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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Das Märchen vom ersten April.
Glück gönnte der Grausame seinem Feinde nicht.
Er merkte wohl, daß T' Siamma, so großmü-
thig er auch war, doch mit Ungeduld auf die Zeit
ihrer Verwandlung wartete. Er, als ein Zau-
berer, war allein vermögend, die stillen Wünsche
der Königinn zu entdecken, die sie nach ihrer
Schönheit that, so oft ihr die Verachtung des Volks
unerträglich ward. Alles dieses sahe er, und spot-
tete ihrer Wünsche; denn er hatte einen grausa-
men Einfall, den König durch die Schönheit sei-
ner Gemahlinn noch weit unglücklicher zu machen,
als er ihn durch ihre Häßlichkeit gemacht hatte.

Es war an einem Morgen, als die Königinn
mit Anbruch der Sonne in ihrem Zimmer vor
dem Bilde des Gottes Ysum lag, und für die
Seele ihres sterbenden Großvaters betete, dessen
gefährliche Krankheit man ihr gemeldet hatte. Sie
war eben im Begriffe, vom Gebete aufzustehen, als
sie von einem Schlage, wie der Schlag eines starken
Donners ist, niedergeworfen ward. T' Siamma
hörte es; er eilte nach ihrem Zimmer, und fand
sie ohnmächtig auf der Erde liegen, aber mit einer
Schönheit, die ihn blendete, so schrecklich ihm sonst
dieser Anblick war. Er nahm sie in seine Arme,
und sie kam in wenigen Augenblicken wieder zu
sich selbst. Der König war in großer Unruhe,
wie er ihr diese glückliche Verwandlung entdecken
sollte, da er es nicht anders thun konnte, als ihr
zugleich die Nachricht von dem Tode ihres Großva-
ters, den sie so zärtlich liebte, zu entdecken. Sie saß

noch

Das Maͤrchen vom erſten April.
Gluͤck goͤnnte der Grauſame ſeinem Feinde nicht.
Er merkte wohl, daß T’ Siamma, ſo großmuͤ-
thig er auch war, doch mit Ungeduld auf die Zeit
ihrer Verwandlung wartete. Er, als ein Zau-
berer, war allein vermoͤgend, die ſtillen Wuͤnſche
der Koͤniginn zu entdecken, die ſie nach ihrer
Schoͤnheit that, ſo oft ihr die Verachtung des Volks
unertraͤglich ward. Alles dieſes ſahe er, und ſpot-
tete ihrer Wuͤnſche; denn er hatte einen grauſa-
men Einfall, den Koͤnig durch die Schoͤnheit ſei-
ner Gemahlinn noch weit ungluͤcklicher zu machen,
als er ihn durch ihre Haͤßlichkeit gemacht hatte.

Es war an einem Morgen, als die Koͤniginn
mit Anbruch der Sonne in ihrem Zimmer vor
dem Bilde des Gottes Yſum lag, und fuͤr die
Seele ihres ſterbenden Großvaters betete, deſſen
gefaͤhrliche Krankheit man ihr gemeldet hatte. Sie
war eben im Begriffe, vom Gebete aufzuſtehen, als
ſie von einem Schlage, wie der Schlag eines ſtarken
Donners iſt, niedergeworfen ward. T’ Siamma
hoͤrte es; er eilte nach ihrem Zimmer, und fand
ſie ohnmaͤchtig auf der Erde liegen, aber mit einer
Schoͤnheit, die ihn blendete, ſo ſchrecklich ihm ſonſt
dieſer Anblick war. Er nahm ſie in ſeine Arme,
und ſie kam in wenigen Augenblicken wieder zu
ſich ſelbſt. Der Koͤnig war in großer Unruhe,
wie er ihr dieſe gluͤckliche Verwandlung entdecken
ſollte, da er es nicht anders thun konnte, als ihr
zugleich die Nachricht von dem Tode ihres Großva-
ters, den ſie ſo zaͤrtlich liebte, zu entdecken. Sie ſaß

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[482[480]/0504] Das Maͤrchen vom erſten April. Gluͤck goͤnnte der Grauſame ſeinem Feinde nicht. Er merkte wohl, daß T’ Siamma, ſo großmuͤ- thig er auch war, doch mit Ungeduld auf die Zeit ihrer Verwandlung wartete. Er, als ein Zau- berer, war allein vermoͤgend, die ſtillen Wuͤnſche der Koͤniginn zu entdecken, die ſie nach ihrer Schoͤnheit that, ſo oft ihr die Verachtung des Volks unertraͤglich ward. Alles dieſes ſahe er, und ſpot- tete ihrer Wuͤnſche; denn er hatte einen grauſa- men Einfall, den Koͤnig durch die Schoͤnheit ſei- ner Gemahlinn noch weit ungluͤcklicher zu machen, als er ihn durch ihre Haͤßlichkeit gemacht hatte. Es war an einem Morgen, als die Koͤniginn mit Anbruch der Sonne in ihrem Zimmer vor dem Bilde des Gottes Yſum lag, und fuͤr die Seele ihres ſterbenden Großvaters betete, deſſen gefaͤhrliche Krankheit man ihr gemeldet hatte. Sie war eben im Begriffe, vom Gebete aufzuſtehen, als ſie von einem Schlage, wie der Schlag eines ſtarken Donners iſt, niedergeworfen ward. T’ Siamma hoͤrte es; er eilte nach ihrem Zimmer, und fand ſie ohnmaͤchtig auf der Erde liegen, aber mit einer Schoͤnheit, die ihn blendete, ſo ſchrecklich ihm ſonſt dieſer Anblick war. Er nahm ſie in ſeine Arme, und ſie kam in wenigen Augenblicken wieder zu ſich ſelbſt. Der Koͤnig war in großer Unruhe, wie er ihr dieſe gluͤckliche Verwandlung entdecken ſollte, da er es nicht anders thun konnte, als ihr zugleich die Nachricht von dem Tode ihres Großva- ters, den ſie ſo zaͤrtlich liebte, zu entdecken. Sie ſaß noch

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 482[480]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/504>, abgerufen am 23.11.2024.