Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

und Ehrenerklärung.
ein, daß diese Entschuldigung darum sehr erheb-
lich ist, weil man niemals aufmerksamer ist, und
niemals mit mehrerm Beyfalle lacht, als wenn
sie Böses spricht. Zwingt sie sich aber ja einmal,
und redet von ihren Nachbarn Gutes, so wird sie
nicht bemerkt, am wenigsten bewundert: Denn
Seladon pfeift gedankenlos, ohne auf sie zu hö-
ren; Narciß legt die Falten seiner Manschetten in
Ordnung, und trellert; der fürstliche Rath gähnt,
und seine alte Gemahlinn spricht mit einer verdrieß-
lichen Beyfälligkeit, wenn sie hört, daß Leonore
so viel Gutes von ihrer Freundinn erzählt: Jst
das möglich! Hum! Ja, es mag eine ganz
ehrbare Frau seyn. Je nun! man muß zu
allen Sachen das Beste reden! Aber es ist
heute erschrecklich schwüles Wetter; wir krie-
gen auf den Abend gewiß ein liebes Gewitter.

Können sie es Leonoren, die auf ihren Witz so stolz
ist, wohl verdenken, wenn sie durch Spöttereyen
die Aufmerksamkeit und den Beyfall der Gesellschaft
zu erhalten sucht, da sie beides verliert, wenn sie
von ihrem Nächsten Gutes spricht? Hat sie ja Un-
recht, so fällt die Hälfte der Verantwortung auf
ihre Gesellschaft, welche die Verleumdung liebt.
Jch bitte sie, Madame; sagen sie es Leonoren, wie
vortheilhaft ich ihre ungerechte Sache vertheidigt
habe. Es ist gewiß Schade, daß ich kein Advo-
cat geworden bin!



Aber wie werde ich es machen, daß die hoch-
müthige Celsa auf ihren unterthänigsten Wurm

herab-

und Ehrenerklaͤrung.
ein, daß dieſe Entſchuldigung darum ſehr erheb-
lich iſt, weil man niemals aufmerkſamer iſt, und
niemals mit mehrerm Beyfalle lacht, als wenn
ſie Boͤſes ſpricht. Zwingt ſie ſich aber ja einmal,
und redet von ihren Nachbarn Gutes, ſo wird ſie
nicht bemerkt, am wenigſten bewundert: Denn
Seladon pfeift gedankenlos, ohne auf ſie zu hoͤ-
ren; Narciß legt die Falten ſeiner Manſchetten in
Ordnung, und trellert; der fuͤrſtliche Rath gaͤhnt,
und ſeine alte Gemahlinn ſpricht mit einer verdrieß-
lichen Beyfaͤlligkeit, wenn ſie hoͤrt, daß Leonore
ſo viel Gutes von ihrer Freundinn erzaͤhlt: Jſt
das moͤglich! Hum! Ja, es mag eine ganz
ehrbare Frau ſeyn. Je nun! man muß zu
allen Sachen das Beſte reden! Aber es iſt
heute erſchrecklich ſchwuͤles Wetter; wir krie-
gen auf den Abend gewiß ein liebes Gewitter.

Koͤnnen ſie es Leonoren, die auf ihren Witz ſo ſtolz
iſt, wohl verdenken, wenn ſie durch Spoͤttereyen
die Aufmerkſamkeit und den Beyfall der Geſellſchaft
zu erhalten ſucht, da ſie beides verliert, wenn ſie
von ihrem Naͤchſten Gutes ſpricht? Hat ſie ja Un-
recht, ſo faͤllt die Haͤlfte der Verantwortung auf
ihre Geſellſchaft, welche die Verleumdung liebt.
Jch bitte ſie, Madame; ſagen ſie es Leonoren, wie
vortheilhaft ich ihre ungerechte Sache vertheidigt
habe. Es iſt gewiß Schade, daß ich kein Advo-
cat geworden bin!



Aber wie werde ich es machen, daß die hoch-
muͤthige Celſa auf ihren unterthaͤnigſten Wurm

