Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Vaticanische Pallast.
der Seligen vor; Engel und Seraphims umschwe-
ben sie.

Ich will die Anordnung nicht als Beispiel em-
pfehlen. Die neben einander gereiheten Personen
sehen einem Cirkel in einer römischen Conversazione
nicht unähnlich. Wenn man aber die Figuren einzeln
betrachtet, so wird man große Schönheiten finden.

Der untere Theil ist viel besser angeordnet. In
der Mitte sieht man den Altar, auf dem der Kelch und
die Hostie ausgestellt stehen, die die Veranlassung zu
dem Streite unter den rund herum versammleten Kir-
chenvätern geben, und sogleich auf das Verständniß
des Ganzen führen.

Linker Hand sieht man den heil. Hieronymus und
den heiligen Gregorius, Köpfe voller Charakter,
Das Pfäffchen hart am Altare, das mit gefalteten
Händen nachbetet, ist von unvergleichlichem Aus-
drucke.

Hinter diesen kommen zwei sehr schön geordnete
Gruppen, in deren letzterer man den Bramante sieht,
der aus einem Buche, welches er hält, die Auflösung
des ganzen Geheimnisses gefunden zu haben scheint.
Man übergehe nicht die Figur, die dem Ansehen nach
den Streit nur auf einen Augenblick verlassen hat,
eiligst die vom Bramante aufgeschlagene Stelle ein-
sieht, und nun mit Fingern, die schon zur Demon-
stration aufgehoben sind, mit neuen Gründen bewaff-
net, wieder forteilet. Der Jüngling neben dem
Bramante ist eine der schönsten Figuren des Bildes.

Linker

Der Vaticaniſche Pallaſt.
der Seligen vor; Engel und Seraphims umſchwe-
ben ſie.

Ich will die Anordnung nicht als Beiſpiel em-
pfehlen. Die neben einander gereiheten Perſonen
ſehen einem Cirkel in einer roͤmiſchen Converſazione
nicht unaͤhnlich. Wenn man aber die Figuren einzeln
betrachtet, ſo wird man große Schoͤnheiten finden.

Der untere Theil iſt viel beſſer angeordnet. In
der Mitte ſieht man den Altar, auf dem der Kelch und
die Hoſtie ausgeſtellt ſtehen, die die Veranlaſſung zu
dem Streite unter den rund herum verſammleten Kir-
chenvaͤtern geben, und ſogleich auf das Verſtaͤndniß
des Ganzen fuͤhren.

Linker Hand ſieht man den heil. Hieronymus und
den heiligen Gregorius, Koͤpfe voller Charakter,
Das Pfaͤffchen hart am Altare, das mit gefalteten
Haͤnden nachbetet, iſt von unvergleichlichem Aus-
drucke.

Hinter dieſen kommen zwei ſehr ſchoͤn geordnete
Gruppen, in deren letzterer man den Bramante ſieht,
der aus einem Buche, welches er haͤlt, die Aufloͤſung
des ganzen Geheimniſſes gefunden zu haben ſcheint.
Man uͤbergehe nicht die Figur, die dem Anſehen nach
den Streit nur auf einen Augenblick verlaſſen hat,
eiligſt die vom Bramante aufgeſchlagene Stelle ein-
ſieht, und nun mit Fingern, die ſchon zur Demon-
ſtration aufgehoben ſind, mit neuen Gruͤnden bewaff-
net, wieder forteilet. Der Juͤngling neben dem
Bramante iſt eine der ſchoͤnſten Figuren des Bildes.

