Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Antons Panßa von Mancha
nen so glücklichen Einfall gehabt habe, diese Ge-
dankensteuer in Vorschlag zu bringen. Wie viel
tausend Mitbürger, für die niemand bisher ge-
sorgt hat, werde ich künftig von der Thorheit an-
derer ernähren können!

Hier könnte ich schließen; aber ich muß noch
auf einen Einwurf antworten: Jst es wohl
iemals möglich, diese Gedankensteuer wirk-
lich einzuführen, da es nicht möglich ist,
die Gedanken anderer zu wissen, und da die
Menschen gemeiniglich ihre Einbildungen,
je lächerlicher sie sind, desto sorgfältiger zu
verbergen wissen?

Vielleicht hätte ich gar nicht nöthig, mich
auf diese Frage einzulassen. Ein Projectmacher
entwirft den Plan; er macht weitläuftige Be-
rechnungen von den großen Einkünften, welche
die Casse davon zu erwarten hat: Mehr darf
man von ihm nicht verlangen. Ob es eine
Möglichkeit sey, diesen Plan einzuführen? das
ist seine Sache nicht; dafür mögen andre sorgen:
Genug, sein Project steht richtig berechnet auf
dem Papiere.

Aber ich bin meiner Sachen so gewiß, daß
ich mehr antworten will, als man berechtigt ist,
mich zu fragen.

Der obige Einwurf schickt sich nicht auf al-
le Fälle. Viele Handlungen der Menschen
brauchen gar keine Erklärung. Viele Menschen
sind nicht im Stande, oder geben sich doch keine

Mühe,

Antons Panßa von Mancha
nen ſo gluͤcklichen Einfall gehabt habe, dieſe Ge-
dankenſteuer in Vorſchlag zu bringen. Wie viel
tauſend Mitbuͤrger, fuͤr die niemand bisher ge-
ſorgt hat, werde ich kuͤnftig von der Thorheit an-
derer ernaͤhren koͤnnen!

Hier koͤnnte ich ſchließen; aber ich muß noch
auf einen Einwurf antworten: Jſt es wohl
iemals moͤglich, dieſe Gedankenſteuer wirk-
lich einzufuͤhren, da es nicht moͤglich iſt,
die Gedanken anderer zu wiſſen, und da die
Menſchen gemeiniglich ihre Einbildungen,
je laͤcherlicher ſie ſind, deſto ſorgfaͤltiger zu
verbergen wiſſen?

Vielleicht haͤtte ich gar nicht noͤthig, mich
auf dieſe Frage einzulaſſen. Ein Projectmacher
entwirft den Plan; er macht weitlaͤuftige Be-
rechnungen von den großen Einkuͤnften, welche
die Caſſe davon zu erwarten hat: Mehr darf
man von ihm nicht verlangen. Ob es eine
Moͤglichkeit ſey, dieſen Plan einzufuͤhren? das
iſt ſeine Sache nicht; dafuͤr moͤgen andre ſorgen:
Genug, ſein Project ſteht richtig berechnet auf
dem Papiere.

Aber ich bin meiner Sachen ſo gewiß, daß
ich mehr antworten will, als man berechtigt iſt,
mich zu fragen.

Der obige Einwurf ſchickt ſich nicht auf al-
le Faͤlle. Viele Handlungen der Menſchen
brauchen gar keine Erklaͤrung. Viele Menſchen
ſind nicht im Stande, oder geben ſich doch keine

