Wenn ich beweisen will, dass diese Begierde, Boeses zu reden, lediglich aus einer wahren Menschenliebe herrührt; so habe ich nicht noe- thig, etwas weiter zu thun, als dass ich den un- entbehrlichen Nutzen zeige, den sie in der menschlichen Gesellschaft hat. Und beynahe ist auch dieses überflüssig, da der gemeinste Mann solches aus der taeglichen Erfahrung lernt. Ich will also weiter nichts thun, als meine Leser an diejenige Empfindung erinnern, die Sie ge- habt haben, ohne vielleicht aufmerksam dabey gewesen zu seyn, weil sie Ihnen gar zu ge- woehnlich war.
Das Band der bürgerlichen Gesellschaft, wor- auf sich die ganze Republik gründet, ist das Ver- gnügen, welches die Innwohner einer Stadt in dem Umgange mit einander empfinden. Der Satz ist klar, und wer daran noch zweifelt, der stelle sich eine Stadt vor, wo alle Thüren ver- schlossen bleiben, wo die Fenster verhangen sind, wo niemand auch nicht den Nachbar kennt, und wo derjenige, welcher nicht ver- meiden kann auszugehn, doch nur im Finstern ausgeht, um nicht gesehn, und von niemanden angeredt zu werden. Diese traurige Stadt stelle er sich vor. Würde Peau, würde Leipzig an- ders seyn, wenn seine Bürger nicht mit Vergnü- gen einer des andern Gesellschaft suchte? Und würden sie dieses Vergnügen geniessen, wenn sie nicht eben dadurch Gelegenheit faenden, Uebels von andern zu reden? Nur dieser Unterscheid
ist
Wenn ich beweiſen will, daſs dieſe Begierde, Boeſes zu reden, lediglich aus einer wahren Menſchenliebe herrührt; ſo habe ich nicht noe- thig, etwas weiter zu thun, als daſs ich den un- entbehrlichen Nutzen zeige, den ſie in der menſchlichen Geſellſchaft hat. Und beynahe iſt auch dieſes überflüſsig, da der gemeinſte Mann ſolches aus der taeglichen Erfahrung lernt. Ich will alſo weiter nichts thun, als meine Leſer an diejenige Empfindung erinnern, die Sie ge- habt haben, ohne vielleicht aufmerkſam dabey geweſen zu ſeyn, weil ſie Ihnen gar zu ge- woehnlich war.
Das Band der bürgerlichen Geſellſchaft, wor- auf ſich die ganze Republik gründet, iſt das Ver- gnügen, welches die Innwohner einer Stadt in dem Umgange mit einander empfinden. Der Satz iſt klar, und wer daran noch zweifelt, der ſtelle ſich eine Stadt vor, wo alle Thüren ver- ſchloſſen bleiben, wo die Fenſter verhangen ſind, wo niemand auch nicht den Nachbar kennt, und wo derjenige, welcher nicht ver- meiden kann auszugehn, doch nur im Finſtern ausgeht, um nicht geſehn, und von niemanden angeredt zu werden. Dieſe traurige Stadt ſtelle er ſich vor. Würde Peau, würde Leipzig an- ders ſeyn, wenn ſeine Bürger nicht mit Vergnü- gen einer des andern Geſellſchaft ſuchte? Und würden ſie dieſes Vergnügen genieſsen, wenn ſie nicht eben dadurch Gelegenheit faenden, Uebels von andern zu reden? Nur dieſer Unterſcheid
iſt
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Wenn ich beweiſen will, daſs dieſe Begierde,
Boeſes zu reden, lediglich aus einer wahren
Menſchenliebe herrührt; ſo habe ich nicht noe-
thig, etwas weiter zu thun, als daſs ich den un-
entbehrlichen Nutzen zeige, den ſie in der
menſchlichen Geſellſchaft hat. Und beynahe
iſt auch dieſes überflüſsig, da der gemeinſte
Mann ſolches aus der taeglichen Erfahrung lernt.
Ich will alſo weiter nichts thun, als meine Leſer
an diejenige Empfindung erinnern, die Sie ge-
habt haben, ohne vielleicht aufmerkſam dabey
geweſen zu ſeyn, weil ſie Ihnen gar zu ge-
woehnlich war.
Das Band der bürgerlichen Geſellſchaft, wor-
auf ſich die ganze Republik gründet, iſt das Ver-
gnügen, welches die Innwohner einer Stadt in
dem Umgange mit einander empfinden. Der
Satz iſt klar, und wer daran noch zweifelt, der
ſtelle ſich eine Stadt vor, wo alle Thüren ver-
ſchloſſen bleiben, wo die Fenſter verhangen
ſind, wo niemand auch nicht den Nachbar
kennt, und wo derjenige, welcher nicht ver-
meiden kann auszugehn, doch nur im Finſtern
ausgeht, um nicht geſehn, und von niemanden
angeredt zu werden. Dieſe traurige Stadt ſtelle
er ſich vor. Würde Peau, würde Leipzig an-
ders ſeyn, wenn ſeine Bürger nicht mit Vergnü-
gen einer des andern Geſellſchaft ſuchte? Und
würden ſie dieſes Vergnügen genieſsen, wenn ſie
nicht eben dadurch Gelegenheit faenden, Uebels
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/434>, abgerufen am 23.11.2024.
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