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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
sprochen habe; ja ich will noch mehr thun.
Ohne einen Kreuzer zu meiner Gedankensteuer
geben zu dürfen, sollen sie, ein ganzes Jahr
über, das Recht haben zu glauben, daß sie
wirklich ein Mann von Einsicht, ein unpar-
theyischer Richter, ein Vertheidiger der Verlaß-
nen, ein Retter der unterdrückten Unschuld sind.
Diese Zeit über soll es keinem Menschen erlaubt
seyn, ihnen die verdrießlichen Wahrheiten zu
sagen, daß sie ein ungeschickter, ein unwissender
Mann sind; daß sie auf die gerechte Sache
der Nothleidenden eher nicht Acht haben, als
bis ihr niederträchtiger Geiz durch Geschenke
aufgemuntert wird; daß sie ihre große Uner-
fahrenheit unter einer viel bedeutenden Miene
zu verstecken, und ihre natürliche Dummheit
durch ein vornehmes Stillschweigen zu verber-
gen wissen; daß sie kaum Thürsteher seyn wür-
den, wenn sie nicht die Untreue ihrer gefälligen
Frau aus dem Pöbel, für den sie geboren wa-
ren, hervorgezogen, und auf den Richterstuhl
gepflanzt hätte. Nicht einen einzigen von die-
sen Vorwürfen soll man ihnen, binnen diesem
Jahre machen. Ja, damit sie sehen sollen,
wie wichtig der Dienst ist, den sie mir itzo
geleistet haben, so sollen sie auf ihre ganze Le-
benszeit das Recht haben, alle Zueignungsschrif-
ten ihrer demüthighoffenden Clienten für Wahr-
heiten anzunehmen. Jch erlaube ihnen, bey
Lesung dieser Zueignungsschriften zu glauben,
daß sie ein gelehrter Mann, daß sie der Mund

der
Y

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
ſprochen habe; ja ich will noch mehr thun.
Ohne einen Kreuzer zu meiner Gedankenſteuer
geben zu duͤrfen, ſollen ſie, ein ganzes Jahr
uͤber, das Recht haben zu glauben, daß ſie
wirklich ein Mann von Einſicht, ein unpar-
theyiſcher Richter, ein Vertheidiger der Verlaß-
nen, ein Retter der unterdruͤckten Unſchuld ſind.
Dieſe Zeit uͤber ſoll es keinem Menſchen erlaubt
ſeyn, ihnen die verdrießlichen Wahrheiten zu
ſagen, daß ſie ein ungeſchickter, ein unwiſſender
Mann ſind; daß ſie auf die gerechte Sache
der Nothleidenden eher nicht Acht haben, als
bis ihr niedertraͤchtiger Geiz durch Geſchenke
aufgemuntert wird; daß ſie ihre große Uner-
fahrenheit unter einer viel bedeutenden Miene
zu verſtecken, und ihre natuͤrliche Dummheit
durch ein vornehmes Stillſchweigen zu verber-
gen wiſſen; daß ſie kaum Thuͤrſteher ſeyn wuͤr-
den, wenn ſie nicht die Untreue ihrer gefaͤlligen
Frau aus dem Poͤbel, fuͤr den ſie geboren wa-
ren, hervorgezogen, und auf den Richterſtuhl
gepflanzt haͤtte. Nicht einen einzigen von die-
ſen Vorwuͤrfen ſoll man ihnen, binnen dieſem
Jahre machen. Ja, damit ſie ſehen ſollen,
wie wichtig der Dienſt iſt, den ſie mir itzo
geleiſtet haben, ſo ſollen ſie auf ihre ganze Le-
benszeit das Recht haben, alle Zueignungsſchrif-
ten ihrer demuͤthighoffenden Clienten fuͤr Wahr-
heiten anzunehmen. Jch erlaube ihnen, bey
Leſung dieſer Zueignungsſchriften zu glauben,
daß ſie ein gelehrter Mann, daß ſie der Mund

der
Y
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[337/0359] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. ſprochen habe; ja ich will noch mehr thun. Ohne einen Kreuzer zu meiner Gedankenſteuer geben zu duͤrfen, ſollen ſie, ein ganzes Jahr uͤber, das Recht haben zu glauben, daß ſie wirklich ein Mann von Einſicht, ein unpar- theyiſcher Richter, ein Vertheidiger der Verlaß- nen, ein Retter der unterdruͤckten Unſchuld ſind. Dieſe Zeit uͤber ſoll es keinem Menſchen erlaubt ſeyn, ihnen die verdrießlichen Wahrheiten zu ſagen, daß ſie ein ungeſchickter, ein unwiſſender Mann ſind; daß ſie auf die gerechte Sache der Nothleidenden eher nicht Acht haben, als bis ihr niedertraͤchtiger Geiz durch Geſchenke aufgemuntert wird; daß ſie ihre große Uner- fahrenheit unter einer viel bedeutenden Miene zu verſtecken, und ihre natuͤrliche Dummheit durch ein vornehmes Stillſchweigen zu verber- gen wiſſen; daß ſie kaum Thuͤrſteher ſeyn wuͤr- den, wenn ſie nicht die Untreue ihrer gefaͤlligen Frau aus dem Poͤbel, fuͤr den ſie geboren wa- ren, hervorgezogen, und auf den Richterſtuhl gepflanzt haͤtte. Nicht einen einzigen von die- ſen Vorwuͤrfen ſoll man ihnen, binnen dieſem Jahre machen. Ja, damit ſie ſehen ſollen, wie wichtig der Dienſt iſt, den ſie mir itzo geleiſtet haben, ſo ſollen ſie auf ihre ganze Le- benszeit das Recht haben, alle Zueignungsſchrif- ten ihrer demuͤthighoffenden Clienten fuͤr Wahr- heiten anzunehmen. Jch erlaube ihnen, bey Leſung dieſer Zueignungsſchriften zu glauben, daß ſie ein gelehrter Mann, daß ſie der Mund der Y

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/359>, abgerufen am 22.11.2024.