herab-
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0609" n="587[585]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Ehrenerkla&#x0364;rung.</hi></fw><lb/>
ein, daß die&#x017F;e Ent&#x017F;chuldigung darum &#x017F;ehr erheb-<lb/>
lich i&#x017F;t, weil man niemals aufmerk&#x017F;amer i&#x017F;t, und<lb/>
niemals mit mehrerm Beyfalle lacht, als wenn<lb/>
&#x017F;ie Bo&#x0364;&#x017F;es &#x017F;pricht. Zwingt &#x017F;ie &#x017F;ich aber ja einmal,<lb/>
und redet von ihren Nachbarn Gutes, &#x017F;o wird &#x017F;ie<lb/>
nicht bemerkt, am wenig&#x017F;ten bewundert: Denn<lb/>
Seladon pfeift gedankenlos, ohne auf &#x017F;ie zu ho&#x0364;-<lb/>
ren; Narciß legt die Falten &#x017F;einer Man&#x017F;chetten in<lb/>
Ordnung, und trellert; der fu&#x0364;r&#x017F;tliche Rath ga&#x0364;hnt,<lb/>
und &#x017F;eine alte Gemahlinn &#x017F;pricht mit einer verdrieß-<lb/>
lichen Beyfa&#x0364;lligkeit, wenn &#x017F;ie ho&#x0364;rt, daß Leonore<lb/>
&#x017F;o viel Gutes von ihrer Freundinn erza&#x0364;hlt: <hi rendition="#fr">J&#x017F;t<lb/>
das mo&#x0364;glich! Hum! Ja, es mag eine ganz<lb/>
ehrbare Frau &#x017F;eyn. Je nun! man muß zu<lb/>
allen Sachen das Be&#x017F;te reden! Aber es i&#x017F;t<lb/>
heute er&#x017F;chrecklich &#x017F;chwu&#x0364;les Wetter; wir krie-<lb/>
gen auf den Abend gewiß ein liebes Gewitter.</hi><lb/>
Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie es Leonoren, die auf ihren Witz &#x017F;o &#x017F;tolz<lb/>
i&#x017F;t, wohl verdenken, wenn &#x017F;ie durch Spo&#x0364;ttereyen<lb/>
die Aufmerk&#x017F;amkeit und den Beyfall der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
zu erhalten &#x017F;ucht, da &#x017F;ie beides verliert, wenn &#x017F;ie<lb/>
von ihrem Na&#x0364;ch&#x017F;ten Gutes &#x017F;pricht? Hat &#x017F;ie ja Un-<lb/>
recht, &#x017F;o fa&#x0364;llt die Ha&#x0364;lfte der Verantwortung auf<lb/>
ihre Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, welche die Verleumdung liebt.<lb/>
Jch bitte &#x017F;ie, Madame; &#x017F;agen &#x017F;ie es Leonoren, wie<lb/>
vortheilhaft ich ihre ungerechte Sache vertheidigt<lb/>
habe. Es i&#x017F;t gewiß Schade, daß ich kein Advo-<lb/>
cat geworden bin!</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Aber wie werde ich es machen, daß die hoch-<lb/>
mu&#x0364;thige <hi rendition="#fr">Cel&#x017F;a</hi> auf ihren untertha&#x0364;nig&#x017F;ten Wurm<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">herab-</fw><lb/></p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[587[585]/0609] und Ehrenerklaͤrung. ein, daß dieſe Entſchuldigung darum ſehr erheb- lich iſt, weil man niemals aufmerkſamer iſt, und niemals mit mehrerm Beyfalle lacht, als wenn ſie Boͤſes ſpricht. Zwingt ſie ſich aber ja einmal, und redet von ihren Nachbarn Gutes, ſo wird ſie nicht bemerkt, am wenigſten bewundert: Denn Seladon pfeift gedankenlos, ohne auf ſie zu hoͤ- ren; Narciß legt die Falten ſeiner Manſchetten in Ordnung, und trellert; der fuͤrſtliche Rath gaͤhnt, und ſeine alte Gemahlinn ſpricht mit einer verdrieß- lichen Beyfaͤlligkeit, wenn ſie hoͤrt, daß Leonore ſo viel Gutes von ihrer Freundinn erzaͤhlt: Jſt das moͤglich! Hum! Ja, es mag eine ganz ehrbare Frau ſeyn. Je nun! man muß zu allen Sachen das Beſte reden! Aber es iſt heute erſchrecklich ſchwuͤles Wetter; wir krie- gen auf den Abend gewiß ein liebes Gewitter. Koͤnnen ſie es Leonoren, die auf ihren Witz ſo ſtolz iſt, wohl verdenken, wenn ſie durch Spoͤttereyen die Aufmerkſamkeit und den Beyfall der Geſellſchaft zu erhalten ſucht, da ſie beides verliert, wenn ſie von ihrem Naͤchſten Gutes ſpricht? Hat ſie ja Un- recht, ſo faͤllt die Haͤlfte der Verantwortung auf ihre Geſellſchaft, welche die Verleumdung liebt. Jch bitte ſie, Madame; ſagen ſie es Leonoren, wie vortheilhaft ich ihre ungerechte Sache vertheidigt habe. Es iſt gewiß Schade, daß ich kein Advo- cat geworden bin! Aber wie werde ich es machen, daß die hoch- muͤthige Celſa auf ihren unterthaͤnigſten Wurm herab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/609
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 587[585]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/609>, abgerufen am 03.05.2024.