dasjenige bestimmt bleiben soll, was durch mein Project von den Geistlichen, und den Philosophen einkommen wird. Aus dem Projecte selbst wer- den sie sehen, wie ansehnlich der Betrag davon seyn müsse. Und ich bin gewiß überzeugt, die Geistlichen und Philosophen werden nun weit mehr beytragen, als von ihnen verlangt wird: Diese, weil sie von der Nichtswürdigkeit des Reichthums überzeugt sind, und gewiß alles Geld hingeben werden, um einen einzigen Narren weise zu machen; jene aber, weil sie gewohnt sind, gute Werke zu thun, und ihren verirrten Mitbrüdern nicht allein mit ihrem Segen, sondern auch mit ihrem Beutel zu dienen.
Jch habe lange bey mir selbst gezweifelt, ob ich die herumirrenden Goldmacher unter diejeni- gen mitleidenswürdigen Personen rechnen soll, für deren Unterhalt ich sorge, damit sie aufhören, un- glückliche Thoren zu seyn. Sie sind dem gemei- nen Wesen sehr verderblich; sie bringen oft an- sehnliche Familien um ihr ganzes, oder doch um ihr meistes Vermögen: Aber sie sind zu entschuldi- gen, und mehr zu entschuldigen, als diejenigen, welche sich von ihnen misbrauchen lassen. Wer ist lächerlicher: Ein Bettler, welcher, um nicht gar zu verhungern, einem Reichen das wichtige Ge- heimniß lehren will, zu großen Schätzen zu gelan- g@n; oder dieser Reiche, welcher von den Händen eines hungrigen Landstreichers den Ueberfluß er- wartet? Jnzwischen will ich es doch auf einige
Zeit
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
dasjenige beſtimmt bleiben ſoll, was durch mein Project von den Geiſtlichen, und den Philoſophen einkommen wird. Aus dem Projecte ſelbſt wer- den ſie ſehen, wie anſehnlich der Betrag davon ſeyn muͤſſe. Und ich bin gewiß uͤberzeugt, die Geiſtlichen und Philoſophen werden nun weit mehr beytragen, als von ihnen verlangt wird: Dieſe, weil ſie von der Nichtswuͤrdigkeit des Reichthums uͤberzeugt ſind, und gewiß alles Geld hingeben werden, um einen einzigen Narren weiſe zu machen; jene aber, weil ſie gewohnt ſind, gute Werke zu thun, und ihren verirrten Mitbruͤdern nicht allein mit ihrem Segen, ſondern auch mit ihrem Beutel zu dienen.
Jch habe lange bey mir ſelbſt gezweifelt, ob ich die herumirrenden Goldmacher unter diejeni- gen mitleidenswuͤrdigen Perſonen rechnen ſoll, fuͤr deren Unterhalt ich ſorge, damit ſie aufhoͤren, un- gluͤckliche Thoren zu ſeyn. Sie ſind dem gemei- nen Weſen ſehr verderblich; ſie bringen oft an- ſehnliche Familien um ihr ganzes, oder doch um ihr meiſtes Vermoͤgen: Aber ſie ſind zu entſchuldi- gen, und mehr zu entſchuldigen, als diejenigen, welche ſich von ihnen misbrauchen laſſen. Wer iſt laͤcherlicher: Ein Bettler, welcher, um nicht gar zu verhungern, einem Reichen das wichtige Ge- heimniß lehren will, zu großen Schaͤtzen zu gelan- gən; oder dieſer Reiche, welcher von den Haͤnden eines hungrigen Landſtreichers den Ueberfluß er- wartet? Jnzwiſchen will ich es doch auf einige
Zeit
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Abhandlung von Spruͤchwoͤrtern.
dasjenige beſtimmt bleiben ſoll, was durch mein
Project von den Geiſtlichen, und den Philoſophen
einkommen wird. Aus dem Projecte ſelbſt wer-
den ſie ſehen, wie anſehnlich der Betrag davon
ſeyn muͤſſe. Und ich bin gewiß uͤberzeugt, die
Geiſtlichen und Philoſophen werden nun weit
mehr beytragen, als von ihnen verlangt wird:
Dieſe, weil ſie von der Nichtswuͤrdigkeit des
Reichthums uͤberzeugt ſind, und gewiß alles Geld
hingeben werden, um einen einzigen Narren weiſe
zu machen; jene aber, weil ſie gewohnt ſind, gute
Werke zu thun, und ihren verirrten Mitbruͤdern
nicht allein mit ihrem Segen, ſondern auch mit
ihrem Beutel zu dienen.
Jch habe lange bey mir ſelbſt gezweifelt, ob
ich die herumirrenden Goldmacher unter diejeni-
gen mitleidenswuͤrdigen Perſonen rechnen ſoll, fuͤr
deren Unterhalt ich ſorge, damit ſie aufhoͤren, un-
gluͤckliche Thoren zu ſeyn. Sie ſind dem gemei-
nen Weſen ſehr verderblich; ſie bringen oft an-
ſehnliche Familien um ihr ganzes, oder doch um
ihr meiſtes Vermoͤgen: Aber ſie ſind zu entſchuldi-
gen, und mehr zu entſchuldigen, als diejenigen,
welche ſich von ihnen misbrauchen laſſen. Wer
iſt laͤcherlicher: Ein Bettler, welcher, um nicht gar
zu verhungern, einem Reichen das wichtige Ge-
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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