Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Abhandlung von Sprüchwörtern.
seinen verdächtigen Nächsten als einen Delinqven-
ten anzusehen, welcher eher nicht verdammt wer-
den darf, bis er seiner Unredlichkeit überführt ist;
noch mehr, bis sein eignes Geständniß da ist, daß
er ein Schelm sey. Dieses ist der Grund, wor-
auf ich den ganzen Bau meines Beweises setze,
und mich dünkt, er ist fest genug.

Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be-
trügereyen vor Gerichte gestehen, und weil sie so
thöricht sind, so werden sie andern zum Exempel
bestraft. Wie viele Männer werden künftig, viel-
leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche
Männer gelten, da ich nicht zulasse, daß jemand
ein Schelm sey, der es nicht selbst gesteht; und ich
wollte fast wetten, daß nicht ein einziger unter ih-
nen so treuherzig seyn werde, dieses zu gestehen.

Wenn meine Leser von dieser großen Wahr-
heit überzeugt sind, wie ich hoffe, daß sie es durch
einen so klaren Beweis nunmehr seyn werden: so
können sie sich sicher in die große Welt wagen,
ohne zu befürchten, daß ihnen ein Schelm begeg-
nen werde. Jch verspreche mir eine ansehnliche
Belohnung für diese Entdeckung, da ich mich ei-
ner unzähligen Menge Männer annehme, deren
Redlichkeit bisher ziemlich verdächtig gewesen ist.
Sie dürfen sich nur hüten zu gestehen, daß sie
Betrüger sind, so wird es ihnen nichts schaden,
wenn sie auch ihrer Betrügereyen sonnenklar über-
führt wären.

Jch

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſeinen verdaͤchtigen Naͤchſten als einen Delinqven-
ten anzuſehen, welcher eher nicht verdammt wer-
den darf, bis er ſeiner Unredlichkeit uͤberfuͤhrt iſt;
noch mehr, bis ſein eignes Geſtaͤndniß da iſt, daß
er ein Schelm ſey. Dieſes iſt der Grund, wor-
auf ich den ganzen Bau meines Beweiſes ſetze,
und mich duͤnkt, er iſt feſt genug.

Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be-
truͤgereyen vor Gerichte geſtehen, und weil ſie ſo
thoͤricht ſind, ſo werden ſie andern zum Exempel
beſtraft. Wie viele Maͤnner werden kuͤnftig, viel-
leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche
Maͤnner gelten, da ich nicht zulaſſe, daß jemand
ein Schelm ſey, der es nicht ſelbſt geſteht; und ich
wollte faſt wetten, daß nicht ein einziger unter ih-
nen ſo treuherzig ſeyn werde, dieſes zu geſtehen.

