Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Märchen vom ersten April.
machte. Der Zauberer erblickte diesen Namen,
und zitterte. Er wollte fliehen, aber er sank zur Erde
nieder. Er verwandelte sich in einen schrecklichen
Riesen, und war so verwegen, wider die Fee zu
kämpfen. Diese hielt ihm den Talismann vor;
und er stürzte zum zweytenmale, wie ein Kind,
zur Erde. Er verwandelte sich in einen ho-
hen Felsen, um gegen die Kraft des Talis-
manns unempfindlich zu seyn; aber er schmolz,
wie Schnee, zusammen. Noch zum dritten
male versuchte er zu entkommen, verwandelte
sich in einen Strom, und riß den unglücklichen
T' Siamma, welcher ohnmächtig auf der
Erde lag, mit sich fort. Die Fee merkte die-
ses zu spät. Sie warf sich in den Strom,
den T' Siamma zu retten. Durch die Ge-
walt des Talismanns vertrocknete der Strom,
und es blieb nichts übrig, als ein faules stehen-
des Wasser; Aber mitten in demselben lag der
T' Siamma ohne Empfindung ausgestreckt, und
blieb todt.

Das war das Ende des grausamen Zau-
berers, welcher noch in dem letzten Augenblicke
seiner Wut den tugendhaften T' Siamma zu-
gleich mit in sein Verderben hinriß. Nur die
weisen Götter wußten, warum sie dieses gesche-
hen ließen.

Die Fee netzte den Leichnam mit ihren
Thränen. Sie wollte der Nachwelt ein An-

denken

Das Maͤrchen vom erſten April.
machte. Der Zauberer erblickte dieſen Namen,
und zitterte. Er wollte fliehen, aber er ſank zur Erde
nieder. Er verwandelte ſich in einen ſchrecklichen
Rieſen, und war ſo verwegen, wider die Fee zu
kaͤmpfen. Dieſe hielt ihm den Talismann vor;
und er ſtuͤrzte zum zweytenmale, wie ein Kind,
zur Erde. Er verwandelte ſich in einen ho-
hen Felſen, um gegen die Kraft des Talis-
manns unempfindlich zu ſeyn; aber er ſchmolz,
wie Schnee, zuſammen. Noch zum dritten
male verſuchte er zu entkommen, verwandelte
ſich in einen Strom, und riß den ungluͤcklichen
T’ Siamma, welcher ohnmaͤchtig auf der
Erde lag, mit ſich fort. Die Fee merkte die-
ſes zu ſpaͤt. Sie warf ſich in den Strom,
den T’ Siamma zu retten. Durch die Ge-
walt des Talismanns vertrocknete der Strom,
und es blieb nichts uͤbrig, als ein faules ſtehen-
des Waſſer; Aber mitten in demſelben lag der
T’ Siamma ohne Empfindung ausgeſtreckt, und
blieb todt.

Das war das Ende des grauſamen Zau-
berers, welcher noch in dem letzten Augenblicke
ſeiner Wut den tugendhaften T’ Siamma zu-
gleich mit in ſein Verderben hinriß. Nur die
weiſen Goͤtter wußten, warum ſie dieſes geſche-
hen ließen.

