seinen verdächtigen Nächsten als einen Delinqven- ten anzusehen, welcher eher nicht verdammt wer- den darf, bis er seiner Unredlichkeit überführt ist; noch mehr, bis sein eignes Geständniß da ist, daß er ein Schelm sey. Dieses ist der Grund, wor- auf ich den ganzen Bau meines Beweises setze, und mich dünkt, er ist fest genug.
Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be- trügereyen vor Gerichte gestehen, und weil sie so thöricht sind, so werden sie andern zum Exempel bestraft. Wie viele Männer werden künftig, viel- leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche Männer gelten, da ich nicht zulasse, daß jemand ein Schelm sey, der es nicht selbst gesteht; und ich wollte fast wetten, daß nicht ein einziger unter ih- nen so treuherzig seyn werde, dieses zu gestehen.
Wenn meine Leser von dieser großen Wahr- heit überzeugt sind, wie ich hoffe, daß sie es durch einen so klaren Beweis nunmehr seyn werden: so können sie sich sicher in die große Welt wagen, ohne zu befürchten, daß ihnen ein Schelm begeg- nen werde. Jch verspreche mir eine ansehnliche Belohnung für diese Entdeckung, da ich mich ei- ner unzähligen Menge Männer annehme, deren Redlichkeit bisher ziemlich verdächtig gewesen ist. Sie dürfen sich nur hüten zu gestehen, daß sie Betrüger sind, so wird es ihnen nichts schaden, wenn sie auch ihrer Betrügereyen sonnenklar über- führt wären.
Jch
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſeinen verdaͤchtigen Naͤchſten als einen Delinqven- ten anzuſehen, welcher eher nicht verdammt wer- den darf, bis er ſeiner Unredlichkeit uͤberfuͤhrt iſt; noch mehr, bis ſein eignes Geſtaͤndniß da iſt, daß er ein Schelm ſey. Dieſes iſt der Grund, wor- auf ich den ganzen Bau meines Beweiſes ſetze, und mich duͤnkt, er iſt feſt genug.
Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be- truͤgereyen vor Gerichte geſtehen, und weil ſie ſo thoͤricht ſind, ſo werden ſie andern zum Exempel beſtraft. Wie viele Maͤnner werden kuͤnftig, viel- leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche Maͤnner gelten, da ich nicht zulaſſe, daß jemand ein Schelm ſey, der es nicht ſelbſt geſteht; und ich wollte faſt wetten, daß nicht ein einziger unter ih- nen ſo treuherzig ſeyn werde, dieſes zu geſtehen.
Wenn meine Leſer von dieſer großen Wahr- heit uͤberzeugt ſind, wie ich hoffe, daß ſie es durch einen ſo klaren Beweis nunmehr ſeyn werden: ſo koͤnnen ſie ſich ſicher in die große Welt wagen, ohne zu befuͤrchten, daß ihnen ein Schelm begeg- nen werde. Jch verſpreche mir eine anſehnliche Belohnung fuͤr dieſe Entdeckung, da ich mich ei- ner unzaͤhligen Menge Maͤnner annehme, deren Redlichkeit bisher ziemlich verdaͤchtig geweſen iſt. Sie duͤrfen ſich nur huͤten zu geſtehen, daß ſie Betruͤger ſind, ſo wird es ihnen nichts ſchaden, wenn ſie auch ihrer Betruͤgereyen ſonnenklar uͤber- fuͤhrt waͤren.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0097"n="75"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.</hi></fw><lb/>ſeinen verdaͤchtigen Naͤchſten als einen Delinqven-<lb/>
ten anzuſehen, welcher eher nicht verdammt wer-<lb/>