Wenn meine Leſer von dieſer großen Wahr-
heit uͤberzeugt ſind, wie ich hoffe, daß ſie es durch
einen ſo klaren Beweis nunmehr ſeyn werden: ſo
koͤnnen ſie ſich ſicher in die große Welt wagen,
ohne zu befuͤrchten, daß ihnen ein Schelm begeg-
nen werde. Jch verſpreche mir eine anſehnliche
Belohnung fuͤr dieſe Entdeckung, da ich mich ei-
ner unzaͤhligen Menge Maͤnner annehme, deren
Redlichkeit bisher ziemlich verdaͤchtig geweſen iſt.
Sie duͤrfen ſich nur huͤten zu geſtehen, daß ſie
Betruͤger ſind, ſo wird es ihnen nichts ſchaden,
wenn ſie auch ihrer Betruͤgereyen ſonnenklar uͤber-
fuͤhrt waͤren.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abhandlung von Spru&#x0364;chwo&#x0364;rtern.</hi></fw><lb/>
&#x017F;einen verda&#x0364;chtigen Na&#x0364;ch&#x017F;ten als einen Delinqven-<lb/>
ten anzu&#x017F;ehen, welcher eher nicht verdammt wer-<lb/>
den darf, bis er &#x017F;einer Unredlichkeit u&#x0364;berfu&#x0364;hrt i&#x017F;t;<lb/>
noch mehr, bis &#x017F;ein eignes Ge&#x017F;ta&#x0364;ndniß da i&#x017F;t, daß<lb/>
er ein Schelm &#x017F;ey. Die&#x017F;es i&#x017F;t der Grund, wor-<lb/>
auf ich den ganzen Bau meines Bewei&#x017F;es &#x017F;etze,<lb/>
und mich du&#x0364;nkt, er i&#x017F;t fe&#x017F;t genug.</p><lb/>
          <p>Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be-<lb/>
tru&#x0364;gereyen vor Gerichte ge&#x017F;tehen, und weil &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
tho&#x0364;richt &#x017F;ind, &#x017F;o werden &#x017F;ie andern zum Exempel<lb/>
be&#x017F;traft. Wie viele Ma&#x0364;nner werden ku&#x0364;nftig, viel-<lb/>
leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche<lb/>
Ma&#x0364;nner gelten, da ich nicht zula&#x017F;&#x017F;e, daß jemand<lb/>
ein Schelm &#x017F;ey, der es nicht &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;teht; und ich<lb/>
wollte fa&#x017F;t wetten, daß nicht ein einziger unter ih-<lb/>
nen &#x017F;o treuherzig &#x017F;eyn werde, die&#x017F;es zu ge&#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Wenn meine Le&#x017F;er von die&#x017F;er großen Wahr-<lb/>
heit u&#x0364;berzeugt &#x017F;ind, wie ich hoffe, daß &#x017F;ie es durch<lb/>
einen &#x017F;o klaren Beweis nunmehr &#x017F;eyn werden: &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnen &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;icher in die große Welt wagen,<lb/>
ohne zu befu&#x0364;rchten, daß ihnen ein Schelm begeg-<lb/>
nen werde. Jch ver&#x017F;preche mir eine an&#x017F;ehnliche<lb/>
Belohnung fu&#x0364;r die&#x017F;e Entdeckung, da ich mich ei-<lb/>
ner unza&#x0364;hligen Menge Ma&#x0364;nner annehme, deren<lb/>
Redlichkeit bisher ziemlich verda&#x0364;chtig gewe&#x017F;en i&#x017F;t.<lb/>
Sie du&#x0364;rfen &#x017F;ich nur hu&#x0364;ten zu ge&#x017F;tehen, daß &#x017F;ie<lb/>
Betru&#x0364;ger &#x017F;ind, &#x017F;o wird es ihnen nichts &#x017F;chaden,<lb/>
wenn &#x017F;ie auch ihrer Betru&#x0364;gereyen &#x017F;onnenklar u&#x0364;ber-<lb/>
fu&#x0364;hrt wa&#x0364;ren.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0097] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ſeinen verdaͤchtigen Naͤchſten als einen Delinqven- ten anzuſehen, welcher eher nicht verdammt wer- den darf, bis er ſeiner Unredlichkeit uͤberfuͤhrt iſt; noch mehr, bis ſein eignes Geſtaͤndniß da iſt, daß er ein Schelm ſey. Dieſes iſt der Grund, wor- auf ich den ganzen Bau meines Beweiſes ſetze, und mich duͤnkt, er iſt feſt genug. Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be- truͤgereyen vor Gerichte geſtehen, und weil ſie ſo thoͤricht ſind, ſo werden ſie andern zum Exempel beſtraft. Wie viele Maͤnner werden kuͤnftig, viel- leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche Maͤnner gelten, da ich nicht zulaſſe, daß jemand ein Schelm ſey, der es nicht ſelbſt geſteht; und ich wollte faſt wetten, daß nicht ein einziger unter ih- nen ſo treuherzig ſeyn werde, dieſes zu geſtehen. Wenn meine Leſer von dieſer großen Wahr- heit uͤberzeugt ſind, wie ich hoffe, daß ſie es durch einen ſo klaren Beweis nunmehr ſeyn werden: ſo koͤnnen ſie ſich ſicher in die große Welt wagen, ohne zu befuͤrchten, daß ihnen ein Schelm begeg- nen werde. Jch verſpreche mir eine anſehnliche Belohnung fuͤr dieſe Entdeckung, da ich mich ei- ner unzaͤhligen Menge Maͤnner annehme, deren Redlichkeit bisher ziemlich verdaͤchtig geweſen iſt. Sie duͤrfen ſich nur huͤten zu geſtehen, daß ſie Betruͤger ſind, ſo wird es ihnen nichts ſchaden, wenn ſie auch ihrer Betruͤgereyen ſonnenklar uͤber- fuͤhrt waͤren. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/97
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/97>, abgerufen am 02.05.2024.