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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abhandlung von Sprüchwörtern.
nicht umsonst ungerecht denken sollen. Derglei-
chen Edelleute von gutem Hause, aber ohne eigne
Verdienste, sollen für jeden Ahnen, dessen sie nicht
werth sind, und auf den sie doch so gerne stolz
seyn mögen, jährlich 2 fl. -, und für jede gute
Eigenschaft, die ihnen fehlt, und die sie doch in
Ansehung ihrer Ahnen, und ihres Standes vor-
züglich haben sollten, 3 fl. - zahlen; und bevor
sie diese Summe erlegt, kein Recht haben, auf
Vorzüge stolz zu seyn, welche, als Vorzüge des
blinden Glücks, auch der unedelsten Seele zufal-
len können.

Dergleichen Verachtung derer von guten Häu-
sern gegen Neugeadelte ist bey aller dieser Unbil-
ligkeit doch eher zu entschuldigen, als der unge-
schickte Spott derer Bürger, welche jene für Ueber-
läufer ansehen. Je niedriger diese zu denken
gewohnt sind, desto niederträchtiger sind auch ihre
Urtheile über diejenigen, deren verdienstliche Ei-
genschaften so vorzüglich belohnt werden. Neid
und Eigenliebe sind die wahren Qvellen, aus de-
nen diese feindlichen Urtheilsprüche fließen. Ein
jeder von ihnen glaubt, eben so viel Verdienste zu
haben, und der Aufmerksamkeit des Prinzen
eben so wohl würdig zu seyn. Da aber der Prinz
sie nicht belohnt, und ihre Verdienste unbemerkt
bleiben: so wollen sie wenigstens dadurch sich
schadlos halten, daß sie andre zu bereden suchen,
ihr belohnter Mitbürger sey der verständige, der
tapfre, der fleißige Mann gar nicht, für den ihn

der
T 3

Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
nicht umſonſt ungerecht denken ſollen. Derglei-
chen Edelleute von gutem Hauſe, aber ohne eigne
Verdienſte, ſollen fuͤr jeden Ahnen, deſſen ſie nicht
werth ſind, und auf den ſie doch ſo gerne ſtolz
ſeyn moͤgen, jaͤhrlich 2 fl. ‒, und fuͤr jede gute
Eigenſchaft, die ihnen fehlt, und die ſie doch in
Anſehung ihrer Ahnen, und ihres Standes vor-
zuͤglich haben ſollten, 3 fl. ‒ zahlen; und bevor
ſie dieſe Summe erlegt, kein Recht haben, auf
Vorzuͤge ſtolz zu ſeyn, welche, als Vorzuͤge des
blinden Gluͤcks, auch der unedelſten Seele zufal-
len koͤnnen.

Dergleichen Verachtung derer von guten Haͤu-
ſern gegen Neugeadelte iſt bey aller dieſer Unbil-
ligkeit doch eher zu entſchuldigen, als der unge-
ſchickte Spott derer Buͤrger, welche jene fuͤr Ueber-
laͤufer anſehen. Je niedriger dieſe zu denken
gewohnt ſind, deſto niedertraͤchtiger ſind auch ihre
Urtheile uͤber diejenigen, deren verdienſtliche Ei-
genſchaften ſo vorzuͤglich belohnt werden. Neid
und Eigenliebe ſind die wahren Qvellen, aus de-
nen dieſe feindlichen Urtheilſpruͤche fließen. Ein
jeder von ihnen glaubt, eben ſo viel Verdienſte zu
haben, und der Aufmerkſamkeit des Prinzen
eben ſo wohl wuͤrdig zu ſeyn. Da aber der Prinz
ſie nicht belohnt, und ihre Verdienſte unbemerkt
bleiben: ſo wollen ſie wenigſtens dadurch ſich
ſchadlos halten, daß ſie andre zu bereden ſuchen,
ihr belohnter Mitbuͤrger ſey der verſtaͤndige, der
tapfre, der fleißige Mann gar nicht, fuͤr den ihn

der
T 3
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[293/0315] Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern. nicht umſonſt ungerecht denken ſollen. Derglei- chen Edelleute von gutem Hauſe, aber ohne eigne Verdienſte, ſollen fuͤr jeden Ahnen, deſſen ſie nicht werth ſind, und auf den ſie doch ſo gerne ſtolz ſeyn moͤgen, jaͤhrlich 2 fl. ‒, und fuͤr jede gute Eigenſchaft, die ihnen fehlt, und die ſie doch in Anſehung ihrer Ahnen, und ihres Standes vor- zuͤglich haben ſollten, 3 fl. ‒ zahlen; und bevor ſie dieſe Summe erlegt, kein Recht haben, auf Vorzuͤge ſtolz zu ſeyn, welche, als Vorzuͤge des blinden Gluͤcks, auch der unedelſten Seele zufal- len koͤnnen. Dergleichen Verachtung derer von guten Haͤu- ſern gegen Neugeadelte iſt bey aller dieſer Unbil- ligkeit doch eher zu entſchuldigen, als der unge- ſchickte Spott derer Buͤrger, welche jene fuͤr Ueber- laͤufer anſehen. Je niedriger dieſe zu denken gewohnt ſind, deſto niedertraͤchtiger ſind auch ihre Urtheile uͤber diejenigen, deren verdienſtliche Ei- genſchaften ſo vorzuͤglich belohnt werden. Neid und Eigenliebe ſind die wahren Qvellen, aus de- nen dieſe feindlichen Urtheilſpruͤche fließen. Ein jeder von ihnen glaubt, eben ſo viel Verdienſte zu haben, und der Aufmerkſamkeit des Prinzen eben ſo wohl wuͤrdig zu ſeyn. Da aber der Prinz ſie nicht belohnt, und ihre Verdienſte unbemerkt bleiben: ſo wollen ſie wenigſtens dadurch ſich ſchadlos halten, daß ſie andre zu bereden ſuchen, ihr belohnter Mitbuͤrger ſey der verſtaͤndige, der tapfre, der fleißige Mann gar nicht, fuͤr den ihn der T 3

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/315>, abgerufen am 22.11.2024.