Muͤhe,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0394" n="372"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Antons Panßa von Mancha</hi></fw><lb/>
nen &#x017F;o glu&#x0364;cklichen Einfall gehabt habe, die&#x017F;e Ge-<lb/>
danken&#x017F;teuer in Vor&#x017F;chlag zu bringen. Wie viel<lb/>
tau&#x017F;end Mitbu&#x0364;rger, fu&#x0364;r die niemand bisher ge-<lb/>
&#x017F;orgt hat, werde ich ku&#x0364;nftig von der Thorheit an-<lb/>
derer erna&#x0364;hren ko&#x0364;nnen!</p><lb/>
          <p><hi rendition="#in">H</hi>ier ko&#x0364;nnte ich &#x017F;chließen; aber ich muß noch<lb/>
auf einen Einwurf antworten: <hi rendition="#fr">J&#x017F;t es wohl<lb/>
iemals mo&#x0364;glich, die&#x017F;e Gedanken&#x017F;teuer wirk-<lb/>
lich einzufu&#x0364;hren, da es nicht mo&#x0364;glich i&#x017F;t,<lb/>
die Gedanken anderer zu wi&#x017F;&#x017F;en, und da die<lb/>
Men&#x017F;chen gemeiniglich ihre Einbildungen,<lb/>
je la&#x0364;cherlicher &#x017F;ie &#x017F;ind, de&#x017F;to &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger zu<lb/>
verbergen wi&#x017F;&#x017F;en?</hi></p><lb/>
          <p>Vielleicht ha&#x0364;tte ich gar nicht no&#x0364;thig, mich<lb/>
auf die&#x017F;e Frage einzula&#x017F;&#x017F;en. Ein Projectmacher<lb/>
entwirft den Plan; er macht weitla&#x0364;uftige Be-<lb/>
rechnungen von den großen Einku&#x0364;nften, welche<lb/>
die Ca&#x017F;&#x017F;e davon zu erwarten hat: Mehr darf<lb/>
man von ihm nicht verlangen. Ob es eine<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit &#x017F;ey, die&#x017F;en Plan einzufu&#x0364;hren? das<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;eine Sache nicht; dafu&#x0364;r mo&#x0364;gen andre &#x017F;orgen:<lb/>
Genug, &#x017F;ein Project &#x017F;teht richtig berechnet auf<lb/>
dem Papiere.</p><lb/>
          <p>Aber ich bin meiner Sachen &#x017F;o gewiß, daß<lb/>
ich mehr antworten will, als man berechtigt i&#x017F;t,<lb/>
mich zu fragen.</p><lb/>
          <p>Der obige Einwurf &#x017F;chickt &#x017F;ich nicht auf al-<lb/>
le Fa&#x0364;lle. Viele Handlungen der Men&#x017F;chen<lb/>
brauchen gar keine Erkla&#x0364;rung. Viele Men&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ind nicht im Stande, oder geben &#x017F;ich doch keine<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mu&#x0364;he,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0394] Antons Panßa von Mancha nen ſo gluͤcklichen Einfall gehabt habe, dieſe Ge- dankenſteuer in Vorſchlag zu bringen. Wie viel tauſend Mitbuͤrger, fuͤr die niemand bisher ge- ſorgt hat, werde ich kuͤnftig von der Thorheit an- derer ernaͤhren koͤnnen! Hier koͤnnte ich ſchließen; aber ich muß noch auf einen Einwurf antworten: Jſt es wohl iemals moͤglich, dieſe Gedankenſteuer wirk- lich einzufuͤhren, da es nicht moͤglich iſt, die Gedanken anderer zu wiſſen, und da die Menſchen gemeiniglich ihre Einbildungen, je laͤcherlicher ſie ſind, deſto ſorgfaͤltiger zu verbergen wiſſen? Vielleicht haͤtte ich gar nicht noͤthig, mich auf dieſe Frage einzulaſſen. Ein Projectmacher entwirft den Plan; er macht weitlaͤuftige Be- rechnungen von den großen Einkuͤnften, welche die Caſſe davon zu erwarten hat: Mehr darf man von ihm nicht verlangen. Ob es eine Moͤglichkeit ſey, dieſen Plan einzufuͤhren? das iſt ſeine Sache nicht; dafuͤr moͤgen andre ſorgen: Genug, ſein Project ſteht richtig berechnet auf dem Papiere. Aber ich bin meiner Sachen ſo gewiß, daß ich mehr antworten will, als man berechtigt iſt, mich zu fragen. Der obige Einwurf ſchickt ſich nicht auf al- le Faͤlle. Viele Handlungen der Menſchen brauchen gar keine Erklaͤrung. Viele Menſchen ſind nicht im Stande, oder geben ſich doch keine Muͤhe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/394
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/394>, abgerufen am 18.05.2024.