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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Antons Panßa von Mancha
eines Gelehrten so gleich sehen kann, zu welcher
Art der Gelehrten er eigentlich gehöre. Es wür-
de zu weitläuftig seyn, alles hier anzuführen,
was ich vermöge meiner öftern Erfahrung, da-
von gesagt habe. Zur Probe will ich von den
drey und funfzig Exempeln gegenwärtig nur
etliche anführen.
Ein Mann, welcher mit einer vornehmen und
viel bedeutenden Miene durch die Gassen geht,
nur diejenigen grüßt, von welchen er glaubt, daß
sie einen Einfluß in die Regierung des Landes ha-
ben, diejenigen, die ihn grüßen, argwöhnisch, und
aufmerksam ansieht, immer den Schubsack voll
Zeitungen trägt, seinen Freunden den guten Mor-
gen ins Ohr sagt; dieser Mann ist unfehlbar ei-
ner von den politischen Schriftstellern, welche an
ihrem Pulte das Gleichgewicht von Europa hal-
ten.
Man wird sich nur selten betrügen, wenn
man diejenigen für Sittenlehrer von Profession
hält, welche bey einem sehr schmuzigen, und un-
ordentlichen Anzuge in Gesellschaften am wenig-
sten gesittet sind.
Ein junger Mensch, welcher sich in derjeni-
gen Gegend der Stadt immer geschäfftig sehen
läßt, wo die meisten Buchläden sind, ist ver-
muthlich ein junger Scribent, der seine Kin-
der sucht.
Jch habe einen Mann gekannt, welcher tief-
sinnig mit dem Kopfe wider die Bäume lief;
und dieser Mann war ein großer Mathematicus.
Die
Antons Panßa von Mancha
eines Gelehrten ſo gleich ſehen kann, zu welcher
Art der Gelehrten er eigentlich gehoͤre. Es wuͤr-
de zu weitlaͤuftig ſeyn, alles hier anzufuͤhren,
was ich vermoͤge meiner oͤftern Erfahrung, da-
von geſagt habe. Zur Probe will ich von den
drey und funfzig Exempeln gegenwaͤrtig nur
etliche anfuͤhren.
Ein Mann, welcher mit einer vornehmen und
viel bedeutenden Miene durch die Gaſſen geht,
nur diejenigen gruͤßt, von welchen er glaubt, daß
ſie einen Einfluß in die Regierung des Landes ha-
ben, diejenigen, die ihn gruͤßen, argwoͤhniſch, und
aufmerkſam anſieht, immer den Schubſack voll
Zeitungen traͤgt, ſeinen Freunden den guten Mor-
gen ins Ohr ſagt; dieſer Mann iſt unfehlbar ei-
ner von den politiſchen Schriftſtellern, welche an
ihrem Pulte das Gleichgewicht von Europa hal-
ten.
Man wird ſich nur ſelten betruͤgen, wenn
man diejenigen fuͤr Sittenlehrer von Profeſſion
haͤlt, welche bey einem ſehr ſchmuzigen, und un-
ordentlichen Anzuge in Geſellſchaften am wenig-
ſten geſittet ſind.
Ein junger Menſch, welcher ſich in derjeni-
gen Gegend der Stadt immer geſchaͤfftig ſehen
laͤßt, wo die meiſten Buchlaͤden ſind, iſt ver-
muthlich ein junger Scribent, der ſeine Kin-
der ſucht.
Jch habe einen Mann gekannt, welcher tief-
ſinnig mit dem Kopfe wider die Baͤume lief;
und dieſer Mann war ein großer Mathematicus.
Die
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[384/0406] Antons Panßa von Mancha eines Gelehrten ſo gleich ſehen kann, zu welcher Art der Gelehrten er eigentlich gehoͤre. Es wuͤr- de zu weitlaͤuftig ſeyn, alles hier anzufuͤhren, was ich vermoͤge meiner oͤftern Erfahrung, da- von geſagt habe. Zur Probe will ich von den drey und funfzig Exempeln gegenwaͤrtig nur etliche anfuͤhren. Ein Mann, welcher mit einer vornehmen und viel bedeutenden Miene durch die Gaſſen geht, nur diejenigen gruͤßt, von welchen er glaubt, daß ſie einen Einfluß in die Regierung des Landes ha- ben, diejenigen, die ihn gruͤßen, argwoͤhniſch, und aufmerkſam anſieht, immer den Schubſack voll Zeitungen traͤgt, ſeinen Freunden den guten Mor- gen ins Ohr ſagt; dieſer Mann iſt unfehlbar ei- ner von den politiſchen Schriftſtellern, welche an ihrem Pulte das Gleichgewicht von Europa hal- ten. Man wird ſich nur ſelten betruͤgen, wenn man diejenigen fuͤr Sittenlehrer von Profeſſion haͤlt, welche bey einem ſehr ſchmuzigen, und un- ordentlichen Anzuge in Geſellſchaften am wenig- ſten geſittet ſind. Ein junger Menſch, welcher ſich in derjeni- gen Gegend der Stadt immer geſchaͤfftig ſehen laͤßt, wo die meiſten Buchlaͤden ſind, iſt ver- muthlich ein junger Scribent, der ſeine Kin- der ſucht. Jch habe einen Mann gekannt, welcher tief- ſinnig mit dem Kopfe wider die Baͤume lief; und dieſer Mann war ein großer Mathematicus. Die

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/406>, abgerufen am 27.09.2024.