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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
erfodert wird. Jn der That sehe ich nicht, was
ihn in seinem frommen Vertrauen stören sollte.

Der Organist in einem Marktflecken, der un-
gefähr eine halbe Meile von mir liegt, hat einen
Sohn, der wohl gewachsen ist, reiche Westen
trägt, über alle Sachen ein entscheidendes Urtheil
fällt, und nichts gelernt hat. Der Vater, der
den Sohn väterlich bewundert, wünscht sehr, ihn
als Hofmeister bey einem Jungen von Adel zu
sehen. Er glaubt, daß er alle Fähigkeiten besitze,
die dazu erfodert werden, und ich glaube, daß er
im kurzen eine einträgliche Hofmeisterstelle bekom-
men wird. Es ist wahr, daß er von allem dem
nichts versteht, was ein junger Cavalier lernen
soll. Er ist auch niemals, so wenig, als itzo, im
Stande gewesen, sich selbst zu regieren. Er ist,
wie ihm einige mürrische Leute nachsagen, in sei-
nen Ausschweifungen niederträchtig, in seiner
Wirthschaft unordentlich, in seinen Urtheilen pö-
belhaft. Was schadet das? Wie viel junge Her-
ren würden allein auf Reisen gehen müssen, wenn
diese Eigenschaften hinderten, ein Hofmeister zu
seyn! Genug, er spielt gut l'Hombre; er kann
die Kunst, mit vieler Unterthänigkeit einen gnädigen
Rock zu küssen; er ist unverschämt; und hat er
gleich keinen Verstand: so wird sich das schon geben.

Weil vielleicht einige nicht begreifen möchten,
warum ich mich bey einer so ausgemachten Sache,
als das Sprüchwort ist: Wem Gott das Amt
giebt, dem giebt er auch den Verstand,
so
lange aufgehalten habe: so will ich hier den Schlüs-

sel

Antons Panßa von Mancha
erfodert wird. Jn der That ſehe ich nicht, was
ihn in ſeinem frommen Vertrauen ſtoͤren ſollte.

Der Organiſt in einem Marktflecken, der un-
gefaͤhr eine halbe Meile von mir liegt, hat einen
Sohn, der wohl gewachſen iſt, reiche Weſten
traͤgt, uͤber alle Sachen ein entſcheidendes Urtheil
faͤllt, und nichts gelernt hat. Der Vater, der
den Sohn vaͤterlich bewundert, wuͤnſcht ſehr, ihn
als Hofmeiſter bey einem Jungen von Adel zu
ſehen. Er glaubt, daß er alle Faͤhigkeiten beſitze,
die dazu erfodert werden, und ich glaube, daß er
im kurzen eine eintraͤgliche Hofmeiſterſtelle bekom-
men wird. Es iſt wahr, daß er von allem dem
nichts verſteht, was ein junger Cavalier lernen
ſoll. Er iſt auch niemals, ſo wenig, als itzo, im
Stande geweſen, ſich ſelbſt zu regieren. Er iſt,
wie ihm einige muͤrriſche Leute nachſagen, in ſei-
nen Ausſchweifungen niedertraͤchtig, in ſeiner
Wirthſchaft unordentlich, in ſeinen Urtheilen poͤ-
belhaft. Was ſchadet das? Wie viel junge Her-
ren wuͤrden allein auf Reiſen gehen muͤſſen, wenn
dieſe Eigenſchaften hinderten, ein Hofmeiſter zu
ſeyn! Genug, er ſpielt gut l’Hombre; er kann
die Kunſt, mit vieler Unterthaͤnigkeit einen gnaͤdigen
Rock zu kuͤſſen; er iſt unverſchaͤmt; und hat er
gleich keinen Verſtand: ſo wird ſich das ſchon geben.

Weil vielleicht einige nicht begreifen moͤchten,
warum ich mich bey einer ſo ausgemachten Sache,
als das Spruͤchwort iſt: Wem Gott das Amt
giebt, dem giebt er auch den Verſtand,
ſo
lange aufgehalten habe: ſo will ich hier den Schluͤſ-

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[46/0068] Antons Panßa von Mancha erfodert wird. Jn der That ſehe ich nicht, was ihn in ſeinem frommen Vertrauen ſtoͤren ſollte. Der Organiſt in einem Marktflecken, der un- gefaͤhr eine halbe Meile von mir liegt, hat einen Sohn, der wohl gewachſen iſt, reiche Weſten traͤgt, uͤber alle Sachen ein entſcheidendes Urtheil faͤllt, und nichts gelernt hat. Der Vater, der den Sohn vaͤterlich bewundert, wuͤnſcht ſehr, ihn als Hofmeiſter bey einem Jungen von Adel zu ſehen. Er glaubt, daß er alle Faͤhigkeiten beſitze, die dazu erfodert werden, und ich glaube, daß er im kurzen eine eintraͤgliche Hofmeiſterſtelle bekom- men wird. Es iſt wahr, daß er von allem dem nichts verſteht, was ein junger Cavalier lernen ſoll. Er iſt auch niemals, ſo wenig, als itzo, im Stande geweſen, ſich ſelbſt zu regieren. Er iſt, wie ihm einige muͤrriſche Leute nachſagen, in ſei- nen Ausſchweifungen niedertraͤchtig, in ſeiner Wirthſchaft unordentlich, in ſeinen Urtheilen poͤ- belhaft. Was ſchadet das? Wie viel junge Her- ren wuͤrden allein auf Reiſen gehen muͤſſen, wenn dieſe Eigenſchaften hinderten, ein Hofmeiſter zu ſeyn! Genug, er ſpielt gut l’Hombre; er kann die Kunſt, mit vieler Unterthaͤnigkeit einen gnaͤdigen Rock zu kuͤſſen; er iſt unverſchaͤmt; und hat er gleich keinen Verſtand: ſo wird ſich das ſchon geben. Weil vielleicht einige nicht begreifen moͤchten, warum ich mich bey einer ſo ausgemachten Sache, als das Spruͤchwort iſt: Wem Gott das Amt giebt, dem giebt er auch den Verſtand, ſo lange aufgehalten habe: ſo will ich hier den Schluͤſ- ſel

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/68>, abgerufen am 24.11.2024.