tes Landgut ihres Gemahls begeben soll, um da- selbst einsam und unbemerkt, in der Gesellschaft der Weiber ihrer Verwalter und Pachter zu le- ben, um ihren Mann dadurch von dem schimpfli- chen Vorwurfe einer ungleichen Heirath zu be- freyen. Würde Leonore wohl so lustig tanzen, wenn sie die unglücklichen Folgen dieses Balls vor- aus wissen sollte!
14.
Was muß wohl dort der Herr Secretär (17) mit der großen Perucke in seine Tafel schreiben? Er lacht so laut, daß man kaum noch den Baß von der Musik hört, und läßt sich von der witzigen Kalliste etwas dictiren. Kalliste (18) ist ein Frau- enzimmer, welches von allem dem nichts versteht, was man gemeiniglich von der Sorgfalt und dem Fleiße eines Frauenzimmers fodert: Aber sie hat viel gelesen, sie ist witzig, und so gelehrt, daß sie in Gesellschaft anderer Frauenzimmer gähnt, und andere Frauenzimmer in ihrer Gesellschaft einschla- fen. Der Secretär liest Acten und Zeitungen, und ist gleich so witzig, als er es bey seinem Amte nöthig hat: Aber gleichwohl macht er die Mode unsrer Zeit mit. Er bewundert den Witz, wo er ihn findet, und bewundert ihn allemal aus vollem Halse. Kalliste sagt ihm ein Sinngedicht auf eine Frau vor, die das Unglück hat, dem Herrn
Secre-
(17) Der Herr Secretair E - -, ein Mann, dessen ganze Lunge witzig ist.
(18) Die gekrönte S - -.
K k 2
Zweytes Buch.
tes Landgut ihres Gemahls begeben ſoll, um da- ſelbſt einſam und unbemerkt, in der Geſellſchaft der Weiber ihrer Verwalter und Pachter zu le- ben, um ihren Mann dadurch von dem ſchimpfli- chen Vorwurfe einer ungleichen Heirath zu be- freyen. Wuͤrde Leonore wohl ſo luſtig tanzen, wenn ſie die ungluͤcklichen Folgen dieſes Balls vor- aus wiſſen ſollte!
14.
Was muß wohl dort der Herr Secretaͤr (17) mit der großen Perucke in ſeine Tafel ſchreiben? Er lacht ſo laut, daß man kaum noch den Baß von der Muſik hoͤrt, und laͤßt ſich von der witzigen Kalliſte etwas dictiren. Kalliſte (18) iſt ein Frau- enzimmer, welches von allem dem nichts verſteht, was man gemeiniglich von der Sorgfalt und dem Fleiße eines Frauenzimmers fodert: Aber ſie hat viel geleſen, ſie iſt witzig, und ſo gelehrt, daß ſie in Geſellſchaft anderer Frauenzimmer gaͤhnt, und andere Frauenzimmer in ihrer Geſellſchaft einſchla- fen. Der Secretaͤr lieſt Acten und Zeitungen, und iſt gleich ſo witzig, als er es bey ſeinem Amte noͤthig hat: Aber gleichwohl macht er die Mode unſrer Zeit mit. Er bewundert den Witz, wo er ihn findet, und bewundert ihn allemal aus vollem Halſe. Kalliſte ſagt ihm ein Sinngedicht auf eine Frau vor, die das Ungluͤck hat, dem Herrn
Secre-
(17) Der Herr Secretair E ‒ ‒, ein Mann, deſſen ganze Lunge witzig iſt.
(18) Die gekroͤnte S ‒ ‒.
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[515[513]/0537]
Zweytes Buch.
tes Landgut ihres Gemahls begeben ſoll, um da-
ſelbſt einſam und unbemerkt, in der Geſellſchaft
der Weiber ihrer Verwalter und Pachter zu le-
ben, um ihren Mann dadurch von dem ſchimpfli-
chen Vorwurfe einer ungleichen Heirath zu be-
freyen. Wuͤrde Leonore wohl ſo luſtig tanzen,
wenn ſie die ungluͤcklichen Folgen dieſes Balls vor-
aus wiſſen ſollte!
14.
Was muß wohl dort der Herr Secretaͤr (17)
mit der großen Perucke in ſeine Tafel ſchreiben?
Er lacht ſo laut, daß man kaum noch den Baß
von der Muſik hoͤrt, und laͤßt ſich von der witzigen
Kalliſte etwas dictiren. Kalliſte (18) iſt ein Frau-
enzimmer, welches von allem dem nichts verſteht,
was man gemeiniglich von der Sorgfalt und dem
Fleiße eines Frauenzimmers fodert: Aber ſie hat
viel geleſen, ſie iſt witzig, und ſo gelehrt, daß ſie
in Geſellſchaft anderer Frauenzimmer gaͤhnt, und
andere Frauenzimmer in ihrer Geſellſchaft einſchla-
fen. Der Secretaͤr lieſt Acten und Zeitungen,
und iſt gleich ſo witzig, als er es bey ſeinem Amte
noͤthig hat: Aber gleichwohl macht er die Mode
unſrer Zeit mit. Er bewundert den Witz, wo er
ihn findet, und bewundert ihn allemal aus vollem
Halſe. Kalliſte ſagt ihm ein Sinngedicht auf eine
Frau vor, die das Ungluͤck hat, dem Herrn
Secre-
(17) Der Herr Secretair E ‒ ‒, ein Mann, deſſen ganze
Lunge witzig iſt.
(18) Die gekroͤnte S ‒ ‒.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 515[513]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/537>, abgerufen am 23.11.2024.
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