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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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bey; aber derjenige noch mehr, der seinen Um-
gang nicht vermeiden kann. Der Theolog und
der Philosoph, arbeiten gemeinschaftlich daran,
das Herz des Menschen demüthig zu machen.
Jener beweist es ihm aus Staub und Erde, und
dieser noch gründlicher daraus, dass unmoeg-
lich ein Ding zugleich seyn und auch nicht seyn
koenne. Für beide Beweise habe ich alle die
Ehrfurcht, die ein unphilosophischer Laye für
die Theologen und Philosophen haben muss;
und dem unerachtet bin ich verstockt genug zu
glauben, dass man einen Hochmüthigen dadurch,
dass man Uebels von ihm spricht, in einer vier-
thel Stunde weit zahmer und menschlicher ma-
chen kann, als durch eine lange traurige Pre-
digt, und eine Reihe von finstern Schlüssen.

Ehe ich schliesse, werde ich Gelegenheit ha-
ben, hievon noch einmal zu reden. Bis dahin
verspare ich es, weitlaeuftiger zu seyn.

Ich übergehe zugleich noch eine unzaehlige
Menge andrer Vortheile, welche ein jeder
Mensch für sich, und das ganze gemeine We-
sen überhaupt dadurch erlangt, wann einer von
dem andern Uebels spricht. Da das Vergnü-
gen, welches wir dabey empfinden, so gross
ist; so ist wohl nichts geschickter, uns in den
traurigen Stunden unsers Lebens aufzuheitern.
Wir vergessen unsre eigne Thorheit, da wir uns
mit der Thorheit andrer belustigen. Durch ei-
ne bestaendige Uebung, Boeses von andern zu

reden,



bey; aber derjenige noch mehr, der ſeinen Um-
gang nicht vermeiden kann. Der Theolog und
der Philoſoph, arbeiten gemeinſchaftlich daran,
das Herz des Menſchen demüthig zu machen.
Jener beweiſt es ihm aus Staub und Erde, und
dieſer noch gründlicher daraus, daſs unmoeg-
lich ein Ding zugleich ſeyn und auch nicht ſeyn
koenne. Für beide Beweiſe habe ich alle die
Ehrfurcht, die ein unphiloſophiſcher Laye für
die Theologen und Philoſophen haben muſs;
und dem unerachtet bin ich verſtockt genug zu
glauben, daſs man einen Hochmüthigen dadurch,
daſs man Uebels von ihm ſpricht, in einer vier-
thel Stunde weit zahmer und menſchlicher ma-
chen kann, als durch eine lange traurige Pre-
digt, und eine Reihe von finſtern Schlüſſen.

Ehe ich ſchlieſse, werde ich Gelegenheit ha-
ben, hievon noch einmal zu reden. Bis dahin
verſpare ich es, weitlaeuftiger zu ſeyn.

Ich übergehe zugleich noch eine unzaehlige
Menge andrer Vortheile, welche ein jeder
Menſch für ſich, und das ganze gemeine We-
ſen überhaupt dadurch erlangt, wann einer von
dem andern Uebels ſpricht. Da das Vergnü-
gen, welches wir dabey empfinden, ſo groſs
iſt; ſo iſt wohl nichts geſchickter, uns in den
traurigen Stunden unſers Lebens aufzuheitern.
Wir vergeſſen unſre eigne Thorheit, da wir uns
mit der Thorheit andrer beluſtigen. Durch ei-
ne beſtaendige Uebung, Boeſes von andern zu

reden,
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[418/0440] bey; aber derjenige noch mehr, der ſeinen Um- gang nicht vermeiden kann. Der Theolog und der Philoſoph, arbeiten gemeinſchaftlich daran, das Herz des Menſchen demüthig zu machen. Jener beweiſt es ihm aus Staub und Erde, und dieſer noch gründlicher daraus, daſs unmoeg- lich ein Ding zugleich ſeyn und auch nicht ſeyn koenne. Für beide Beweiſe habe ich alle die Ehrfurcht, die ein unphiloſophiſcher Laye für die Theologen und Philoſophen haben muſs; und dem unerachtet bin ich verſtockt genug zu glauben, daſs man einen Hochmüthigen dadurch, daſs man Uebels von ihm ſpricht, in einer vier- thel Stunde weit zahmer und menſchlicher ma- chen kann, als durch eine lange traurige Pre- digt, und eine Reihe von finſtern Schlüſſen. Ehe ich ſchlieſse, werde ich Gelegenheit ha- ben, hievon noch einmal zu reden. Bis dahin verſpare ich es, weitlaeuftiger zu ſeyn. Ich übergehe zugleich noch eine unzaehlige Menge andrer Vortheile, welche ein jeder Menſch für ſich, und das ganze gemeine We- ſen überhaupt dadurch erlangt, wann einer von dem andern Uebels ſpricht. Da das Vergnü- gen, welches wir dabey empfinden, ſo groſs iſt; ſo iſt wohl nichts geſchickter, uns in den traurigen Stunden unſers Lebens aufzuheitern. Wir vergeſſen unſre eigne Thorheit, da wir uns mit der Thorheit andrer beluſtigen. Durch ei- ne beſtaendige Uebung, Boeſes von andern zu reden,

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/440>, abgerufen am 17.05.2024.