihren Werken entlehn-
ten. Er ward darum nicht weniger ihr Eigenthum
durch die Art wie ſie ihn bearbeiteten.

Der Grund dieſes Gemaͤhldes, der Ort, an dem
die Handlung vorgeht, iſt ein Gebaͤude von ſimpler
aber edler Architektur; die Statuen des Apollo und
der Minerva bezeichnen ihn als den Ort, wo Weis-
heit und Wiſſenſchaft gelehrt wird.

Die Nahmen der Perſonen, die ihn anfuͤllen,
beruhen zwar nur auf ungewiſſen Traditionen. In-
zwiſchen will ich mich hier derſelben bedienen, weil
ſie genauer bezeichnen.

Oben an gegen die Oeffnung des Haupteingan-
ges zu, ſo daß ihre Figuren durch den blauen Hori-
zont gehoben werden, ſtehen Plato und Ariſtoteles

als
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[163/0185] Der Vaticaniſche Pallaſt. Aber einem ſo fruchtbaren und ſcharfſichtigen Kopfe wie Raphael, kam es zu, eben durch die Darſtellung des Streits uͤber das Sacrament ſich auf die Behand- lung eines aͤhnlichen Gegenſtandes vorzubereiten, und indem ſeine Hand an Feſtigkeit, ſein Geiſt an Deut- lichkeit und Klarheit der Ideen gewann, zu gleicher Zeit eine Menge neuer Erfahrungen zu ſammeln, durch deren Anwendung die Schule von Athen, in Ruͤckſicht auf Mannichfaltigkeit und Wahrheit, ein Meiſterſtuͤck des Ausdrucks wurde. Der Cardinal Bembo hat wahrſcheinlich Ra- phaeln den Gedanken dieſes Gemaͤhldes an die Hand gegeben. Dies benimmt dem Kuͤnſtler nichts von ſeinem Verdienſte. Er hat dies mit einem Sha- keſpear und mit vielen andern großen Genies gemein, daß ſie zuweilen den Stoff zu ihren Werken entlehn- ten. Er ward darum nicht weniger ihr Eigenthum durch die Art wie ſie ihn bearbeiteten. Der Grund dieſes Gemaͤhldes, der Ort, an dem die Handlung vorgeht, iſt ein Gebaͤude von ſimpler aber edler Architektur; die Statuen des Apollo und der Minerva bezeichnen ihn als den Ort, wo Weis- heit und Wiſſenſchaft gelehrt wird. Die Nahmen der Perſonen, die ihn anfuͤllen, beruhen zwar nur auf ungewiſſen Traditionen. In- zwiſchen will ich mich hier derſelben bedienen, weil ſie genauer bezeichnen. Oben an gegen die Oeffnung des Haupteingan- ges zu, ſo daß ihre Figuren durch den blauen Hori- zont gehoben werden, ſtehen Plato und Ariſtoteles als L 2

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/185>, abgerufen am 06.05.2024.