König riß seinen Unterthaneu die Waffen aus den Händen. Er rief ihnen zu: aber niemand hörte auf ihn. Das Geschrey auf dem Lande, und auf den Schiffen war, wie das Geschrey zweyer feindlichen Heere, die sich erwürgen. Die Flotte des T' Siamma kehrte zurück, und floh, und keiner von seinem Gefolge hatte den Muth sich umzusehn, bis sie in dem Hafen von Chie- kock angelangt waren. Hier versammelten sich die zerstreueten Schiffe. T' Siamma, wel- cher wohl merkte, daß ihn eine mächtigere Hand hinderte, trat traurig ans Land. Sein Gefolge erwachte, wie von einem unruhigen Traume, und sie wußten nicht, was ihnen wiederfahren war, oder warum sie geflohen waren. Sie schämten sich vor ihren Weibern, sie schlugen die Augen vor ihrem Könige nieder; aber dieser gute König erkannte wohl, daß es nicht ihre Schuld sey. Er richtete sie auf, und unterwarf sich dem Willen der Götter, welcher ihm unbegreiflich war.
Ciongock freuete sich grimmig; denn er sahe die Angst des Königs, welche dieser vor seinem Volke zu verbergen suchte. Seine Verbindung mit der tugendhaften, weisen, und schönen Zizizi war ein zu großes Glück für den T' Siamma, als daß ihm dieser wütende Zauberer solches unge- stört hätte überlassen sollen. Denn er war es, welcher den Sturm erregte, welcher die Nacht über die Schiffe verbreitete, und welcher Wut und Mord unter das Volk hauchte.
Der
Das Maͤrchen vom erſten April.
Koͤnig riß ſeinen Unterthaneu die Waffen aus den Haͤnden. Er rief ihnen zu: aber niemand hoͤrte auf ihn. Das Geſchrey auf dem Lande, und auf den Schiffen war, wie das Geſchrey zweyer feindlichen Heere, die ſich erwuͤrgen. Die Flotte des T’ Siamma kehrte zuruͤck, und floh, und keiner von ſeinem Gefolge hatte den Muth ſich umzuſehn, bis ſie in dem Hafen von Chie- kock angelangt waren. Hier verſammelten ſich die zerſtreueten Schiffe. T’ Siamma, wel- cher wohl merkte, daß ihn eine maͤchtigere Hand hinderte, trat traurig ans Land. Sein Gefolge erwachte, wie von einem unruhigen Traume, und ſie wußten nicht, was ihnen wiederfahren war, oder warum ſie geflohen waren. Sie ſchaͤmten ſich vor ihren Weibern, ſie ſchlugen die Augen vor ihrem Koͤnige nieder; aber dieſer gute Koͤnig erkannte wohl, daß es nicht ihre Schuld ſey. Er richtete ſie auf, und unterwarf ſich dem Willen der Goͤtter, welcher ihm unbegreiflich war.
Ciongock freuete ſich grimmig; denn er ſahe die Angſt des Koͤnigs, welche dieſer vor ſeinem Volke zu verbergen ſuchte. Seine Verbindung mit der tugendhaften, weiſen, und ſchoͤnen Zizizi war ein zu großes Gluͤck fuͤr den T’ Siamma, als daß ihm dieſer wuͤtende Zauberer ſolches unge- ſtoͤrt haͤtte uͤberlaſſen ſollen. Denn er war es, welcher den Sturm erregte, welcher die Nacht uͤber die Schiffe verbreitete, und welcher Wut und Mord unter das Volk hauchte.
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[476[474]/0498]
Das Maͤrchen vom erſten April.
Koͤnig riß ſeinen Unterthaneu die Waffen aus
den Haͤnden. Er rief ihnen zu: aber niemand
hoͤrte auf ihn. Das Geſchrey auf dem Lande,
und auf den Schiffen war, wie das Geſchrey
zweyer feindlichen Heere, die ſich erwuͤrgen. Die
Flotte des T’ Siamma kehrte zuruͤck, und floh,
und keiner von ſeinem Gefolge hatte den Muth
ſich umzuſehn, bis ſie in dem Hafen von Chie-
kock angelangt waren. Hier verſammelten ſich
die zerſtreueten Schiffe. T’ Siamma, wel-
cher wohl merkte, daß ihn eine maͤchtigere Hand
hinderte, trat traurig ans Land. Sein Gefolge
erwachte, wie von einem unruhigen Traume,
und ſie wußten nicht, was ihnen wiederfahren
war, oder warum ſie geflohen waren. Sie
ſchaͤmten ſich vor ihren Weibern, ſie ſchlugen die
Augen vor ihrem Koͤnige nieder; aber dieſer gute
Koͤnig erkannte wohl, daß es nicht ihre Schuld
ſey. Er richtete ſie auf, und unterwarf ſich dem
Willen der Goͤtter, welcher ihm unbegreiflich war.
Ciongock freuete ſich grimmig; denn er ſahe
die Angſt des Koͤnigs, welche dieſer vor ſeinem
Volke zu verbergen ſuchte. Seine Verbindung
mit der tugendhaften, weiſen, und ſchoͤnen Zizizi
war ein zu großes Gluͤck fuͤr den T’ Siamma,
als daß ihm dieſer wuͤtende Zauberer ſolches unge-
ſtoͤrt haͤtte uͤberlaſſen ſollen. Denn er war es,
welcher den Sturm erregte, welcher die Nacht
uͤber die Schiffe verbreitete, und welcher Wut
und Mord unter das Volk hauchte.
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 476[474]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/498>, abgerufen am 22.11.2024.
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