Linker
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0182" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Vaticani&#x017F;che Palla&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
der Seligen vor; Engel und Seraphims um&#x017F;chwe-<lb/>
ben &#x017F;ie.</p><lb/>
              <p>Ich will die Anordnung nicht als Bei&#x017F;piel em-<lb/>
pfehlen. Die neben einander gereiheten Per&#x017F;onen<lb/>
&#x017F;ehen einem Cirkel in einer ro&#x0364;mi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Conver&#x017F;azione</hi><lb/>
nicht una&#x0364;hnlich. Wenn man aber die Figuren einzeln<lb/>
betrachtet, &#x017F;o wird man große Scho&#x0364;nheiten finden.</p><lb/>
              <p>Der untere Theil i&#x017F;t viel be&#x017F;&#x017F;er angeordnet. In<lb/>
der Mitte &#x017F;ieht man den Altar, auf dem der Kelch und<lb/>
die Ho&#x017F;tie ausge&#x017F;tellt &#x017F;tehen, die die Veranla&#x017F;&#x017F;ung zu<lb/>
dem Streite unter den rund herum ver&#x017F;ammleten Kir-<lb/>
chenva&#x0364;tern geben, und &#x017F;ogleich auf das Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß<lb/>
des Ganzen fu&#x0364;hren.</p><lb/>
              <p>Linker Hand &#x017F;ieht man den heil. Hieronymus und<lb/>
den heiligen Gregorius, Ko&#x0364;pfe voller Charakter,<lb/><hi rendition="#fr">Das Pfa&#x0364;ffchen</hi> hart am Altare, das mit gefalteten<lb/>
Ha&#x0364;nden nachbetet, i&#x017F;t von unvergleichlichem Aus-<lb/>
drucke.</p><lb/>
              <p>Hinter die&#x017F;en kommen zwei &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n geordnete<lb/>
Gruppen, in deren letzterer man den Bramante &#x017F;ieht,<lb/>
der aus einem Buche, welches er ha&#x0364;lt, die Auflo&#x0364;&#x017F;ung<lb/>
des ganzen Geheimni&#x017F;&#x017F;es gefunden zu haben &#x017F;cheint.<lb/>
Man u&#x0364;bergehe nicht die Figur, die dem An&#x017F;ehen nach<lb/>
den Streit nur auf einen Augenblick verla&#x017F;&#x017F;en hat,<lb/>
eilig&#x017F;t die vom Bramante aufge&#x017F;chlagene Stelle ein-<lb/>
&#x017F;ieht, und nun mit Fingern, die &#x017F;chon zur Demon-<lb/>
&#x017F;tration aufgehoben &#x017F;ind, mit neuen Gru&#x0364;nden bewaff-<lb/>
net, wieder forteilet. Der Ju&#x0364;ngling neben dem<lb/>
Bramante i&#x017F;t eine der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Figuren des Bildes.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Linker</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0182] Der Vaticaniſche Pallaſt. der Seligen vor; Engel und Seraphims umſchwe- ben ſie. Ich will die Anordnung nicht als Beiſpiel em- pfehlen. Die neben einander gereiheten Perſonen ſehen einem Cirkel in einer roͤmiſchen Converſazione nicht unaͤhnlich. Wenn man aber die Figuren einzeln betrachtet, ſo wird man große Schoͤnheiten finden. Der untere Theil iſt viel beſſer angeordnet. In der Mitte ſieht man den Altar, auf dem der Kelch und die Hoſtie ausgeſtellt ſtehen, die die Veranlaſſung zu dem Streite unter den rund herum verſammleten Kir- chenvaͤtern geben, und ſogleich auf das Verſtaͤndniß des Ganzen fuͤhren. Linker Hand ſieht man den heil. Hieronymus und den heiligen Gregorius, Koͤpfe voller Charakter, Das Pfaͤffchen hart am Altare, das mit gefalteten Haͤnden nachbetet, iſt von unvergleichlichem Aus- drucke. Hinter dieſen kommen zwei ſehr ſchoͤn geordnete Gruppen, in deren letzterer man den Bramante ſieht, der aus einem Buche, welches er haͤlt, die Aufloͤſung des ganzen Geheimniſſes gefunden zu haben ſcheint. Man uͤbergehe nicht die Figur, die dem Anſehen nach den Streit nur auf einen Augenblick verlaſſen hat, eiligſt die vom Bramante aufgeſchlagene Stelle ein- ſieht, und nun mit Fingern, die ſchon zur Demon- ſtration aufgehoben ſind, mit neuen Gruͤnden bewaff- net, wieder forteilet. Der Juͤngling neben dem Bramante iſt eine der ſchoͤnſten Figuren des Bildes. Linker

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/182
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/182>, abgerufen am 06.05.2024.