den darf, bis er ſeiner Unredlichkeit uͤberfuͤhrt iſt;<lb/>
noch mehr, bis ſein eignes Geſtaͤndniß da iſt, daß<lb/>
er ein Schelm ſey. Dieſes iſt der Grund, wor-<lb/>
auf ich den ganzen Bau meines Beweiſes ſetze,<lb/>
und mich duͤnkt, er iſt feſt genug.</p><lb/><p>Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be-<lb/>
truͤgereyen vor Gerichte geſtehen, und weil ſie ſo<lb/>
thoͤricht ſind, ſo werden ſie andern zum Exempel<lb/>
beſtraft. Wie viele Maͤnner werden kuͤnftig, viel-<lb/>
leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche<lb/>
Maͤnner gelten, da ich nicht zulaſſe, daß jemand<lb/>
ein Schelm ſey, der es nicht ſelbſt geſteht; und ich<lb/>
wollte faſt wetten, daß nicht ein einziger unter ih-<lb/>
nen ſo treuherzig ſeyn werde, dieſes zu geſtehen.</p><lb/><p>Wenn meine Leſer von dieſer großen Wahr-<lb/>
heit uͤberzeugt ſind, wie ich hoffe, daß ſie es durch<lb/>
einen ſo klaren Beweis nunmehr ſeyn werden: ſo<lb/>
koͤnnen ſie ſich ſicher in die große Welt wagen,<lb/>
ohne zu befuͤrchten, daß ihnen ein Schelm begeg-<lb/>
nen werde. Jch verſpreche mir eine anſehnliche<lb/>
Belohnung fuͤr dieſe Entdeckung, da ich mich ei-<lb/>
ner unzaͤhligen Menge Maͤnner annehme, deren<lb/>
Redlichkeit bisher ziemlich verdaͤchtig geweſen iſt.<lb/>
Sie duͤrfen ſich nur huͤten zu geſtehen, daß ſie<lb/>
Betruͤger ſind, ſo wird es ihnen nichts ſchaden,<lb/>
wenn ſie auch ihrer Betruͤgereyen ſonnenklar uͤber-<lb/>
fuͤhrt waͤren.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[75/0097]
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſeinen verdaͤchtigen Naͤchſten als einen Delinqven-
ten anzuſehen, welcher eher nicht verdammt wer-
den darf, bis er ſeiner Unredlichkeit uͤberfuͤhrt iſt;
noch mehr, bis ſein eignes Geſtaͤndniß da iſt, daß
er ein Schelm ſey. Dieſes iſt der Grund, wor-
auf ich den ganzen Bau meines Beweiſes ſetze,
und mich duͤnkt, er iſt feſt genug.
Es giebt nur wenig Elende, welche ihre Be-
truͤgereyen vor Gerichte geſtehen, und weil ſie ſo
thoͤricht ſind, ſo werden ſie andern zum Exempel
beſtraft. Wie viele Maͤnner werden kuͤnftig, viel-
leicht wider ihr eignes Vermuthen, als redliche
Maͤnner gelten, da ich nicht zulaſſe, daß jemand
ein Schelm ſey, der es nicht ſelbſt geſteht; und ich
wollte faſt wetten, daß nicht ein einziger unter ih-
nen ſo treuherzig ſeyn werde, dieſes zu geſtehen.
Wenn meine Leſer von dieſer großen Wahr-
heit uͤberzeugt ſind, wie ich hoffe, daß ſie es durch
einen ſo klaren Beweis nunmehr ſeyn werden: ſo
koͤnnen ſie ſich ſicher in die große Welt wagen,
ohne zu befuͤrchten, daß ihnen ein Schelm begeg-
nen werde. Jch verſpreche mir eine anſehnliche
Belohnung fuͤr dieſe Entdeckung, da ich mich ei-
ner unzaͤhligen Menge Maͤnner annehme, deren
Redlichkeit bisher ziemlich verdaͤchtig geweſen iſt.
Sie duͤrfen ſich nur huͤten zu geſtehen, daß ſie
Betruͤger ſind, ſo wird es ihnen nichts ſchaden,
wenn ſie auch ihrer Betruͤgereyen ſonnenklar uͤber-
fuͤhrt waͤren.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/97>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.