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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.

O, mein Herr! sie kommen mir gewünscht.
Das Amt, bey welchem sie als öffentlicher Lehrer
beider Rechte besoldet werden, verbindet sie, sich
meiner vor dem Richter anzunehmen, und mich
wider diesen Zungendrescher zu vertheidigen. Legen
sie dieses Buch nur auf einen Augenblick aus ihren
Händen, und hören sie mein Anliegen. Dieser
ungerechte Mann, welcher, wie sie selbst sehen,
mich bey der Gurgel fest hält - - - Jch verstehe sie
nicht. Was wollen sie mit ihrer formula actio-
nis
sagen? Dieser Mann hat mich hier an einem
öffentlichen Orte gewaltsam angefallen; ich will
beweisen, daß er mich nicht hätte anfallen sollen:
Jst das nicht deutlich genug? - - - - Sie lächeln,
sie sehen mich und meinen Gegner mit Verach-
tung an, und verlassen mich? Nur auf ein Wort!
Verziehn sie noch einen Augenblick: Jch weis
nunmehr, wer sie sind. Ein Bösewicht sind sie
nicht, wie mein Gegner; aber eben so ein großer
Thor. Der Misbrauch unsrer Rechtsgelehr-
samkeit hat ihnen einen Ekel davor beygebracht;
allein eben dadurch sind sie auf die Unbilligkeit ver-
fallen, alles dasjenige zu verachten, was prakti-
sche Rechtsgelehrsamkeit heißt. Jhre angewohnte
Gemächlichkeit, nichts zu thun, als an ihrem
Pulte ruhig zu lesen, hat ihnen diesen Einfall
angenehm gemacht. Der Hochmuth, und zwar
ein pedantischer Hochmuth, hat sie in dem Vor-
haben bestärkt, den betretnen Weg dererjenigen
zu verlassen, die Advocaten heißen, und einen

Weg
Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.

O, mein Herr! ſie kommen mir gewuͤnſcht.
Das Amt, bey welchem ſie als oͤffentlicher Lehrer
beider Rechte beſoldet werden, verbindet ſie, ſich
meiner vor dem Richter anzunehmen, und mich
wider dieſen Zungendreſcher zu vertheidigen. Legen
ſie dieſes Buch nur auf einen Augenblick aus ihren
Haͤnden, und hoͤren ſie mein Anliegen. Dieſer
ungerechte Mann, welcher, wie ſie ſelbſt ſehen,
mich bey der Gurgel feſt haͤlt ‒ ‒ ‒ Jch verſtehe ſie
nicht. Was wollen ſie mit ihrer formula actio-
nis
ſagen? Dieſer Mann hat mich hier an einem
oͤffentlichen Orte gewaltſam angefallen; ich will
beweiſen, daß er mich nicht haͤtte anfallen ſollen:
Jſt das nicht deutlich genug? ‒ ‒ ‒ ‒ Sie laͤcheln,
ſie ſehen mich und meinen Gegner mit Verach-
tung an, und verlaſſen mich? Nur auf ein Wort!
Verziehn ſie noch einen Augenblick: Jch weis
nunmehr, wer ſie ſind. Ein Boͤſewicht ſind ſie
nicht, wie mein Gegner; aber eben ſo ein großer
Thor. Der Misbrauch unſrer Rechtsgelehr-
ſamkeit hat ihnen einen Ekel davor beygebracht;
allein eben dadurch ſind ſie auf die Unbilligkeit ver-
fallen, alles dasjenige zu verachten, was prakti-
ſche Rechtsgelehrſamkeit heißt. Jhre angewohnte
Gemaͤchlichkeit, nichts zu thun, als an ihrem
Pulte ruhig zu leſen, hat ihnen dieſen Einfall
angenehm gemacht. Der Hochmuth, und zwar
ein pedantiſcher Hochmuth, hat ſie in dem Vor-
haben beſtaͤrkt, den betretnen Weg dererjenigen
zu verlaſſen, die Advocaten heißen, und einen

Weg
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[333/0355] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. O, mein Herr! ſie kommen mir gewuͤnſcht. Das Amt, bey welchem ſie als oͤffentlicher Lehrer beider Rechte beſoldet werden, verbindet ſie, ſich meiner vor dem Richter anzunehmen, und mich wider dieſen Zungendreſcher zu vertheidigen. Legen ſie dieſes Buch nur auf einen Augenblick aus ihren Haͤnden, und hoͤren ſie mein Anliegen. Dieſer ungerechte Mann, welcher, wie ſie ſelbſt ſehen, mich bey der Gurgel feſt haͤlt ‒ ‒ ‒ Jch verſtehe ſie nicht. Was wollen ſie mit ihrer formula actio- nis ſagen? Dieſer Mann hat mich hier an einem oͤffentlichen Orte gewaltſam angefallen; ich will beweiſen, daß er mich nicht haͤtte anfallen ſollen: Jſt das nicht deutlich genug? ‒ ‒ ‒ ‒ Sie laͤcheln, ſie ſehen mich und meinen Gegner mit Verach- tung an, und verlaſſen mich? Nur auf ein Wort! Verziehn ſie noch einen Augenblick: Jch weis nunmehr, wer ſie ſind. Ein Boͤſewicht ſind ſie nicht, wie mein Gegner; aber eben ſo ein großer Thor. Der Misbrauch unſrer Rechtsgelehr- ſamkeit hat ihnen einen Ekel davor beygebracht; allein eben dadurch ſind ſie auf die Unbilligkeit ver- fallen, alles dasjenige zu verachten, was prakti- ſche Rechtsgelehrſamkeit heißt. Jhre angewohnte Gemaͤchlichkeit, nichts zu thun, als an ihrem Pulte ruhig zu leſen, hat ihnen dieſen Einfall angenehm gemacht. Der Hochmuth, und zwar ein pedantiſcher Hochmuth, hat ſie in dem Vor- haben beſtaͤrkt, den betretnen Weg dererjenigen zu verlaſſen, die Advocaten heißen, und einen Weg

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/355>, abgerufen am 22.11.2024.