Die Fee netzte den Leichnam mit ihren
Thraͤnen. Sie wollte der Nachwelt ein An-

denken
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0512" n="490[488]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Ma&#x0364;rchen vom er&#x017F;ten April.</hi></fw><lb/>
machte. Der Zauberer erblickte die&#x017F;en Namen,<lb/>
und zitterte. Er wollte fliehen, aber er &#x017F;ank zur Erde<lb/>
nieder. Er verwandelte &#x017F;ich in einen &#x017F;chrecklichen<lb/>
Rie&#x017F;en, und war &#x017F;o verwegen, wider die Fee zu<lb/>
ka&#x0364;mpfen. Die&#x017F;e hielt ihm den Talismann vor;<lb/>
und er &#x017F;tu&#x0364;rzte zum zweytenmale, wie ein Kind,<lb/>
zur Erde. Er verwandelte &#x017F;ich in einen ho-<lb/>
hen Fel&#x017F;en, um gegen die Kraft des Talis-<lb/>
manns unempfindlich zu &#x017F;eyn; aber er &#x017F;chmolz,<lb/>
wie Schnee, zu&#x017F;ammen. Noch zum dritten<lb/>
male ver&#x017F;uchte er zu entkommen, verwandelte<lb/>
&#x017F;ich in einen Strom, und riß den unglu&#x0364;cklichen<lb/><hi rendition="#fr">T&#x2019; Siamma,</hi> welcher ohnma&#x0364;chtig auf der<lb/>
Erde lag, mit &#x017F;ich fort. Die Fee merkte die-<lb/>
&#x017F;es zu &#x017F;pa&#x0364;t. Sie warf &#x017F;ich in den Strom,<lb/>
den <hi rendition="#fr">T&#x2019; Siamma</hi> zu retten. Durch die Ge-<lb/>
walt des Talismanns vertrocknete der Strom,<lb/>
und es blieb nichts u&#x0364;brig, als ein faules &#x017F;tehen-<lb/>
des Wa&#x017F;&#x017F;er; Aber mitten in dem&#x017F;elben lag der<lb/><hi rendition="#fr">T&#x2019; Siamma</hi> ohne Empfindung ausge&#x017F;treckt, und<lb/>
blieb todt.</p><lb/>
          <p>Das war das Ende des grau&#x017F;amen Zau-<lb/>
berers, welcher noch in dem letzten Augenblicke<lb/>
&#x017F;einer Wut den tugendhaften <hi rendition="#fr">T&#x2019; Siamma</hi> zu-<lb/>
gleich mit in &#x017F;ein Verderben hinriß. Nur die<lb/>
wei&#x017F;en Go&#x0364;tter wußten, warum &#x017F;ie die&#x017F;es ge&#x017F;che-<lb/>
hen ließen.</p><lb/>
          <p>Die Fee netzte den Leichnam mit ihren<lb/>
Thra&#x0364;nen. Sie wollte der Nachwelt ein An-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">denken</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[490[488]/0512] Das Maͤrchen vom erſten April. machte. Der Zauberer erblickte dieſen Namen, und zitterte. Er wollte fliehen, aber er ſank zur Erde nieder. Er verwandelte ſich in einen ſchrecklichen Rieſen, und war ſo verwegen, wider die Fee zu kaͤmpfen. Dieſe hielt ihm den Talismann vor; und er ſtuͤrzte zum zweytenmale, wie ein Kind, zur Erde. Er verwandelte ſich in einen ho- hen Felſen, um gegen die Kraft des Talis- manns unempfindlich zu ſeyn; aber er ſchmolz, wie Schnee, zuſammen. Noch zum dritten male verſuchte er zu entkommen, verwandelte ſich in einen Strom, und riß den ungluͤcklichen T’ Siamma, welcher ohnmaͤchtig auf der Erde lag, mit ſich fort. Die Fee merkte die- ſes zu ſpaͤt. Sie warf ſich in den Strom, den T’ Siamma zu retten. Durch die Ge- walt des Talismanns vertrocknete der Strom, und es blieb nichts uͤbrig, als ein faules ſtehen- des Waſſer; Aber mitten in demſelben lag der T’ Siamma ohne Empfindung ausgeſtreckt, und blieb todt. Das war das Ende des grauſamen Zau- berers, welcher noch in dem letzten Augenblicke ſeiner Wut den tugendhaften T’ Siamma zu- gleich mit in ſein Verderben hinriß. Nur die weiſen Goͤtter wußten, warum ſie dieſes geſche- hen ließen. Die Fee netzte den Leichnam mit ihren Thraͤnen. Sie wollte der Nachwelt ein An- denken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/512
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 490[488]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/512>, abgerufen am 23.11.2024.