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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Zweytes Buch.
nen, (14) einem Frauenzimmer von dreyßig Jah-
ren, welche von ihrem Vater die Kunst gelernet hat,
bey einem mittelmäßigen Vermögen die Miene ei-
nes Frauenzimmers zu behaupten, welches große
Reichtümer besitzt, und nur aus Bescheidenheit,
und guter Wirthschaft diese Reichthümer nicht
gestehen will. Mit dieser tanzt er, und mitten im
Tanzen rechnet er nach, wie viel er wohl gewinne,
wenn er dieses Frauenzimmer zur Frau bekommen
könne. Alle ihre Capitalien tanzen vor seinen Au-
gen herum, und wenn er ihr die Hand reicht, so
geschieht es mehr mit der Bewegung eines Men-
schen, der Geld empfangen soll, als der die Hand
einem Frauenzimmer zum Tanze giebt. Die Me-
nuet ist geschlossen. Er führt sie an das Fenster, er
redet schüchtern mit ihr, sie wird roth; er küßt
ihr die Hand, sie neigt sich, und er drückt die
Hand mit Entzückung an seinen Mund. Nun
sind sie einig. Des Wohlstands wegen will man
noch vorher den Vormund darum fragen. Der
arme Kleant! Er ist seines Glücks gewiß; gleich
nach Ostern wird die Hochzeit vollzogen. Nun
fragt Kleant nach ihrem Vermögen, und ihr Ver-
mögen besteht in ungültigen Papieren, weitläufti-
gen Ansprüchen, und in der Hoffnung, einen rei-
chen Vetter in Ostindien zu beerben, wenn er un-
verheirathet, und ohne Testament sterben sollte.

13. Warum
(14) Das ist meine Nachbarin, die kostbare A - -.
K k

Zweytes Buch.
nen, (14) einem Frauenzimmer von dreyßig Jah-
ren, welche von ihrem Vater die Kunſt gelernet hat,
bey einem mittelmaͤßigen Vermoͤgen die Miene ei-
nes Frauenzimmers zu behaupten, welches große
Reichtuͤmer beſitzt, und nur aus Beſcheidenheit,
und guter Wirthſchaft dieſe Reichthuͤmer nicht
geſtehen will. Mit dieſer tanzt er, und mitten im
Tanzen rechnet er nach, wie viel er wohl gewinne,
wenn er dieſes Frauenzimmer zur Frau bekommen
koͤnne. Alle ihre Capitalien tanzen vor ſeinen Au-
gen herum, und wenn er ihr die Hand reicht, ſo
geſchieht es mehr mit der Bewegung eines Men-
ſchen, der Geld empfangen ſoll, als der die Hand
einem Frauenzimmer zum Tanze giebt. Die Me-
nuet iſt geſchloſſen. Er fuͤhrt ſie an das Fenſter, er
redet ſchuͤchtern mit ihr, ſie wird roth; er kuͤßt
ihr die Hand, ſie neigt ſich, und er druͤckt die
Hand mit Entzuͤckung an ſeinen Mund. Nun
ſind ſie einig. Des Wohlſtands wegen will man
noch vorher den Vormund darum fragen. Der
arme Kleant! Er iſt ſeines Gluͤcks gewiß; gleich
nach Oſtern wird die Hochzeit vollzogen. Nun
fragt Kleant nach ihrem Vermoͤgen, und ihr Ver-
moͤgen beſteht in unguͤltigen Papieren, weitlaͤufti-
gen Anſpruͤchen, und in der Hoffnung, einen rei-
chen Vetter in Oſtindien zu beerben, wenn er un-
verheirathet, und ohne Teſtament ſterben ſollte.

13. Warum
(14) Das iſt meine Nachbarin, die koſtbare A ‒ ‒.
K k
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[513[511]/0535] Zweytes Buch. nen, (14) einem Frauenzimmer von dreyßig Jah- ren, welche von ihrem Vater die Kunſt gelernet hat, bey einem mittelmaͤßigen Vermoͤgen die Miene ei- nes Frauenzimmers zu behaupten, welches große Reichtuͤmer beſitzt, und nur aus Beſcheidenheit, und guter Wirthſchaft dieſe Reichthuͤmer nicht geſtehen will. Mit dieſer tanzt er, und mitten im Tanzen rechnet er nach, wie viel er wohl gewinne, wenn er dieſes Frauenzimmer zur Frau bekommen koͤnne. Alle ihre Capitalien tanzen vor ſeinen Au- gen herum, und wenn er ihr die Hand reicht, ſo geſchieht es mehr mit der Bewegung eines Men- ſchen, der Geld empfangen ſoll, als der die Hand einem Frauenzimmer zum Tanze giebt. Die Me- nuet iſt geſchloſſen. Er fuͤhrt ſie an das Fenſter, er redet ſchuͤchtern mit ihr, ſie wird roth; er kuͤßt ihr die Hand, ſie neigt ſich, und er druͤckt die Hand mit Entzuͤckung an ſeinen Mund. Nun ſind ſie einig. Des Wohlſtands wegen will man noch vorher den Vormund darum fragen. Der arme Kleant! Er iſt ſeines Gluͤcks gewiß; gleich nach Oſtern wird die Hochzeit vollzogen. Nun fragt Kleant nach ihrem Vermoͤgen, und ihr Ver- moͤgen beſteht in unguͤltigen Papieren, weitlaͤufti- gen Anſpruͤchen, und in der Hoffnung, einen rei- chen Vetter in Oſtindien zu beerben, wenn er un- verheirathet, und ohne Teſtament ſterben ſollte. 13. Warum (14) Das iſt meine Nachbarin, die koſtbare A ‒ ‒. K k

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 513[511]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/535>, abgerufen am 23.11.2024.